Gleichheit der Religionen unerwünscht

Mit seiner Äußerung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, spaltet der neue Heimatminister Horst Seehofer nicht nur die Bevölkerung, sondern zementiert gleichzeitig die grundsätzliche Ungleichbehandlung von Religionsgemeinschaften im Land. Ein Kommentar von Farid Hafez

Von Farid Hafez

Es ist ein Satz mit einer langen Geschichte, den viele Zeitungen und Politiker in den letzten Tagen aufgreifen. Und gewiss sorgte der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) damit abermals für reichlich Aufmerksamkeit. Tatsächlich aber stammt die Aussage "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" aus dem Jahr 2006 – ein Satz, an dem sich bis heute in der bundesdeutschen Politik die Geister scheiden.

Mit der Bildung des Bundesministeriums für Inneres, Bau und Heimat konnte Seehofer, der von 2008 bis vor Kurzem Ministerpräsident des Freistaates Bayern war, klarstellen, was er unter "Heimat" versteht. Das nun erstmals mit diesem Begriff gekrönte Ministerium mag an das nach dem 11. September eingerichtete Heimatschutzministerium in den USA erinnern. Oder an den südlichen Nachbarn Deutschlands, wo seit der Regierungsübernahme der rechten Koalition der ehemalige Generalsekretär der rechtpopulistischen FPÖ beinahe Minister eines Innen- und Heimatschutzministeriums geworden wäre.

Heimatschutz und Heimwehr

Verhindert werden konnte dies nur aufgrund der weit verbreiteten öffentlichen Kritik, da der Begriff belastende historische Reminiszenzen wach rief ("Heimatschutz" wurde auch als Synonym von "Heimwehr" verstanden, einer bürgerlich-paramilitärischen Organisation aus der Zwischenkriegszeit, die im Austrofaschismus an die Macht kam). Und beide Begriffe wären jedenfalls keine ruhmreichen Anküpfungspunkte. Doch immerhin konnte sich Seehofer auf seinen Freistaat berufen: In Bayern gibt es bereits seit 2013 ein Heimatschutzministerium!

Weitläufig waren die Argumente, die wider Seehofer ins Feld geführt wurden. Sie reichten vom Verweis auf die historische Untragbarkeit dieser Aussage bis hin zu soziologischen Argumenten, warum die Äußerung "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" nicht den Realitäten entspreche. Und zweifelsohne sind all diese Argumente auch richtig. Allerdings treffen sie nicht wirklich den Kern der Sache. Denn es geht hier nicht um Argumente, sondern um eine Sicht auf die deutsche Nation, die auf einen völkischen Nationenbegriff zurückgeht und die Superiorität mehrerer "wahrhaft deutscher Gruppen" gegenüber einer Minderheit zum Ausdruck bringt.

 AFD-Pressekonferenz mit Beatrix von Storch und UKIP-Chef Nigel Farage in Berlin; Foto: picture-alliance/dpa
Rückenwind für Rechtspopulisten: Mit seiner Positionierung signalisiert Seehofer innerparteilich eine Öffnung, um neue Wählerschichten am rechten Rand zu gewinnen. Doch am Ende muss klar sein, dass die ständige Überschreitung von Grenzen und damit die Ausdehnung des Sagbaren immer zum Vorteil rechtspopulistischer Parteien ist. Denn jede dieser Aussagen wird mit Leichtigkeit mehrfach von der AfD übertroffen. Ihr offener Rassismus wird damit nicht gebändigt werden.

Seehofer fügte seiner Ablehnung der symbolischen Inklusion einer Religionsgemeinschaft hinzu, was zu Deutschland gehöre: "Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten."

Manche Religionen sind gleicher…

Und genau anhand dieser Sicht einer strukturellen Privilegierung der christlichen Tradition wird die Zweiteilung der Bevölkerung deutlich: Muslime werden nicht als gleich vor dem Gesetz betrachtet, ebenso wie eine Gleichberechtigung entlang anderer religionsrechtlicher Bevorzugung christlicher Kirchen nicht in den Raum gestellt werden.

Seehofer kündigte zudem an, die von vielen Kritikern als asymmetrische Machtkonstellation bezeichnete Islamkonferenz wieder einberufen zu wollen. Damit zementiert er dieses mit wenig Aussicht auf Verbesserung der rechtlichen Situation von Muslimen.

