Ein erster Schritt zur Demokratisierung?

Nach wochenlangen Unruhen haben sich der regierende Militärrat und die Protestbewegung im Sudan auf eine gemeinsame Übergangsregierung geeinigt. Es bleibt jedoch die Skepsis, ob das Militär tatsächlich die Macht abgeben wird. Eine Analyse von Karim El-Gawhary.

Von Karim El-Gawhary

Treten im Sudan die Militärs tatsächlich ihre Macht an Zivilisten ab? Mit einem überraschend geschlossenen Deal in der letzten Woche ist die Opposition des Nillandes diesem Szenario zumindest einen Schritt nähergekommen. Zumindest wenn die Vereinbarung zwischen dem regierenden Militärrat und den zivilen Unterhändlern der sudanesischen Protestbewegung, die unter Vermittlung der Afrikanischen Union zustande gekommen ist, am Ende tatsächlich umgesetzt wird.

"Beide Seiten sind übereingekommen, für drei Jahre, oder ein wenig mehr, einen Übergangsrat zu etablieren, in dem Militärs und Zivilisten rotieren“, verkündete der Vermittler der Afrikanischen Union, Mohamed Hassan Lebatt, am Freitagmorgen bei einer Pressekonferenz in Khartum.

Danach sollen demokratische Wahlen stattfinden. Der Übergangsrat, auf den man sich geeinigt hat, soll aus elf Personen bestehen, fünf Militärs und fünf Zivilisten. Das elfte Mitglied, sozusagen das Zünglein an der Waage, muss im Konsens von beiden Seiten bestimmt werden.

Der Vorsitz dieses Rates soll rotieren. In den ersten 18 Monaten soll ein Militär an der Spitze stehen. Die Einigung sieht vor, dass der derzeitige Vorsitzende des Militärrats, General Abdel Fattah Burhan, diese Rolle übernehmen wird. Danach soll für 18 Monate ein Zivilist dem Rat vorstehen.

Nachdem der Übergangsrat gebildet wurde, hat er die Aufgabe, eine Regierung aus unabhängigen Technokraten zu ernennen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll außerdem ein Parlament gebildet werden. Hierzu sind die Details aber noch unklar.

Verhandlungen zwischen Militär und Demonstranten in Khartum (am 3. Juli): Fahrplan für die politische Zukunft. (Foto: afp/Getty Images)
Fahrplan für die Zukunft des Sudan: „Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben. Dieser Deal zwischen Militärrat und Opposition im Sudan kann jederzeit torpediert werden, vor allem von Seiten des Militärs und der Milizen“, warnt Karim El-Gawhary in seiner Analyse.

Gebrochene Versprechen

Was für die Protestbewegung sehr wichtig ist: Es soll eine unabhängige Untersuchung der gewaltsamen Vorgänge in den letzten Monaten geben. Bei der Auflösung eines Protestlagers der Demonstranten am 3. Juni sind nach Angaben der Opposition über hundert, nach Angaben der Regierung 62 Menschen umgekommen. Allein 40 Leichen wurden damals aus dem Nil gezogen.

Für das brutale Vorgehen gegen die Demonstranten wurden die RSF-Milizen verantwortlich gemacht, eine schnelle Eingreiftruppe unter der Führung von Mohammed Hamdan Daglo, auch bekannt unter dem Namen Hemeti. Die Milizen sollen bereits als Dschandschawid im Darfurkrieg zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Die Protestbewegung feiert den Deal, bleibt aber vorsichtig. "Wir hoffen, dass die Einigung den Anfang einer neuen Ära darstellt", erklärte Omar al-Degair, der Anführer der Forces for Freedom and Change (FFC), einem breiten Bündnis oppositioneller Gruppierungen im Sudan.

Aber es gab schon zuvor Versprechen der Militärs, die gebrochen wurden. Daher besteht bei der sudanesischen Opposition eine gewisse Skepsis, ob das Militär am Ende wie vereinbart tatsächlich seine Macht abgeben wird.

Auf der anderen Seite ist in den Reihen der Opposition auch die Einsicht entstanden, dass es ohne eine Zustimmung des Militärs und vor allem der RSF-Milizen und Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, keine friedliche Lösung geben kann. Die Demonstranten wissen, dass jede Alternative zu diesem Deal mit viel Blut erkämpft werden müsste. Hemeti selbst hat die neue Vereinbarung vage kommentiert, sie sei allumfassend und schließe niemanden aus.

Die Übereinkunft verschafft beiden Seiten nun zunächst eine Verschnaufpause. In den letzten Wochen war im Sudan eine Pattsituation entstanden. Militär und Milizen waren immer wieder gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen, die trotz Repression weiterhin in Massen mutig auf die Straßen strömten. Das letzte Mal hatte die Protestbewegung am Freitag vor einer Woche ihre Muskeln spielen lassen und in fast allen Provinzen des Landes Massenkundgebungen organisiert.

 

Zwang zum Kompromiss

Nun ist wohl die Erkenntnis gereift, dass sich keine der beiden Seiten durchsetzen kann und es einen Kompromiss geben muss. Zwei Dinge haben dieses Szenario erst möglich gemacht: Zum einen ist die Opposition sehr gut organisiert. Zum anderen gibt es innerhalb des Militärs und der Milizen viele Widersprüche. Die Männer mit den Waffen sind sich nicht einig.

Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben. Dieser Deal kann jederzeit torpediert werden, vor allem von Seiten des Militärs und der Milizen.

Denn dass sie tatsächlich freiwillig die Macht abgeben, wäre in dieser Region ein absolutes Novum.

Dazu kommt, dass zahlreiche Akteure von außen im Sudan mitmischen. An vorderster Stelle stehen hier die autokratischen Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie versuchen mit viel Geld, die Situation zu beeinflussen und haben überhaupt kein Interesse daran, dass im Sudan ein ziviles und demokratisches Experiment Erfolg haben könnte.

Ein solches Szenario stellt auch für die Militärmachthaber den Nil stromaufwärts, in Ägypten, eine Bedrohung dar. 

Das letzte Kapitel im Kampf zwischen Militärs und Zivilisten im Sudan ist sicherlich noch nicht geschrieben. Es gibt starke Kräfte, die eine zivile Regierung unter allen Umständen verhindern wollen. Von ihnen werden wir noch hören.

Karim El-Gawhary

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