Verschleierte Frauen in neuem Licht
Spanien, Chile, USA oder Saudi-Arabien: Der Engländer Sebastian Farmborough hat schon in vielen verschiedenen Ländern gelebt. Nach seinem Wirtschaftsstudium hat er für vier Jahre saudi-arabische Führungskräfte eines Ölkonzerns in Englisch unterrichtet. Zu jener Zeit stellte er für sich fest, dass sich die arabische Realität und deren westliche Wahrnehmung stark voneinander unterscheiden.
Heute lebt er in Dubai und hat sich vorgenommen, dem Westen zu zeigen, wie Saudi-Arabien wirklich ist: mit seinem Fotoprojekt "An Emerging Mystery", das er jüngst in Dubai vorgestellt hat. Sobald er die Erlaubnis bekommt, will er die Fotos auch in Saudi-Arabien ausstellen.
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Warum sind Sie damals nach Saudi-Arabien gezogen?
Sebastian Farmborough: Während der Terroranschläge vom 11. September war ich in New York und habe die Medienberichte verfolgt. Damals wurde sehr negativ über die Arabische Welt berichtet. Ich war skeptisch und wollte mir ein eigenes Bild machen.
Warum legen Sie den Schwerpunkt bei Ihrem Projekt auf verschleierte Frauen?
Farmborough: Es geht bei dem Projekt nicht nur um Frauen. Während ich in Saudi-Arabien lebte, habe ich meinen Freunden E-Mails geschrieben, in denen ich von meinen positiven Erfahrungen berichtet habe. Keiner meiner Freunde glaubte mir. Das war sehr frustrierend und hat mich angetrieben, die positiven Aspekte des Lebens hier visuell darzustellen.
Besonders auf Twitter gibt es viele negative Beiträge über Saudi-Arabien. Man hört so viele schreckliche Geschichten und Aussagen über die Menschen und ihr Land. Und ich glaube, dass viele Menschen im Westen glauben, dass das die ganze Geschichte ist. Aber dies ist weit von der Wahrheit entfernt – und das möchte ich vermitteln.
Ich habe angefangen, die Frauen zu fotografieren, um einen meiner ersten Eindrücke von der Arabischen Welt widerzuspiegeln. Ich war gerade aus Barcelona dorthin gezogen und habe eine verschleierte Frau im Meer schwimmen sehen. Das war ein Kulturschock für mich und ich wusste, dass das für Menschen im Westen genauso ist.
Können Sie ein paar Beispiele für die positiven Erfahrungen geben, von denen Sie sprechen?
Farmborough: Ich denke das Problem ist, dass wir uns im Westen an Bilder von verschleierten Frauen gewöhnt haben, die reine Objekte sind und keine eigene Persönlichkeit haben - während die Männer typischerweise bärtig sind und grimmig gucken. Keiner von beiden ist sonderlich nahbar. Und zusammen mit ihrer fremdartigen Kleidung und dem Bild in den Medien kann das sehr einschüchternd wirken.
Wenn man sich aber die Mühe macht, die Menschen kennenzulernen, dann wird man an ihnen einige wunderbare Eigenschaften entdecken: ihre unglaubliche Gastfreundschaft, Großzügigkeit, eine enge Bindung zur Familie und zu Freunden, ihren Respekt Älteren gegenüber und ihren Sinn für Humor.
Meinen Sie, dass Ihre Fotos Einfluss auf die Kopftuch-Debatte in Europa haben könnten?
Farmborough: Ende letzten Jahres wurde eine Frau aus der Oper in Paris geworfen, weil sie komplett verschleiert war. Das ist sehr traurig. Vielleicht wurde diese Frau unterdrückt und ist nach Frankreich gekommen, um vor dieser Unterdrückung zu fliehen. Doch dann wird sie dort weiter angefeindet. Es erscheint mir nicht sehr europäisch, dass niemand aus dem Publikum für sie aufgestanden ist.
Ich möchte Bilder produzieren, die Europäer einordnen können – ich möchte den Frauen eine Persönlichkeit geben, damit sie verstanden und akzeptiert werden können. Sie werden nicht alle dazu gezwungen sich zu verschleiern. Ich weiß, dass manche dazu gezwungen werden, aber die meisten machen es aus freiem Willen und können immer noch ein erfülltes und aktives Leben leben.
Welche Reaktionen gab es in Dubai auf das Charlie-Hebdo-Attentat?
Farmborough: Die meisten meiner Freunde hier sind Muslime. Sie waren alle sehr aufgebracht. Sie verstehen den Wunsch nach freier Meinungsäußerung, aber auf der anderen Seite möchten sie ihre Religion respektiert sehen.
Doch es geht ihnen in diesem Fall nicht nur um die Darstellung ihres Propheten. Sie sind vielmehr enttäuscht über die unverhältnismäßige Aufmerksamkeit des Westens und der Medienberichterstattung über westliche Terroropfer, im Vergleich zu muslimischen.
Interview: Kate Muser
© Deutsche Welle 2015