Diese rechtliche Dimension bringt das Kernproblem zum Ausdruck: Muslime sind für Seehofer nicht gleich. Denn ihre Religion ist als nicht gleichwertig zu erachten, weshalb für den Heimatminister auch keine gesetzliche Gleichbehandlung entlang religionspolitischer Praktiken notwendig ist. Das ist der Kern von Rassismus, der auf der Entmenschlichung einer bestimmten Gruppe basiert, um eine andere, besondere Behandlung dieser Gruppe zu legitimieren.

Rassismus spiegelt sich rechtlich in der Ungleichbehandlung wider. Anstatt also den Heimatbegriff im Sinne von Inklusion demonstrativ nach außen zu vertreten und die gesetzliche Gleichbehandlung von Muslimen zum erklärten Ziel seiner Politik zu machen, besteht Seehofer auf der Festigung der bestehenden Vormachtstellung der christlichen Kirchen und bekräftigt diese Ungleichbehandlung sogar noch.

Ungleichbehandlung der Ungleichen

Man könnte argumentieren, dass diese diskursive Positionierung letztendlich eine Erosion demokratischer Ideale mit sich bringt. Oder aber, dass ein Demokratiebegriff bemüht wird, der sich eher an jenem von Carl Schmitt annähert, wo die Gleichheit der Gleichen beschworen wird, was anders formuliert die Ungleichbehandlung der Ungleichen bedeutet.

Angela Merkel und Horst Seehofer; Foto: picture-alliance/dpa
Deutliche Widerworte der Kanzlerin: Angela Merkel bekräftigte, dass die Prägung Deutschlands zwar sehr stark durch das Christentum erfolgt sei, und auch heute noch erfolge. "Aber inzwischen leben vier Millionen Muslime in Deutschland und sie üben hier auch ihre Religion aus. Und diese Muslime gehören auch zu Deutschland und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam", so Merkel.

Umso wichtiger war die deutliche Reaktion anderer Politiker der Großen Koalition, allen voran der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Frage, die aber im Raum bleibt, ist: Wird die Argumentation Merkels auch zu konkreten Schritten führen? Blickt man auf die religionspolitischen Entwicklungen in der Ära Merkel, so kann bislang von keinen Durchbrüchen in Hinblick auf die Verbesserung der religionsrechtlichen Bestimmungen für Muslime gesprochen werden - auch wenn diese in erster Linie in die Kompetenzen der Länder fällt.

Aber auch in den einzelnen Bundesländern gibt es trotz Fortschritten eine grundsätzliche Asymmetrie, die darin besteht, dass zwar schrittweise Privilegien zugestanden werden, ohne jedoch die Grundfrage der Gleichstellung von muslimischen Gemeinden mit Kirchen zu berühren. Darin aber würde sich das demokratische Ideal im Bereich des Religionsrechts manifestieren.

Fischen am rechten Wählerrand

Mit dieser Positionierung signalisiert Seehofer innerparteilich eine Öffnung, um neue Wählerschichten am rechten Rand zu gewinnen. Es ist aber auch ein Signal in Richtung Rechtsaußen. Dass eine solche Strategie des Versuchs der Kooptierung rechter Positionen selten gut ausgeht, lässt sich sehr gut in Österreich beobachten.

Am Ende muss klar sein, dass die ständige Überschreitung von Grenzen und damit die Ausdehnung des Sagbaren immer zum Vorteil rechtspopulistischer Parteien ist. Denn jede dieser Aussagen wird mit Leichtigkeit mehrfach von der AfD übertroffen. Ihr offener Rassismus wird damit nicht gebändigt werden.

Auch in diesem Sinne müssen sich die Regierung - und insbesondere die Unionsparteien - die Frage stellen, welchen Beitrag sie dazu leisten, ein Deutschland zu schaffen, das Gleichheit anstrebt oder aber Ungleichheit zementiert und offen diskursiv legitimiert.

Farid Hafez

© Qantara.de 2018

Farid Hafez ist Politikwissenschaftler und Senior Research Scholar bei "The Bridge Initiative" an der Georgetown University.