"Berlin braucht dich!"
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland" titelte die Süddeutsche Zeitung kurz vor dem Beginn der diesjährigen Islamkonferenz und zitierte damit CDU-Fraktionsfraktionschef Volker Kauder. Äußerungen wie diese machen deutlich, wie kontrovers der Diskurs über muslimische Integration in diesem Land nach wie vor geführt wird.
Doch solche Meldungen sind glücklicherweise nicht repräsentativ für die Realität der muslimischen Integration in Deutschland. Es gibt viele lokale und regionale Initiativen, die sich erfolgreich mit Integrationsfragen befassen – vor allem wenn es dabei um junge Leute geht.
Eine dieser Initiativen ist "Berlin braucht dich!" – eine Kampagne, die aus der Notwendigkeit geboren wurde, junge Migranten, einschließlich der zweiten und dritten Generation, in Berlin zu unterstützen. Die Mehrzahl der Teilnehmer hat einen muslimischen Hintergrund. Sie werden dabei unterstützt, sich im deutschen Ausbildungssystem zu orientieren und einen Job im öffentlichen Sektor zu finden.
Fehlende Unterstützung für Migrantenkinder
Als das Projekt 2006 begann, hatten lediglich acht Prozent derjenigen, die eine Ausbildung in Staatsbetrieben oder im Öffentlichen Dienst abschlossen, einen Migrationshintergrund. Diese Zahl stieg bis 2010 auf 19 Prozent, zum Ziel gesetzt hat sich die Kampagne 25 Prozent.
Eine Berufsausbildung, die eine dreijährige Lehrzeit in Ausbildungsbetrieb und Berufsschule umfasst, ist in Deutschland obligatorisch für jeden, der als qualifizierter Arbeiter einem Job mit geregeltem Einkommen nachgehen will, ohne dabei auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein.
Studien haben gezeigt, dass Migrantenkinder noch immer häufig Schwierigkeiten haben, diese Hürde zu nehmen. Es fehlt ihnen nicht selten an der Unterstützung ihrer Eltern, von denen viele als ungelernte Arbeitskräfte beschäftigt oder arbeitslos sind, außerdem bieten deutsche Schulen im Unterricht nur unzureichende Informationen über verschiedene Berufsmöglichkeiten an.
"Berlin braucht dich!" startete mit einer Informationskampagne, die an Studenten, Lehrer und Eltern adressiert war, um diese über die Ausbildungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst aufzuklären. Berlins öffentlicher Dienstleistungssektor – einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region – will den Anteil von jungen Leuten mit Migrationshintergrund bei seinen Beschäftigten erhöhen.
2009 begann das Projekt, direkt mit staatlichen Betrieben zu kooperieren und entwickelte einen umfassenden Ansatz, um Schüler der 7. bis 10. Klasse an verschiedene Berufe heranzuführen. 32 Schulen und 46 Firmen haben sich der Initiative angeschlossen und arbeiten regelmäßig mit ihr zusammen.
Die Schüler beginnen mit einer Tagesexkursion in einem Betrieb, um einen ersten Einblick in das Arbeitsleben zu erhalten. Ein Jahr später absolvieren sie dann ein einwöchiges Praktikum in einem industriellen oder technischen Beruf. Das dritte Jahr sieht ein Praktikum über drei Wochen vor, das im Bereich Sicherheit, Gesundheit oder Verwaltung durchgeführt werden kann. Außerdem erhalten die Schüler in ihrem letzten Schuljahr ein Training für das Verfassen von Bewerbungen.
Für einen vielfältigeren öffentlichen Sektor
Das Programm will gewährleisten, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund ein umfassendes Bild von den verschiedenen Möglichkeiten für ihre berufliche Zukunft bekommen. Programmleiter Klaus Kohlmeyer hofft, dass die Schüler danach sagen können: "Das will ich und das will ich definitiv nicht machen."
Meriran, ein Teilnehmer, der eine Ausbildung zum Angestellten in der öffentlichen Verwaltung absolviert, meint: "Im öffentlichen Dienst zu arbeiten, bedeutet, mehr Chancen für die Zukunft zu haben. Und Berlin als multikulturelle Stadt braucht junge Leute aus verschiedenen Kulturen, um seine Vielfältigkeit zu repräsentieren."
Derzeit bietet das Projekt Schülern Einblicke in 100 unterschiedliche Berufe in mehr als 12 Ausbildungsbereichen.
Die Idee von "Berlin braucht dich!" hat sich inzwischen herumgesprochen, eine ähnliche Initiative ist bereits in Stuttgart geplant. Dennoch bleibt auch in Berlin noch jede Menge zu tun. "Die Leute wollen die erfolgreiche Integration, da diese auch die Lebensqualität der Stadt insgesamt verbessert", sagt Kohlmeyer. Die Projektmacher hoffen, durch ihre Arbeit zur Entstehung eines vielfältigeren öffentlichen Sektors beitragen zu können und darüber hinaus auch dabei zu helfen, die Haltung der breiten Bevölkerung zu Integration zu verändern.
"Berlin braucht dich!" leistet einen Beitrag zu einer integrierteren Gesellschaft, indem das Projekt jedem Teilnehmer, unabhängig von dessen Hintergrund, ermöglicht, seine Potenziale zu erkennen und erfolgreich im Berufsleben zu sein. Es trägt zusätzlich auch zum allgemeinen Erfolg der deutschen Wirtschaft bei, die sehr stark auf spezialisierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen ist.
Julia Hoffmann
Übersetzt aus dem Englischen von Annett Hellwig
© Common Ground News Service 2012
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de