Nur ein kleiner Schritt vorwärts

Zum ersten Mal in der Geschichte Irans verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Kindern iranischer Mütter und nicht-iranischer Väter die Staatsbürgerschaft "anbietet".

Von Golbarg Bashi

​​In seiner diskriminierenden Regelung von Ehen iranischer Frauen mit Nicht-Iranern war das iranische Staatsbürgerrecht bezüglich Kindern aus diesen Ehen bislang kompromisslos:

Richter waren unter keinen Umständen dazu bevollmächtigt, die Staatsbürgerschaft einer iranischen Mutter an ihre Kinder aus einer Ehe mit einem Nicht-Iraner zu übertragen. Seit Jahren fordern daher Frauen im Iran eine Änderung dieses Gesetzes.

Artikel 976 des iranischen Staatsbürgerrechts regelt die Eheschließung zwischen Iranerinnen und Nicht-Iranern und gestattet es Nicht-Iranern, mit ihren halb-iranischen Kindern den Iran zu verlassen, sogar wenn die iranische Mutter gegen die Ausreise ist.

Diese Rechtslage hatte dazu geführt, dass Eheschließungen zwischen Iranerinnen und Nicht-Iranern zunehmend seltener wurden. Weil die Vorrechte der Männer im Iran gewahrt werden, sind auch ausländische Männer gegenüber den iranischen Staatsbürgerinnen privilegiert.

Lebenslang staatenlos?

1997 erläuterte Mehrangiz Kar in ihrem wegweisenden Buch "Political Rights of Iranian Women" ausführlich, dass die Rechte der iranischen Mutter bezüglich des Schicksals ihrer Kinder missachtet werden. Ist der Vater Ausländer, können Kinder aus einer solchen Ehe weder in Schulen angemeldet werden noch haben sie Anspruch auf Leistungen des staatlichen Bildungs- und Gesundheitssystems.

Hat der Vater seine Kinder nicht bei den Behörden seines Heimatlandes registrieren lassen, gelten sie als staatenlos. Sind sie nicht im Iran geboren oder können sie dies nicht nachweisen, können sie niemals die iranische Staatsbürgerschaft erhalten und sind so ihr Leben lang zur Staatenlosigkeit verdammt. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn Frauen die iranische Nationalität durch eine Heirat mit einem Iraner erhalten.

Indem sich das iranische Staatsbürgerrecht mit den Artikeln 976 und 1060 das Recht vorbehält, Ehen zwischen iranischen Frauen und nicht-iranischen Muslimen zu verweigern, entfernt es sich durchweg von den Regelungen der Scharia und des Korans.

Gegen die Scharia

Die gesetzlichen Regelungen bezüglich der Staatsbürgerschaft sind nicht nur diskriminierend und widersprechen internationalen Standard, sie sind auch unislamisch. "Der Gesetzesgeber versucht, Eheschließungen zwischen Iranerinnen und Ausländern zu verhindern", lautet die Legitimation dazu in den Artikeln 976 und 1060.

Sowohl in diesen Artikeln als auch im gesamten iranischen Rechtssystem zeigt sich ein paternalistischer und gegenüber Menschenrechten von Frauen missachtender Ansatz. Während das iranische Familiengesetz theoretisch im Einklang mit den schiitischen Scharia-Gesetzen steht, traten Artikel 976 und des Staatsbürgerrechts zur Zeit der Pahlewi-Regierung in Kraft.

In den 1960er und -70er Jahren wurden radikale Änderungen am Familienrecht vorgenommen, die Frauen bei Eheschließungen mehr Rechte denn je einräumten. Beide Artikel blieben jedoch mit dem Ziel bestehen, Frauen nicht allzu viele Freiheiten zu gewähren.

Bevormundung durch den Staat

Das Bemerkenswerte an der jüngst und überraschend vorgenommenen Novellierung des Staatsbürgerrechts ist jedoch, dass diese von der Islamischen Republik durchgeführt wurde.

