7 indonesische Autoren, die man kennen sollte
1. Ayu Utami
"Ich lebe anders, als es die Gesellschaft erwartet", sagt Ayu Utami, die Starautorin der indonesischen Literaturszene, über sich selbst. Sie bricht mit Normen und Erwartungen, privat und in ihren Büchern: 1998 erschien ihr erster Roman "Saman" - ein Bestseller. Innerhalb weniger Monate wurden mehr als 100.000 Exemplare verkauft - und das in einem Land, in dem selbst die größten Verlagshäuser selten mehr als 3.000 Exemplare für ihre Erstauflage drucken.
Offen schrieb Utami in "Saman" über Sex, über den Widerstand gegen die herrschende Klasse. Für manche ein Affront, für andere eine literarische Sensation. Drei Jahre später erschien die Fortsetzung, "Larung". Auch dieses Buch ein Erfolg. Seitdem hat sie weitere Romane, Drehbücher und Essays verfasst.
Dabei arbeitete Utami eigentlich - wie viele andere indonesische Autoren - als Journalistin. Während der Diktatur der Suharto-Regierung erhielt sie jedoch ein Berufsverbot. Bis heute setzt sie sich in ihren Büchern intensiv mit der politischen Geschichte Indonesiens auseinander. "In meinem Leben ist alles politisch: mein Schreiben, meine Arbeit im Kulturzentrum Salihara und auch mein Privatleben."
2. Dorothea Rosa Herliany
Was Ayu Utami für die Prosa ist, ist Dorothea Rosa Herliany für die Poesie: Ihre Gedichte behandeln den weiblichen Körper, Sexualität oder Gewalt an Frauen. Der Mann muss sich in den Texten oft dominanten Frauen unterwerfen. "Schenk mir alles, was die Männer nicht besitzen" heißt ihr auf Deutsch erschienene Gedichtsammlung. Eine Feministin will sie trotzdem nicht sein. Ihr gehe es vielmehr darum, denjenigen, die nicht gehört werden, eine Stimme zu verleihen, sagt sie.
Lyrik hat in Indonesien eine lange Tradition und viele bekannte Dichter, darunter auch Agus R. Sarjono etwa hat unter anderem die wichtigsten Gedichte von Bertolt Brecht, Johann Wolfgang von Goethe sowie Rainer Maria Rilke auf Indonesisch nachgedichtet. Wie Herliany befasst sich auch Toeti Heraty mit der Rolle der Frau, scharfsinnig, persönlich. Die 81-Jährige zählt zur ersten Frauenrechtsgeneration Indonesiens.
3. Laksmi Pamuntjak
Als Indonesien über die Todesstrafe für Drogendealer diskutierte, war ihre Stimme laut zu hören: "Wir Indonesier sollten allzu vertraut sein mit dem Tod, um Hinrichtungen zu unterstützen", schrieb die Schriftstellerin und Dichterin Laksmi Pamuntjak im "Guardian". Denn: Nach einem Militärputsch durch General Suharto begann 1965 die Jagd auf (vermeintliche) Kommunisten. Innerhalb weniger Monate starben schätzungsweise eine Million Menschen.
Pamuntjaks Roman "Alle Farben Rot" befasst sich mit dem Erbe dieser Zeit. Beim Schreiben habe sie gemerkt, dass es ihre Pflicht sei, durch ihre Worte das Denken der Menschen über die Massaker zu beeinflussen. "Ich lebe nicht in der Annahme, dass ein Buch die Welt verändern kann. Aber es lassen sich einzelne Menschen erreichen."
4. Leila Chudori
Die Massenmorde an den Kommunisten sind auch eines der Themen, über die Leila Chudori schreibt. Damals, 1965, war Chudori erst drei Jahre alt. Bis heute findet sie als Journalistin und Schriftstellerin kritische Worte für den Umgang mit der Erinnerung: "Die Regierung hat nicht wirklich akzeptiert, was passiert ist", sagt sie. "Sie leugnet oder verschweigt das Geschehene."
Ihr Roman "Pulang" - das indonesische Wort für "Heimkehr" - soll aufrütteln, das Geschehene und seine Folgen bis heute aufzeigen. Außerdem arbeitet Chudori als Journalistin für das Nachrichtenmagazin "Tempo", schreibt Kurzgeschichten sowie Drehbücher für TV und Film.
5. Linda Christanty
Noch eine Frau - und eine mutige dazu: Christanty recherchierte in der indonesischen Scharia-Provinz Aceh, als sich ihre männlichen Kollegen längst nicht mehr dorthin trauten. Sie schrieb über und gegen Islamisten in einem Land, in dem die Islamisierung schleichend, aber beharrlich voranschreitet.
Herausgekommen ist dabei unter anderem der Essay- und Reportagenband "Schreib ja nicht, dass wir Terroristen sind". Für das Buch interviewte Christanty Vertreter unterschiedlicher religiöser, politischer und sozialer Gruppen - und jeder von ihnen legitimiert Unrecht und Willkür auf seine, ihm jeweils passende Art.
