Integrationsfernsehen per Satellit

Integration wird in deutschen Medien viel diskutiert. Doch die meisten Deutsch-Türken empfangen türkischsprachige Sender per Satellit. Düzgün TV will das ändern.

Von Petra Tabeling

​​Im vergangenen März erhielt die GmbH Düzgün TV im nordrhein-westfälischen Lünen die Sendelizenz von der Landesmedienanstalt in Düsseldorf. Seither sendet sie über den Satelliten "Türksat", der die meisten türkischsprachigen Kanäle einspeist und in Europa verbreitet.

Damit ist der Fernsehsender einer von vielen, doch trotzdem will sich Düzgün TV von ihnen unterscheiden, denn es geht vor allem um die Integration der türkischen Zuwanderer in Deutschland.

Diskussionsbedarf in Integrationsfragen

"Wir reden hier in Deutschland von einer Parallelgesellschaft, und da gibt es noch viel Diskussionsbedarf", meint etwa der Juniorchef des Unternehmens, Cagdas Düzgün.

"Die meisten Türken, die in Deutschland leben, lesen nicht einmal die Lokalzeitung, sie empfangen die türkischsprachigen Programme aus der Türkei. Dabei geht es doch hier um sie. Und da beginnt für uns die Integration", erklärt der 24jährige, dessen Vater, Hidir Düzgün, der Gründer des Senders ist und Eigentümer der größten Dönerkette in Nordrhein-Westfalen.

So versteht sich der Sender denn auch als "erster Integrationskanal" in Deutschland, der für eine deutsch-türkische Zielgruppe sendet, genau wie der deutsch-türkische Sender Kanal Avrupa – mit einer Mischung aus Informationen und Nachrichten, Sprachprogrammen, Musik und Diskussionen.

In der Sendung "Kulturmix" beispielsweise holen die Reporter von Düzgün TV Umfragen über Zuwanderungspolitik oder umstrittene Fragebögen zur Einwanderung ein, welche anschließend im Studio mit deutschen und türkischen Experten diskutiert werden.

​​Eine andere Sendung stellt deutsch-türkische Verbände oder Organisationen vor, eine weitere richtet sich ausschließlich an Frauen. Ratgebermagazine bieten Informationen zu Versicherungsfragen an oder zum praktischen Umgang mit behördlichen Anträgen, die von vielen wegen der sprachlichen Barrieren oftmals nicht verstanden werden.

"Da gibt es noch soviel Potential, das wir redaktionell bearbeiten wollen. Das, was wir bereits senden, ist immer noch viel zu wenig", räumt Düzgün junior ein.

Demokratisches Sendebewusstsein

Sein Vater, Hidir Düzgün, ist wieder einmal geschäftlich unterwegs, pendelt zwischen Deutschland und der Türkei, um Sponsoren zu finden – in einem Land, das er vor Jahren aus politischen Gründen verließ. In Deutschland fing der ehemalige Lehrer kurdischer Herkunft neu an.

Jetzt kehrt er als "Geschäftsmann mit Sendebewusstsein" zurück, als Betreiber eines TV-Kanals, dessen Inhalte in der Türkei damals noch undenkbar gewesen wären. Und es teilweise heute noch sind, denn Düzgün TV diskutiert nicht nur über Integrationsprobleme in Deutschland, sondern auch über Minderheiten und Menschenrechte, über den Kurdenkonflikt und nicht zuletzt über das Alevitentum.

Die Aleviten zählen in der Türkei zwar zur islamischen Glaubenrichtung, doch verstehen sie sich eher als eine Werte- statt Religionsgemeinschaft. Das Alevitentum gilt als besonders liberal, weltoffen, humanistisch und nicht der wortwörtlichen Koranauslegung verhaftet, weshalb sie in der Vergangenheit vor allem von Seiten der mehrheitlich in der Türkei lebenden Sunniten Anfeindungen ausgesetzt waren.

Eine Million Aleviten leben heute in Deutschland, in der Türkei sind es fast 20 Millionen. Die EU hat die anhaltende Diskriminierung der Aleviten in der Türkei im Rahmen des EU-Beitritts immer wieder angemahnt. Für Düzgün TV, der zugleich auch europaweit für eine alevitische Minderheit sendet, ist das Programm daher auch eine Bewährungsprobe für die Meinungsfreiheit.

Cagdas Düzgün formuliert es diplomatisch: "Wir wollen die Türkei darin unterstützen, ein demokratisches System nach unserem Bewusstsein aufzubauen."

Im Herbst nimmt der TV-Kanal wieder seinen Programmbetrieb auf. In der Redaktion arbeitet jeder auf Hochtouren, neue Formate werden geplant und aufgezeichnet. Und die Redaktion, ein "Multi-Kulti"-Team aus 24 angestellten Kameraleuten, Cuttern, Tontechnikern und Journalisten unterschiedlicher Herkunft, nutzt die Zeit, um sich mit digitalen Schnittprogrammen weiterzubilden.

Obwohl Düzgün TV auch mittlerweile Büros in Ankara und Istanbul hat, finden die meisten Aufzeichnungen nach wie vor in einem Industriegebiet in der Nähe Dortmunds statt – in nur einem großen Studio. Dort stehen in einer Ecke Kameras, in der anderen gegenüber lassen sich die jeweiligen Kulissen für die Musikveranstaltungen hinunterrollen.

Musik hat einen hohen Stellenwert bei Düzgün TV, denn die Kultur der Aleviten wurde durch die offiziellen Verbote in der Türkei durch die traditionelle Musik weiter getragen.

Identitätsfindung und Dialogbereitschaft

Dennoch will Düzgün TV kein ausschließlicher Sender für die alevitische Gemeinde sein. "Wir senden für alle, egal welcher Minderheit oder welcher Religion sie angehören", bekräftigt Meltem Soeylemez, Assistentin der Geschäftsführung und selbst Programmmacherin.

"Unser Ziel ist es, auch den interreligiösen Dialog zu fördern, und das ist nicht nur der Islam, das sind nicht nur Sunniten oder Aleviten, dazu gehören auch Christen oder Buddhisten."

Der Anspruch an das eigene Programm ist hoch. Bisher sendet Düzgün TV sechs Stunden täglich, doch will man es bis zu einem 24-Stunden-Vollprogramm schaffen. Düzgün junior ist optimistisch: "Wir stemmen ein Programm, für das andere Sender das Dreifache an Mitarbeiter zur Verfügung haben und wir schaffen das trotzdem."

Noch gibt es keine statistischen Erhebungen über Zuschauerquoten, dazu ist es noch zu früh. Zahlen, die dann auch potentielle Werbekunden interessieren dürften, die bislang eine wichtige Einnahmequelle für den privaten Sender sind. Doch daran arbeitet schon die Marketing-Abteilung. "Den deutschen Unternehmen ist es bisher noch fremd, Werbung im türkischen Fernsehen zu platzieren", so Düzgün.

Die Ambitionen sind groß bei Düzgün TV und an gesellschaftspolitischen und kulturellen Themen mangelt es derzeit nicht in Deutschland, wie die oft kontroversen Diskussionen bezüglich Einwanderung und Integration sowie Menschenrechte zeigen. Doch es bleibt abzuwarten, ob es Düzgün TV gelingen wird, ihr Publikum sowohl in Europa, als auch in der Türkei dauerhaft zu erreichen.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2006

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