Das Militär übergibt die Macht ... an sich selbst
Wie heißt der nächste ägyptische Präsident? Das ist eigentlich unwichtig. Eine unabhängige ägyptische Tageszeitung bringt den Coup der Armee in einer Titelschlagzeile treffend auf den Punkt: "Das Militär übergibt die Macht …. an das Militär".
Die Wahllokale waren gerade geschlossen und die Auszählung der Stimmen hatte begonnen, da hebelte das Militär den demokratisch gewählten Präsidenten bereits aus. "Übergangsverfassung" nennt sich das Werk, mit dem sich das Militär weitreichende Befugnisse sichert – auf Kosten des Präsidenten, der nominell das höchste Amt im Staat am Nil innehält.
Kaum jemand in Ägypten hatte wirklich geglaubt, dass der Oberste Militärrat tatsächlich wie angekündigt seine Macht nach der Wahl an einen zivilen Präsidenten übergeben würde. Aber das Drehbuch der Militärs übertrifft die schlimmsten Erwartungen.
Letzte Woche hatte sich die Armee das Recht gesichert, Zivilisten zu verhaften. Am Tag darauf wurde vom Verfassungsgericht das Parlament aufgelöst. Damit liegt die gesamte gesetzgebende Macht beim, wir erraten es schon, genau, beim Militär.
Und jetzt mit der Übergangsverfassung haben sich die Generäle endgültig ihre Unantastbarkeit festschreiben lassen, das Recht an der zukünftigen Verfassung mitzuschneidern.
Sakrosanktes Militär
Kurzum: Das Militär ist eine unantastbare intransparente Institution, die niemand zur Rechenschaft ziehen kann, es schreibt die ägyptische Verfassung und kann nun noch eigene Gesetze hinzufügen, die ihm das Recht gibt, jeden zu verhaften, der dagegen aufbegehrt. Die eine demokratische Institution, das Parlament, wurde aufgelöst, die zweite – das Amt des Präsidenten – wurde ausgehöhlt. Übrig bleibt ein oberster Militärrat, der alle Fäden zieht.
Nach dem arabischen Frühling war das türkische Modell in aller Munde. Gemeint waren die Islamisten, die erstmals demokratisch eingebunden werden. Jetzt ist von einem ganz anderem türkischen Vorbild die Rede: von einem Militär, das sich an der Macht festbeißt, um diese Jahrzehnte lang nicht mehr abzugeben.
Karim El-Gawhary
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de