Falscher Facebook-Prinz in Haft

Ein weltweit einmaliger Fall: Ein junger Marokkaner hat auf Facebook ein falsches Profil des marokkanischen Prinzen Moulay Rachid angelegt – jetzt sitzt er in Haft. Sein Anwalt erhebt schwere Vorwürfe.

Von Sarah Mersch

Am frühen Morgen des 5. Februar wurde Fouad Mourtada in Casablanca, Marokko festgenommen. Seine Familie erfährt erst am Nachmittag des folgenden Tages, was passiert ist – aus einer Meldung der marokkanischen Presseagentur MAP.

Der 26-Jährige hatte getan, was auch hunderte andere junge Leute täglich machen. Er hatte auf der Internetplattform Facebook ein falsches Profil von einer Berühmtheit angelegt - vom marokkanischen Prinzen Moulay Rachid, dem jüngsten Bruder von König Hussein VI. Wegen Identitätsdiebstahl wurde er jetzt in Casablanca zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 10.000 Dirham (rund 900 Euro) verurteilt.

Weltweit regt sich Protest gegen den Fall – vor allem virtuell. Die Web-Welt reagiert bestürzt. Fouads Familie hat eine Unterstützer-Website aufgebaut, unzählige Blogger berichten von dem Fall und auch auf Facebook selbst sammeln sich diejenigen, die Fouad helfen wollen.

Verfahrensfehler und Folter

Der Fall ist einmalig. "Wir haben einen kanadischen Anwalt gefragt, der auf diesem Gebiet spezialisiert ist. Er hat nach mehreren Tagen Recherche keine vergleichbaren Fälle gefunden, nicht in Kanada, nicht in den USA, auch nicht in Großbritannien oder Australien."

​​Fouad Mourtadas Anwalt Ali Ammar ist empört. Und hat bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Es habe Verfahrensfehler gegeben. Auch von Folter berichtet Ammar. Laut Polizeibericht wurde Mourtada erst am 6. Februar um 19.20 Uhr festgenommen. "Die Entführung, wenn man so sagen will, hat bereits am 5. Februar stattgefunden. Er wurde geschlagen und gefoltert."

Die Polizei habe Mourtada mit verbundenen Augen in zwei Autos so lange durch Casablanca gefahren, bis er Orientierung und Zeitgefühl verloren habe. "Das ist ein Skandal, ein wirklicher Skandal."

"So etwas passiert jeden Tag"

Für den jungen Fouad Mourtada war alles zunächst nicht mehr als ein Spaß. Er machte sich nicht einmal die Mühe, die IP-Adresse seines Computers zu verschlüsseln, über die der Computer nachvollzogen werden kann, von dem aus das Profil angelegt wurde.

Inzwischen hat sich Mourtada entschuldigt und nachgewiesen, dass er das Profil nicht genutzt hat. Mourtadas Tat ist kein Einzelfall. "Wenn Sie auf Facebook gehen und nach George Bush oder einem Prinzen oder so suchen, dann finden Sie zehn oder hunderte falsche Profile von Berühmtheiten. Das ist nicht neu, das passiert jeden Tag", so Sami Ben Gharbia.

Der Tunesier Gharbia arbeitet für "Global Voices Advocacy", ein weltweites Netzwerk von Bloggern und Onlineaktivisten, die sich für Freiheit im Internet, freie Meinungsäußerung und gegen Zensur engagieren. Selbst von Moulay Rachid selbst finden sich auf Facebook noch mehrere Profile. Die wurden allerdings wahrscheinlich im Ausland angelegt.

Die marokkanischen Behörden reagierten hart – obwohl sie offensichtlich wenig Erfahrung mit dem Internet haben, denn Mourtada soll bei einem Verhör zunächst gefragt worden sein, warum er Facebook gegründet habe.

"Möglicherweise wollen sie ein Exempel statuieren und zeigen, was passiert, wenn man die rote Linie überschreitet. Der Mann ist kein Krimineller, er hat es mit guten Intentionen getan", glaubt Ben Gharbia. Der Fall zeige ein kulturelles Problem auf. Die marokkanischen Gesetze würden sich nur sehr langsam den neuen Informationstechnologien anpassen.

"Marokko muss mit diesem Phänomen umgehen, in dem es seine Gesetze anpasst." Internetzensur ist zwar auch dort gang und gäbe. Wie zuletzt in Pakistan wurden auch dort die Online-Videoseite Youtube zeitweise gesperrt, auch die Seite der Billigfluglinie Ryanair war eine Weile nicht zugänglich, und Google Earth ist nach wie vor zensiert.

Tabulose Diskussionen im Internet

Aber im Gegensatz zu den Behörden in China, Iran oder Tunesien ging Marokko bisher kaum gegen Nutzer vor. "Die marokkanische Blogosphere ist wesentlich freier als zum Beispiel in Tunesien oder Algerien. Es finden dort sehr offene Diskussionen statt. Marokkanische Blogger sprechen viele Tabus an", berichtet Sami Ben Gharbia.

Die Behörden würden der Realität einfach hinterher hinken, vermutet auch Mourtadas Anwalt. "Das ist eine Konfrontation zwischen zwei Mentalitäten. Einer, die zur Ära vor der Informationstechnologie und einer, die zur Ära nach der Verbreitung der Informationstechnologie gehört."

Sarah Mersch

© DEUTSCHE WELLE 2008

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