Die positiven Seiten der Globalisierung

Innerhalb des Projekts "Living Globality" trafen sich acht deutsche und arabische Kulturjournalisten zu einem Workshop in Beirut. Diskutiert wurde über das Thema "Kultur und Urbanität".

Von Bernhard Hillenkamp

​​Das Projekt "Living Globality" der Heinrich-Böll-Stiftung und des Goethe-Instituts ging im Herbst in seine zweite Phase. Langfristiges Ziel des Projekts ist eine Vernetzung von Journalisten, Wissenschaftlern und Künstlern rund ums Mittelmeer.

Im Sommer 2005 verbrachten vier arabische Kulturjournalisten aus Marokko, Palästina, Libanon und Ägypten vier Wochen in Deutschland. Im Gegenzug waren nun vier deutsche Journalisten nach Beirut, Kairo, Ramallah und Rabat eingeladen.

Bei einem eintägigen Workshop "Exploring the City – Culture and Urbanity” trafen sich alle acht Teilnehmer dieses Austauschprogramms, um sich über ihre Erfahrungen und weitere Kooperationen auszutauschen.

"Im Gegensatz zu dem negativen Schlagwort Globalisierung versuchen wir mit dem Begriff Globality zu arbeiten", so Thomas Hartmann, der Projektkoordinator von Living Globality. "Die negativen Elemente der Globalisierung werden oft kritisiert. Aber es gibt auch positive Elemente, die wir in diesem Projekt als Globality bezeichnen und nutzen wollen."

Bizarre Perspektive

Die Stadt und das urbane Erleben waren Thema dieses Treffens. Die Präsentationen dreier Kulturjournalisten bildeten den Ausgangpunkt der Diskussion.

So etwa die amüsante Schilderung des palästinensischen Teilnehmers Najwan Darwish über seinen subversiven urbanen Widerstand in den Cafes West-Jerusalems. Er berichtete vom Sterbehospiz Mar Louise, in dem ausländische Freiwillige Juden und Palästinenser betreuen, damit sie "nebeneinander in Frieden sterben können. Eine bizarre Perspektive für mich als Palästinenser an der Seite eines israelischen Soldaten meine letzten Tage zu fristen", so Darwish.

Auch erzählte er von seinen regelmäßigen Besuchen im Café Roma im jüdischen Westteil Jerusalems. Mit der Unterstützung des arabischen Personals ermahnen er und seine palästinensischen Freunde die anderen meist jüdischen Besucher zur Ruhe: Sie wollten ungestört an ihren literarischen Texten arbeiten.

Trotzdem diskutieren sie laut über das Bild der Palästinenser in der Berichterstattung des Senders CNN, der im Fernsehen der Kneipe zu sehen ist. Darwish beschreibt eine vergnügliche und mutige Widerstandtechnik in den Cafés und Kneipen eines urbanen Kontextes.

Wichtige Erfahrungen

Der freie Berliner Journalist Stephan Schalk war in Kairo. Er ist mittlerweile wieder in das nach vier Wochen ägyptischer Hauptstadt wie ein Sanatorium anmutende Berlin zurückgekehrt. Als "Multiplikator ohne weitgehende Erfahrung mit der arabischen Welt" gehört er zur eigentlichen Zielgruppe des Projekts.

Diese Gruppe von Publizisten, so Schalk, "ist nach dem 11. September um so wichtiger, da die Relevanz der arabischen Region zugenommen hat." Mit Befremden schilderte er die Bemühungen lokaler Intellektueller in Kairo, eine Demonstration für mehr Freiheit der Kunst in einem Armenviertel zu organisieren.

"Warum sollen diese Bewohner für mehr Freiheit der Kunst demonstrieren", beschreibt Schalk die Reaktionen. Diesen Missverständnissen lokaler Solidarität für Kunst über die Klassengrenzen hinweg stellt er die Shopping Malls in den Kairener Vorstädten entgegen. Dort flanierten die Konsumenten mit und ohne Schleier, und alle besäßen ein Auto, weil sie sonst die Tempel des globalisierten Konsums nicht erreichen könnten.

"Wir sind nur Journalisten und haben nicht die Möglichkeiten eines Literaten", so Daniel Bax von der "tageszeitung". "Wir können uns nur in den Formaten unserer Zeitungen artikulieren. Während meiner Zeit in Ramallah habe ich unterschiedliche Beiträge aus Palästina zu gängigen Themen gemacht. Ich hoffe einen eher persönlichen Artikel schreiben zu können. Mehr geht wahrscheinlich nicht."

Die Begegnungen der Kulturjournalisten während ihres Austausches und die gelebte Globality finden scheinbar nur schwer oder indirekt ihren Weg in die publizistischen Produkte der insgesamt acht arabischen und deutschen Kulturjournalisten.

Wichtige Erfahrungen mit der Welt des "Anderen" waren es aber ohne Zweifel. Die Optionen einer zukünftigen Kooperation unter den Kulturjournalisten blieben auch in der Diskussion offen. Aber vielleicht war das Austauschprogramm ein erster Schritt zu einer Vernetzung.

Bernhard Hillenkamp

© Qantara.de 2005

Qantara.de

Austausch arabischer und deutscher Kulturjournalisten
Kritisches Feuilleton gleich demokratisches Bewusstsein?
"Living Globality" – dieses Begegnungsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung möchte Kulturjournalisten aus Europa und der arabischen Welt ermöglichen, ihre Meinungen und Erfahrungen auszutauschen. Martina Sabra hat mit Machern und Teilnehmern gesprochen.

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Mehr über das Projekt Living Globality auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung