Aktiv gegen Extremismus
Lee Rigby wurde am 22. Mai 2013 am helllichten Tag vor seiner Kaserne im Londoner Viertel Woolwich getötet. Dem Mord an dem britischen Soldaten folgte ein öffentlicher Aufschrei. Denn die Angeklagten hatten Passanten noch am Tatort gesagt, sie hätten den Soldaten aus Rache getötet: Schließlich habe die britische Armee ihrerseits Muslime ermordet.
Während einer Vernehmung im September plädierten Michael Adebolajo und Michael Adebowale jedoch auf "nicht schuldig". Am vergangenen Montag (18.11.2013) begann der Prozess gegen die beiden zum Islam konvertierten Briten. Obwohl der Angriff von muslimischen Glaubensführern weitgehend verurteilt wurde, stieg die Zahl der Übergriffe gegen Muslime und Moscheen in den Tagen nach dem Mord deutlich an.
Die Atmosphäre sei zu der Zeit sehr angespannt gewesen, erinnert sich Shaynul Khan von der East London Moschee. "Wir haben von vielen Fällen gehört, wo nach dem Woolwich-Vorfall Moscheen und andere Institutionen oder auch Menschen angegriffen wurden", sagte er. "Ich denke, die muslimische Gemeinschaft litt schon unter einer gewissen Angst."
Bleibende Folgen
Einige Monate später hat sich die Situation jedoch wieder beruhigt. Vom Dach der East London Moschee ertönt wie gewohnt der Aufruf zum Gebet, der sich gegen die Geräuschkulisse des Verkehrs auf der vielbefahrenen Straße vor dem Gotteshaus durchsetzt. Tausende beten hier jede Woche, viele von ihnen haben ihre Wurzeln in Bangladesch. "Was in Woolwich passiert ist, ist entsetzlich. Das vergisst man nicht so leicht. Daher denke ich, dass die Auswirkungen der Vorfälle uns noch für einige Zeit begleiten werden“, sagte Khan.
Etwa drei Millionen Muslime leben heute in Großbritannien. Einerseits versuchen Rechtsextreme wie die "English Defense League", die sich aus der britischen Hooligan-Szene entwickelt hat, eine anti-islamische Stimmung zu schüren. Nach dem Woolwich-Mord veranstaltete sie mehrere anti-muslimische Proteste. Andererseits versuchen islamistische Extremisten, unzufriedene und ausgegrenzte Menschen zu radikalisieren. Doch es gibt auch Organisationen wie die Quilliam-Stiftung, die sich gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde für eine bessere Integration von Muslimen in Großbritannien und gegen den Extremismus engagiert.
Usama Hasan von der Quilliam-Stiftung kennt die Gefahren des islamischen Fundamentalismus nur zu gut. Dadurch, dass er und seine Kollegen sich deutlich von den radikalen Islamisten distanzierten, wurden sie selbst zum potenziellen Ziel für religiöse Extremisten. Heute ist ihr Büro in der Londoner Stadtmitte mit bombensicheren Fenstern ausgestattet.
Trotzdem glaubt Usama Hasan, die muslimische Gemeinde habe große Fortschritte gemacht seit den islamistischen Anschlägen auf Londoner U-Bahnen und Busse im Juli 2005, bei denen mehr als 50 Menschen starben. "Die meisten britischen Muslime teilten nach dem Mord in Woolwich die Abscheu des ganzen Landes. Ihre Reaktion war: Schluss damit!", so Hasan.
Stolz auf Großbritannien
Jugendliche - und besonders junge Männer - laufen am häufigsten Gefahr, radikalisiert zu werden. Deshalb kümmert sich das "Osmani Jugendzentrum", nur einen Steinwurf entfernt von der East London Moschee, um die jungen Leute in der Gegend - besonders um die, die sich den Jugend-Gangs anschließen könnten.
"Wir halten Sport für eine gute Methode", meint Programmleiter Abu Mumin. "Sport ist eine Sprache, die jeder versteht. Außerdem kommen durch Sport junge Menschen aller Nationen und Glaubensrichtungen zusammen. Das ist eines unserer sehr erfolgreichen Programme." Mumin glaubt, die britischen Medien zeichneten allgemein ein schlechtes Bild von Muslimen, obwohl die große Mehrheit sehr gut in die britische Gesellschaft integriert sei.
Shaynul Khan von der East London Moschee stimmt ihm zu. Trotzdem hält er Großbritannien für einen der besten Orte der Welt, wo Muslime leben können. "Ich habe hier mein ganzes Leben verbracht", sagte er. "Für mich ist nur Großbritannien mein Zuhause. Die Freiheiten, die mir hier geboten werden, sind so viel besser als alles andere, was ich anderswo in der Welt bekäme. Ich bin wirklich stolz, in Großbritannien zu leben."
Joanna Impey
© Deutsche Welle 2013
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de