Fasten während des Ramadans: Zuviel des Guten
Mit Ramadan ist es wie mit dem Islam als Ganzem: Aus der Entfernung hat man Angst vor ihm, unmittelbar erlebt ist er wunderbar. Wären da nicht die warnenden Zwischenrufe aus einem verständnislosen Umfeld und die Appelle frömmelnder "Hardcore"-Fastender.
"Waaas, du fastest?? Bei der Hitze?!", rief meine Freundin empört. "Aber trinken wirst du doch dürfen?" "Nee, auch nicht. Bis Sonnenuntergang!" "WIE bitte? Das ist ja erst um viertel vor ZEHN! Bis dahin nichts trinken? Wie soll das denn gehen?? Da geht's ja nachher nur noch ums nackte Überleben, was?" "Aber knallhart!", stieß ich nur genervt zwischen den Zähnen hervor. Man soll ja im Ramadan nicht zanken.
"Trinken wird Ihr Gott doch wenigstens erlauben?!", fragt die Ärztin meine Freundin - eine 65-jährige, grauhaarige Dreadlockträgerin. "Nein, trinken tun wir auch nicht!", antwortet Aisha langmütig und lächelt nur gequält - geläutert durch jahrzehntelange Übung im Umgang mit dümmlichen Fragen und schlechten Argumenten. Es gibt eben ziemlich viele Leute, die sich nicht vorstellen können, dass es Menschen gibt, die anderen Dingen einen höheren Stellenwert einräumen als dem eigenen Wohlergehen.
Erbarmen! - Zu spät! Die Hardcores kommen!
Meiner Ansicht nach gibt es zwei problematische Gruppierungen, die einem den Ramadan hierzulande oft ein bisschen vermiesen: Erstens die zuweilen regelrecht aggressiven Nichtmuslime. Und zweitens die Muslime selbst.
Erst gestern kam ich in einem Lebensmittel-Discounter mit einer älteren Frau mit Kopftuch ins Gespräch, der ich "Ramadan mubarak" gewünscht hatte. "Ich haben keine Probleme", erwiderte sie daraufhin. "Letzte Woche war ich im Krankenhaus und habe trotzdem gefastet. Und mein Vater in Mazedonien ist 86. Auch er fastet! Dort ist es über vierzig Grad!" Nette Omi. Trotzdem verdrehte ich innerlich die Augen.
Lesen Sie die persönliche Bestandsaufnahme von Anja Hilscher hier...
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