Ausbürgerung rechtlich kaum möglich
Heute sitzen sie in Gefangenenlagern fest: deutsche Staatsbürger, die sich einst der Terrorgruppe "Islamischer Staat" angeschlossen hatten. Insgesamt sind in Syrien und dem Irak rund 3.000 frühere IS-Kämpfer und ihre Familien inhaftiert. Rund 120 davon sind deutsche Staatsbürger.
In Nordsyrien können diese IS-Kämpfer momentan nicht vor Gericht gestellt werden. US-Präsident Donald Trump forderte jüngst Deutschland dazu auf, die in Nordsyrien inhaftierten deutschen IS-Kämpfer zurückzuholen. Andere europäische Staaten sollten dies mit ihren Staatsbürgern ebenfalls tun. Sollten sie sich dem verweigern, drohte Trump, die Gefangenen freizulassen.
Frankreich holt sie zurück
Die europäischen Staaten reagierten unterschiedlich: Die britische Regierung will einer IS-Anhängerin die Rückkehr nach Großbritannien verweigern, indem sie ihr einfach die Staatsbürgerschaft entzieht. Dänemark schließt eine Rücknahme der Kämpfer aus. Sie seien "die gefährlichsten Menschen der Welt", sagte der außenpolitische Sprecher der dänischen Liberalen.
Österreichs Bundeskanzler äußerte sich vorsichtiger: Sebastian Kurz zufolge habe "der Schutz der österreichischen Bevölkerung" Vorrang. Belgien forderte eine "europäische Lösung". Einzig Frankreich kündigte bereits im Januar an, 130 Kämpfer mit französischem Pass zurückzunehmen.
Wie geht Deutschland mit dieser Frage um? Muss die Bundesrepublik die Deutschen in Nordsyrien heimkehren lassen oder kann sie ihnen die Rückkehr nach Deutschland verweigern?
Die früheren IS-Kämpfer dürften nicht unkontrolliert nach Deutschland zurückkommen, warnte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die CSU forderte daraufhin, ehemaligen IS-Kämpfern mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Bei Menschen, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist das jedoch ausgeschlossen. Denn das Grundgesetz schließt eine Aberkennung ausdrücklich aus, wenn der Betroffene über keine weitere Staatsangehörigkeit verfügt und damit staatenlos wäre.
Grundgesetz: Entzug der Staatsbürgerschaft verboten
Nach derzeitiger Rechtslage gibt es drei Möglichkeiten der Ausbürgerung: den Entzug, den Verlust und die Rücknahme der Staatsbürgerschaft. In Deutschland ist jedoch der Entzug der Staatsbürgerschaft nach Artikel 16 Grundgesetz verboten. Um politischem Missbrauch vorzubeugen, darf kein Bürger durch Entzug ausgebürgert werden. Dieser Passus ist auch eine Reaktion auf massenhafte Ausbürgerungen etwa von Juden durch die Nationalsozialisten in der Zeit des Dritten Reiches.
Die zweite Option ist der Verlust der Staatsbürgerschaft. Das passiert bei der Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit oder beim freiwilligen Eintritt in die Streitkräfte eines anderen Staates. Dies gilt aber nur für reguläre Armeen, nicht für Milizen nichtstaatlicher Akteure, zu denen auch der IS zu zählen ist.
Der dritte Fall ist die Rücknahme der Staatsbürgerschaft. Diese kann eintreten, wenn eine Person bei ihrer Einbürgerung falsche Angaben gemacht hat. Kann ihr das nachgewiesen werden, wird der Akt der Einbürgerung zurückgenommen.
Im Regelfall können IS-Rückkehrer also nicht ausgebürgert werden. Es wird jedoch diskutiert, "ob bei einer Person, die bei ihrer Einbürgerung über ihre Nähe zu radikalen Gruppen geschwiegen hat, diese Einbürgerung zurückgenommen werden kann", sagt Matthias Hartwig, Jurist und Referent des Max-Planck-Instituts für ausländisches und öffentliches Recht.
Schließlich werde auch eine Person, die Ziele verfolgt, die mit der deutschen Rechtsordnung stark unvereinbar sind, gar nicht erst eingebürgert.
Sollte also eine Person schon im Augenblick der Einbürgerung solche Ziele verfolgt haben und dazu geschwiegen haben, kann der Einbürgerungsakt rückgängig gemacht werden.
Es ist in der Praxis jedoch äußerst schwer nachzuvollziehen, ob sich ein eingebürgerter IS-Kämpfer schon vor Erhalt seines deutschen Passes radikalisiert hat oder erst danach.
"Grundsätzlich hat jeder Staat eine Rücknahmepflicht. Das ist völkerrechtlich anerkannt. Das wurde von deutscher Seite auch von nordafrikanischen Staaten, wie Tunesien, Marokko und Algerien verlangt. Die Bundesrepublik hat diese Länder darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sind, ihre Bürger aufzunehmen. Wenn Deutsche in Nordsyrien festsitzen, muss sie Deutschland wieder aufnehmen", so Hartwig.
Feststellung der Identität
Nach jetziger Rechtslage sei eine Ablehnung der Rücknahme keine realistische Option. Sollte jetzt ein neues Gesetz geschaffen werden, welches für doppelte Staatsangehörige gelten soll, die sich terroristischen Gruppierungen im Ausland anschließen, wäre dieses nur für künftige Fälle anwendbar.
Normalerweise sind deutsche Staatsbürger registriert. Nachzuweisen, dass es sich um deutsche Staatsbürger handelt, ist normalerweise keine große Herausforderung. "Es müssten aber deutsche Beamte nach Syrien reisen und eine Identitätsfeststellung durchführen." Sollte der Verdacht der Beteiligung an Kriegshandlungen bestehen, muss die deutsche Bundesrepublik dies nachweisen.
Grundsätzlich ist es mit rechtsstaatlichen Mitteln kaum möglich, diese Ex-Kämpfer aus Deutschland fernzuhalten. Sollten Rückkehrer, die zwei Pässe besitzen, in Deutschland verurteilt werden und ihre Strafe abgesessen haben, könnten sie theoretisch danach aus Deutschland ausgewiesen werden. "Dann ist aber viel Zeit vergangen", gibt Matthias Hartwig zu bedenken. "Ob dann noch Interesse besteht, sie auszuweisen, ist unklar."
Nermin Ismail
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