6. Dewi ("Dee") Lestari
hr erstes Buch erschien im Selbstverlag - als Geschenk zu ihrem 25. Geburtstag. Anschließend stellte sie es in einer Shopping Mall in Jakarta der Öffentlichkeit vor - und innerhalb von knapp 40 Tagen waren alle 3000 Exemplare verkauft. Heute gehört die Supernova-Serie zu den meistverkauften Büchern Indonesiens. Vor allem bei jüngeren Lesern sind Lestaris Bücher beliebt.
Acht Teile soll die Serie haben, fünf sind bislang erschienen. Neben dem Schreiben mehrerer Romane und Kurzgeschichten hat die 39-Jährige Karriere als Sängerin gemacht, ein Soloalbum veröffentlicht und ihre Bücher verfilmt. Auf der Frankfurter Buchmesse ist sie ein bekanntes Gesicht: 2014 nahm sie hier für Indonesien bereits die sogenannte Gastrolle entgegen.
7. Andrea Hirata
Der erste Mann in der Reihe - und einer der erfolgreichsten. Seine autobiografischen Romane "Die Regenbogentruppe" und "Der Träumer" gelten als internationale Erfolgsbücher. Es sind moderne indonesische Märchen, zumindest von der Geschichte her: Ein Junge aus armen Verhältnissen schafft es durch Fleiß - und auch ein bisschen Glück - bis an die Universität. Manchen Kritikern ist das zu seicht - aber den Lesern gefällt's.
Sechs Frauen und ein Mann. Fast alle auch Journalisten. Das ist typisch für die moderne indonesische Literatenszene - lässt man die Autoren "islamischer" Romane mit religiös-muslimischem Hintergrund außen vor. Kritische Schreiber wie die genannten Autoren gab es aber auch früher schon in Indonesien. Drei von ihnen sind besonders wichtig, alle drei sind schon tot:
8. Pramoedya Ananta Toer (1925-2006)
Hätte es je einen indonesischen Literaturnobelpreisträger gegeben, dann vermutlich ihn: Pramoedya Ananta Toer war mehrfach für die Auszeichnung nominiert, gewonnen hat er sie nie. Seine Werke aber gingen um die Welt, wurden in 37 Sprachen übersetzt.
Doch leicht hatte er es nie, sein Leben ein ständiger Kampf: Von den niederländischen Besatzern wurde Pramoedya wegen "antikolonialen Denkens" eingesperrt, von Sukarno wegen eines Buches verhaftet und von Suharto 1965 wegen seiner Nähe zur kommunistischen Partei ohne Gerichtsverfahren erst eingesperrt und dann ins Exil auf die berüchtigte Gefangeneninsel Buru verbannt.
Hier entstand sein Hauptwerk, die "Buru-Tetralogie": "Garten der Menschheit", "Kind aller Völker", "Spur der Schritte" und "Haus aus Glas". In den vier Büchern geht es im Kern um einen javanischen Adligen und Journalisten, der gegen die holländischen Kolonialherren kämpft. Auch er habe stets gegen die Staatsmacht gekämpft, mit seiner Arbeit, sagte Pramoedya kurz vor seinem Tod: "Ich habe es als eine Art Sport gesehen, sie haben mich nicht untergekriegt."
9. Mochtar Lubis (1922-2004)
Sein Buch "Dämmerung in Jakarta" war 1963 der erste ins Englische übersetzte Roman aus Indonesien. Im Land selbst erschien das Buch allerdings erst später, als es auch in zahlreiche andere Sprachen übertragen worden war. Heute gehört es zu einem der großen Werke indonesischer Literatur. In Lubis Biografie spiegeln sich typische Biografien indonesischer Autoren: Er war Journalist, wurde mehrfach eingesperrt und kämpfte trotzdem weiter für seine Überzeugungen - als Autor.
10. Willibrordus S. Rendra (1935-2009)
WS Rendra war das Multitalent der kreativen Szene: Dichter, Performer, Theaterautor, Schauspieler und Regisseur. Seine Werke gestaltete er gesellschaftskritisch, orientiert an der griechischen Antike, an Shakespeare und am deutschen Autor Berthold Brecht. Häufig wurden sie verboten, zu brisant, zu kritisch. Wurden Rendras Stücke jedoch aufgeführt, kamen Tausende. Er gab dem indonesischen Theater neuen Schwung. Und saß zwischenzeitlich wegen seiner Umtriebigkeit im Gefängnis.
Trotzdem machten ihn seine Inszenierungen und seine Lyrik international berühmt: Wie Pramoedya stand auch Rendra mehrfach auf der Nominiertenliste für den Literaturnobelpreis. Er tourte durch die Welt, traf literarische Größen anderer Länder wie den Deutschen Günter Grass. Sein Zuhause war zuletzt jedoch ganz lokal: auf einer Farm, südlich von Jakarta. Hier schuf er das Theaterkollektiv "Bengkel", das viele andere Schauspieler und Künstler bis heute inspiriert.
Monika Griebeler
© Qantara.de 2015