Die Falle der Subventionen
Mona Mallah betreibt eine kleine Bäckerei in Beirut. Die Geschäfte laufen schlecht, denn der Preis für Mehl ist enorm gestiegen. Grund ist die anhaltende wirtschaftliche und politische Krise im Libanon, dazu kommen die Corona-Pandemie und die Folgen der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut Anfang August.
"Mehl kostet jetzt das Doppelte", sagt Mona Mallah der DW. "Was wir verdienen, deckt kaum noch unsere Kosten. Wenn jetzt die Subventionen für Brot und Benzin wegfallen, werden wir im Dunkeln und ohne fließendes Wasser leben."
Das könnte bald passieren. Die libanesische Zentralbank warnt, dass ihr durch die Finanzkrise des Landes Anfang 2021 das Geld ausgehen wird, um die traditionelle Subvention grundlegender Güter aufrechtzuerhalten. Das wäre ein Desaster, warnen Beobachter wie die UN und libanesische NGOs.
Wenn die Behörden die Zuschüsse für bestimmte Waren streichen - vor allem für Mehl, Treibstoff und Medikamente -, werden die Preise massiv steigen und möglicherweise bis zu drei Viertel der Libanesen in Armut leben.
Bäckerin Mona Mallah ist sich nur zu bewusst, was das für sie bedeutet. Proteste gegen das Herunterfahren der Subventionen hat es bereits gegeben, Demonstranten haben Straßenblockaden errichtet und Reifen verbrannt. Im Dezember hat der libanesische Gewerkschaftsverband einen Generalstreik angedroht für den Fall, dass die Subventionen wegfallen.
"Falls die Subventionen mit einem Schlag abgeschafft werden, könnte das Land im Chaos versinken", sagt Wissam Hmeidani, der für eine Versicherungsgesellschaft in Beirut arbeitet. "Damit können die Menschen nicht umgehen."
Subventionen im Libanon - weder effizient noch gerecht
Obwohl weite Teile der Bevölkerung die Zuschüsse befürworten, werden Stimmen lauter, die fordern, dass das libanesische Subventionssystem auf den Prüfstand gehöre.
Subventionen "sind wohl weder der beste noch der gerechteste Weg, große Summen für die Unterstützung von Haushalten auszugeben", urteilen Yukie Mokuo, UNICEF-Vertreterin im Libanon, und ILO-Regionaldirektorin Ruba Jaradat auf der UNICEF Libanon-Website. "Subventionen sind keine Lösung, um die dauerhafte Ungerechtigkeit im Land anzugehen", stimmt eine Gruppe unabhängiger Sozialforscher in einem Positionspapier zu.
Bis vor kurzem gab die libanesische Regierung im Monat rund 750 Millionen US-Dollar im Monat für Subventionen aus. Im Dezember haben Sparmaßnahmen die Summe auf etwa 450 Millionen US-Dollar gedrückt.
Diese Zuschüsse sind allerdings keine Direktzahlungen. Die Zentralbank Banque du Liban gewährt Importeuren bestimmter Güter einfach einen besseren Wechselkurs für den US-Dollar. Die Subvention besteht aus der Differenz zwischen dem von der Regierung offiziell festgelegten Umtauschkurs und dem Marktkurs, der zur Zeit etwa sechs Mal so hoch ist.
Ein Beispiel: Betreiber von Getreidemühlen bezahlen Weizenimporte in US-Dollar. Aufgrund des günstigen Wechselkurses sind rund 85 Prozent der Kosten bereits gedeckt.
Im November gab Zentralbankpräsident Riad Salameh bekannt, dass die Bank sich die Subventionen nur noch zwei Monate werde leisten können. Das Geld ist ihr noch nicht ausgegangen: Ende August hatte sie mutmaßlich noch einen Devisenbestand von 19,5 Milliarden US-Dollar.
Allerdings besagen ihre eigenen Regeln, dass die Banque du Liban immer eine Reserve von rund 17 Milliarden US-Dollar vorhalten muss. Zwar wird darüber diskutiert, ob diese Regeln geändert werden sollten, um mehr Geld für Subventionen flüssig zu machen. Aber die Devisenreserven sind wichtig, um das Libanesische Pfund stabil zu halten, das im Verlauf des Jahres bereits massiv abgewertet worden ist.
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Und wäre es das überhaupt wert? Nein, sagen Experten. Das ortsansässige Marktforschungsinstitut InfoPro Research berichtet, dass die meisten bezuschussten Waren keineswegs von den ärmsten Libanesen gekauft werden. Subventionierter Weizen wird beispielsweise gebraucht, um Brot zu backen, aber auch für Croissants, Pizza und Kekse - und die sind für arme Familien unerschwinglich. Subventioniertes Benzin tanken ebenfalls alle Libanesen - ob sie arm oder reich sind.
Die Wirtschaftskrise trägt sogar noch zur Ungleichheit bei, wenn Libanesen jetzt preiswerte Waren hamstern, weil sie fürchten, dass die Unterstützung bald ausläuft. Das können sich arme Libanesen gar nicht leisten.
Vermutlich werden die Zuschüsse auch missbraucht. Es ist bekannt, dass einzelne Importeure subventionierte Waren horten und über die Grenze schmuggeln, wo sie größere Profite machen. Für korrupte Händler, sagen Kritiker, steht mit dem Subventionssystem eine Menge Geld auf dem Spiel.
Gilbert Doumit von der Beratungsfirma Beyond Group hat zu diesem Thema sowohl mit der libanesischen Regierung als auch mit UNICEF zusammengearbeitet. Es gibt keine einfachen Antworten, sagt er. "Es geht nicht darum, die Subventionen entweder abzuschaffen oder sie zu erhalten", erklärt er gegenüber der DW. "Wir müssen sicherstellen, dass wir Regierungszuschüsse effizient einsetzen, damit sie bei den Menschen ankommen, die sie am dringendsten brauchen. Alle Sofortmaßnahmen sollten Teil eines umfassenden langfristigen Plans sein, der auf universellen Rechten fußt." Der Libanon, sagt Doumit, brauche ein echtes Modell sozialer Absicherung.
Welche Auswirkungen reduzierte Subventionen auf die Schwächsten im Land hätten, ist das eine Problem. Marie-Noëlle AbiYaghi vom Forschungsinstitut Lebanon Support beunruhigt außerdem die Spaltung der libanesischen Gesellschaft. Der Libanon, hebt der Internationale Währungsfonds hervor, hat durchgehend weniger in soziale Sicherungssysteme investiert als andere Länder in der Region, und Sozialfürsorge hier ist meist informell und basiert auf der Hilfe von Familienangehörigen oder politisch motivierten Wohlfahrtseinrichtungen.
"Wenn die Subventionen plötzlich und ohne soziale Abfederung wegfallen, dann kann das einerseits zu sozialen Spannungen führen", sagt AbiYaghi. "Gleichzeitig könnte das die traditionellen politischen und konfessionellen Wohlfahrtsnetze und damit die zugehörigen Parteien stärken."
Doumit macht folgende Rechnung auf: Nähme man die ursprüngliche monatliche Subventionssumme von 750 Millionen US-Dollar, dann könnte man mit drei Monatsbudgets fast die gesamte medizinische und Bildungsinfrastruktur des Landes wiederaufbauen. "Der Libanon ist ein kleines Land, da wäre das möglich. Aber das Problem ist", so resümiert er, "dass es gar keinen politischen Willen für diese Reformen gibt."
Autorin: Cathrin Schaer
Mitarbeit in Beirut: Bassel Aridi und Razan Salman
Adaption: Beate Hinrichs
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