Das Ende der Hardliner
Wer in der Enghelab-Straße am Zaun der Universität Teheran entlanggeht könnte denken, dass die Hauptstadt des Irans nur aus Studenten besteht. Grüppchen junger Leute, die Lehrbücher und Collegehefter unter den Arm geklemmt haben, Professoren mit Aktentaschen und junge Dozenten, in Gespräche verwickelt, rauschen aneinander vorbei. Forschen Schrittes erobern sich die zahllosen Akademiker auf den Straßen Durchgangskorridore in der nicht endenden Blechlawine des Feierabendverkehrs.
Die Enghelab-Straße ist einer der geschäftigsten in Teheran. Nicht nur beheimatet sie die berühmteste Uni des Landes, sondern auch einen riesigen Büchermarkt, in dem alles zu haben ist, was zwischen zwei Buchdeckel passt. Jeder Zentimeter Mauer oder Stromkasten auf der "Enghelab" ist vollgeklebt mit kleinen bunten Zetteln, die sich an die Studenten und Studentinnen richten. Darauf werden unter anderem Schnelltippdienste für die Doktorarbeit, Übersetzungsservice und Examenshilfe feilgeboten.
Vor dem Hauptportal, das aus einer Ansammlung von massiven Betonbögen besteht, hängt ein großes Plakat in grünem Farbton. Darauf wird in geschwungenen kalligraphischen Lettern die Rede eines Hodschatoleslam, eines schiitischen Rechtsgelehrten, angekündigt. Der Blick durch den Zaun, der den Hauptcampus im Herzen Teherans umgibt, fällt auf die nun verwaiste Versammlungshalle. Hier fand bis Ende 2013 das wöchentliche Freitagsgebet statt, bis dieses Ende letzten Jahres in den Osten der Stadt verlegt wurde.
Ein Dekan im Kreuzfeuer der Kritik
Mitte Februar gab es in der Leitung der Universität Teheran einen Personalwechsel, der vielen Studenten und Professoren wie ein vorgezogenes "Noruz"-Geschenk vorkam. Das Wissenschaftsministerium verkündete das Ende der Amtszeit von Farhad Rahbar, der seit Februar 2007 Unipräsident gewesen war. An seiner Stelle trat nun Mohammad Hossein Omid, bisheriger Vizefinanzchef des Wissenschaftsministeriums.
In den sechs Jahren seiner Leitung zogen Rahbars Amtshandlungen so viel Kritik auf sich, das zuletzt sogar der Studentenverbund der regimetreuen Milizionäre, der Basidschis, die an der Uni bevorzugt behandelt werden, gegen ihn protestierte.
Die Vorwürfe sind zahlreich: In Rahbars Amtszeit sollen 3.000 Doktorstipendiaten ohne geeignete Kriterien aufgenommen worden sein. Außerdem schickte Rahbar in den letzten Jahren mehr als 50 Professoren in den Ruhestand – viele der zwangsweisen Versetzungen und Kündigungen gelten als politisch motiviert.
Eine Studentin an der Fakultät für Literaturwissenschaft, die ihren Namen nicht genannt haben will, hat diese Entwicklung selbst beobachtet. Sie sei, so wie viele ihrer Kommilitonen, mit der Wissensvermittlung an der Universität insgesamt unzufrieden. "Viele der Dozenten an unserem Institut wurden in den letzten Jahren nach ihrem jeweiligen Konformitätsgrad eingestellt", sagt sie. Die Lehre sei konservativ, kritische Fragen unerwünscht.
Omid als neuer Hoffnungsträger
Auch die reformorientierte Zeitung "Shargh" bilanzierte in einer ihrer Ausgaben die Amtszeit Rahbars durchaus kritisch. Darin wird in einem Wortspiel die Stoßrichtung des Textes bereits vorweggenommen: "Rahbar ist gegangen, Omid ist gekommen!" Die Pointe liegt darin, dass der Vorname von Rahbars Nachfolger, Omid, auf Persisch "Hoffnung" bedeutet.
Neben Ungereimtheiten bei der Aufnahme von Studenten und der Zwangsentlassung sowie Pensionierung von Professoren geht die Zeitung darauf ein, dass Rahbar im Zuge seines Hardliner-Kurses systematisch kulturelle Programme, wie das universitäre Filmfestival, verbieten ließ.
Die Zeitung spricht außerdem von einer allgemeinen "Abnahme wissenschaftlicher Qualität", die sie an einem stetigen Abfall der Universität in akademischen Rankings während der letzten Jahre festmacht. Sogar Ahmadinedschad, der anfangs als Befürworter von Rahbar galt, hatte im Winter 2012 dessen Absetzung befürwortet. Rohanis Präsidentschaft weckte schließlich bei vielen die Hoffnung auf einen moderateren Kurs an der Uni Teheran; in Omid haben sie nun ihren neuen Hoffnungsträger gefunden.
Seit der Islamischen Revolution von 1979 nehmen Universitäten einen wichtigen politischen Stellenwert ein. 2009 erklärte Revolutionsführer Ali Khamenei in einer Rede, dass es an der Zeit für eine "Islamisierung der akademischen Welt" sei. Fächer wie Soziologie seien westlich beeinflusst und hätten daher im iranisch-islamischen Curriculum keinen Platz.
Das "akademische Flaggschiff" der Islamischen Republik
Die Islamisierung erreichte nach dem Sturz des Schahs zuerst die Universität Teheran, die bis heute das "akademische Flaggschiff" der Islamischen Republik darstellt. Die Hochschule wurde 1934 während der Amtszeit Reza Schahs gegründet und hat heute einen wichtigen Platz im Zeremoniell der Islamischen Republik.
Nach der Revolution von 1979 schlossen die Kleriker die Uni für zwei Jahre, in denen das Land einer kulturellen Revolution unterzogen wurde. An der wichtigsten Uni des Landes wurden auf Anweisung von Khomeini denn auch damals die Strippen für eine gesamtgesellschaftliche Islamisierung des Landes gezogen. Der regierende Klerus verzahnte daraufhin Wissenschaft, Religion und Politik miteinander.
Das wöchentliche Freitagsgebet wirft ein Schlaglicht auf diese Vermischung: Noch bis vor kurzem tönten jeden Freitag zur Mittagszeit aus den Uni-Lautsprechern die religiösen Ansprachen der Kleriker, die das aktuelle politische Geschehen analysierten, sich über die Atomverhandlungen und neusten Strategien des Westens ausließen, trotzig die Stärke Irans heraufbeschworen und dies mit den Grundsätzen des Schiismus untermauerten. Bei diesen Ansprachen sind sowohl die Verantwortlichen der Unileitung, als auch die Vertreter der politischen Führung des Landes.
Auch akademisch betrachtet ist die Uni Teheran ein Aushängeschild der Islamischen Republik. Sie trägt im Iran den Beinamen "Mutteruniversität" und nimmt im landesweiten Ranking eine führende Position ein.
Massoud Schirazi
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de