Die unsichtbaren Bürger Indonesiens
Sofi Semiun wurde vor 30 Jahren geboren, aber bis heute ist sie nirgendwo behördlich registriert. Ihre Familie war zu arm, um eine Geburtsurkunde für sie zu erwerben.
"Ich werde mich erst registrieren lassen, wenn für mich die Zeit zum Heiraten gekommen ist", sagt die ursprünglich aus Flores stammende Semium, die als Hausmädchen in Jakarta arbeitet.
Semium ist eine von vielen Indonesiern, die ungemeldet in ihrer Heimat leben. Dabei ist eine Geburtsurkunde für alle bürokratischen Schritte im Alltag obligatorisch: von der Einschulung bis zur Sozialversicherungsnummer muss diese Urkunde vorliegen.
Mit nur 53 Prozent registrierter Kinder unter fünf Jahren - das sind mehr als 10 Millionen nicht erfasster Menschen - rangiert Indonesien nach einer Erhebung des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) weltweit unter den neunzehn Ländern mit der niedrigsten Geburtenregistrierungsrate.
Teure Geburtsurkunden
Die Gründe für die hohen Lücken in der Geburtenregistrierung sind vor allem die kostspieligen Gebühren, der schwierige Zugang zu den meist entfernt gelegenen Ämtern, die beschwerlichen administrativen Prozeduren und die ungünstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Das Erwerben einer Geburtsurkunde kostet in Indonesien zwischen 5000 und 150 000 Rupien (zwischen 50 Cent und 15 Euro). In vielen Regionen sind die Preise sogar noch höher. Das steht im Widerspruch zum indonesischen Kinderschutzgesetz, das seit 2002 in Kraft ist und eindeutig festlegt: Geburtsurkunden seien kostenlos auszustellen.
Trotzdem sind von den 400 Bezirken lediglich zehn bereit, dem Gesetz zu folgen. Viele lokale Behörden sind der Meinung: Eine Geburtsurkunde zu besitzen, sei ein Privileg, deshalb muss man dafür zahlen.
In Indonesien sind nicht nur Kinder unregistriert, auch viele Erwachsene haben keine offiziellen Papiere. Das liegt vor allem daran, dass gerade in den ländlichen Gebieten Indonesiens eine Geburtsurkunde kaum benötigt wird: "In unserem Dorf ist es nicht wichtig, eine Geburtsurkunde zu bekommen - außer wenn man studieren oder heiraten möchte", sagt Semiun.
Fälschen ist oft billiger
Die etwa 64 Prozent der indonesischen Arbeiter, die aufgrund ihrer Arbeit einen Personalausweis vorlegen müssen, besorgen sich oft ein gefälschtes Dokument. Das ist einfacher und billiger.
UNICEF hat ein Projekt entwickelt, um das Geburtenregistrierungs-System in Indonesien zu reformieren. Die japanische Regierung hat hierfür 800 000 Dollar bereitgestellt.
"Bei der Bekämpfung des Kinderhandels, der kommerziellen sexuellen Ausbeutung, der Billigarbeit und der illegalen Adoption ist eine Geburtsurkunde zum Schutz der Kinder absolut notwendig", sagt Yoshitaka Akimoto, hochrangiger Mitarbeiter in der japanischen Botschaft in Jakarta.
Die Verfolgung von Kinderhändlern sei in solchen Fällen fast unmöglich, weil man weder Alter noch Herkunft der Kinder herausfinden könnte, so Akimoto. Neben Japan ist Deutschland der zweitgrößte Spender für das von UNICEF organisierte Projekt zur Geburtenregistrierung.
Anna Lay
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004