Trotz allem ist diese lang erwartete Gesetzesänderung nur eine kosmetische. Sie bleibt weit davon entfernt, die Staatsangehörigkeit von Kindern gerecht zu regeln. In ihrer derzeitigen Form betrifft sie all jene Iranerinnen, die innerhalb ihrer Religion, sei es Islam, Christen- oder Judentum, einen Nicht-Iraner ehelichen wollen.

Dazu müssen sie immer noch die Erlaubnis vom Staat einholen. Ebenso ist es ihnen nicht erlaubt, außerhalb ihrer Ummah, der religiösen Gemeinschaft, zu heiraten. Männern hingegen ist dies gestattet. Ihre Kinder, auch wenn sie unehelich geboren wurden, erhalten unaufgefordert die iranische Staatsbürgerschaft.

Hinzu kommt, dass für Frauen, die einen Nicht-Iraner heiraten wollen, der Nachweis einer behördlich registrierten Eheschließung der Eltern erforderlich ist. Eine islamische Heirat hingegen kann prinzipiell ohne eine formelle Dokumentation abgeschlossen werden.

Eheschließung nach Scharia illegal

Eine Eheschließung nach der Scharia, mündlich vollzogen und nicht offiziell registriert, bietet Frauen im Iran keinen gesetzlichen Schutz und gilt als illegal. Beide Ehepartner können mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Frauen, die mit afghanischen oder irakischen Staatsangehörigen nach den Regeln der Scharia verheiratet sind, sind zusammen mit ihrem Nachwuchs am stärksten von diesem Gesetz betroffen. Sie haben keinen gesetzlichen Schutz und erfüllen nicht die Voraussetzungen, um staatliche Sicherheitsmaßnahmen und für ihre Kinder Leistungen wie Schulausbildung oder Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen.

Kinder, die die iranische Staatsangehörigkeit beantragen, müssen 18 Jahre im Iran als Staatenlose leben, ohne jedoch Leistungen und Rechtsschutz des Staates beanspruchen zu dürfen. Wie lange der Gerichtsprozess andauern wird, bis die Staatsangehörigkeit gewährt wird, ist zudem nie abzusehen.

Innerhalb dieser 18 Jahre kann der nicht-iranische Vater sein Kind außerhalb des Landes bringen. In einem solchen Fall unternimmt der iranische Staat nichts, um diese Kinder zu ihren Müttern zurückzubringen.

Staatsbürger zweiter Klasse

Mehangiz Kar berichtete Ende der Neunzigerjahre davon, dass eine hohe Anzahl von iranischen Frauen in Afghanistan von ihren Ehemännern festgehalten werden und dabei unter entsetzlichen Umständen leben. Hier unternimmt der iranische Staat nichts, um seine weiblichen Staatsangehörigen entsprechend der im Iran gültigen Rechtslage zu unterstützen.

1998 zeigte sich jedoch an einem konkreten Fall, dass der iranische Staat für einen männlichen Staatsangehörigen, der in Afghanistan gefangen wurde, sogar das Risiko eines Krieges eingehen würde.

Der einzig positive Aspekt an der Novellierung des iranischen Staatsbürgerrechts ist, dass Kinder iranischer Mütter, die die Staatsbürgerschaft beantragen, zumindest vor Gericht angehört werden.

Gleich wie geringfügig diese Entwicklungen auch sein mögen, ohne die unermüdlichen Bemühungen von MenschenrechtsaktivistInnen im Iran wie Mehrangiz Kar und Shirin Ebadi und all jener Mütter, die niemals die Hoffnung für ihre Kinder aufgegeben haben, wären sie undenkbar.

Golbarg Bashi

Aus dem Englischen von Helene Adjouri

© Qantara.de 2006

Golbarg Bashi ist Gastwissenschaftlerin am Institut für Nahöstliche und Asiatische Sprachen und Kulturen der Columbia Universität, New York. Derzeit promoviert sie an der University of Bristol in England zum Thema "Shi'i Responses to the Idea of Universal Human Rights in Iran: A Feminist Critique".

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