Wieder spielen ohne Angst

Gelächter und das Geräusch von Händen, die gegen Volleybälle schlagen, schallen durch das Lager Ghusn al-Zaytun in Deir al-Balah, im Zentrum des Gazastreifens. An einem Ort voller tragischer Schicksale scheinen diese Klänge die Realität für einen Moment außer Kraft zu setzen. Eine Gruppe von Frauen in einfacher Kleidung spielt mit einem abgewetzten Volleyball. In der Mitte teilt ein aus Seilen und lose herunterhängenden Schnüren improvisiertes Netz das Spielfeld.
Die Frauen teilen sich in zwei Fünferteams auf, und die Schiedsrichterin pfeift das Spiel an. Die Atmosphäre ist aufgeregt, angeheizt durch die begeisterte Unterstützung der vertriebenen Bewohner:innen des Lagers. Sowohl für die Spielerinnen als auch für die Zuschauer:innen ist das Spiel zu einer Energiequelle geworden, die ihnen für kurze Zeit ein Gefühl von Frieden vermittelt.
„Zum ersten Mal seit Monaten können wir spielen und uns freuen, ohne Angst und ohne die Geräusche von Flugzeugen und Bombardierungen. Solche Momente lassen uns für einen Augenblick die Angst und den Schmerz vergessen, die wir durchlebt haben“, sagt die vierundzwanzigjährige Nagham Saidam, während sie sich bereit macht, den Volleyball in die Richtung ihrer Gegnerinnen zu schmettern.
„Vor dem Krieg war ich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig, aber ich habe meinen Job verloren und damit auch meine Leidenschaft für alles andere“, sagt sie. Saidam und ihre Familie wurden bei Ausbruch des Krieges aus ihrem Haus in Nasr im Norden des Gazastreifens vertrieben und ließen sich schließlich in Ghusn al-Zaytun nieder.

„Wir hatten ein kleines Spielfeld in unserem Garten, auf dem meine Geschwister und ich unserer Leidenschaft für Volleyball nachgingen, aber jetzt liegt alles in Schutt und Asche.“ Die Bilder der Explosionen und die Geräusche der Flugzeuge haben sich in Saidams Gedächtnis eingebrannt, aber für den Moment konzentriert sie sich voll und ganz auf den Anpfiff der Trainerin.
Seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands am 19. Januar sind hunderttausende Palästinenser*innen, die durch israelische Bombardements aus dem nördlichen Gazastreifen vertrieben worden sind, in ihre Häuser zurückgekehrt. Saidam hat sich dennoch entschieden, vorerst im Lager zu bleiben. „Wohin soll ich denn zurückkehren?“, sagt sie. „Mein Zuhause, meine Straße und mein Stadtviertel existieren nicht mehr – sogar mein Arbeitsplatz ist zerstört.“
„Ich lebe immer noch in einem Zelt, obwohl die Kämpfe beendet sind. Alle warten auf die nächsten Schritte und den Wiederaufbauplan. Es steht uns eine schwierige Phase bevor – wir müssen wieder auf die Beine kommen und für eine bessere Zukunft kämpfen.“
Die Zerstörung der Sportinfrastruktur in Gaza
Hala Shabat, 20, ein weiteres Mitglied des Teams, wurde aufgrund des Krieges aus ihrer Heimatstadt Beit Hanoun im nördlichen Gazastreifen nach Deir al-Balah vertrieben – kurz bevor sie sich an der Universität einschreiben wollte. Sie träumt davon, Sport zu studieren und eines Tages Palästina bei internationalen Volleyballturnieren zu vertreten. „Jedes Mal, wenn ich den Ball nach oben schlage, habe ich das Gefühl, dass mein Traum mit ihm aufsteigt“, sagt sie.
Ihr Vater hat ihre Leidenschaft für Sport immer unterstützt und sogar ein kleines Spielfeld neben ihrem Zelt eingerichtet. Sie schloss sich dem Volleyball-Team an, als es im November letzten Jahres gegründet wurde. „Wir haben beschlossen, trotz der Umstände nicht aufzugeben“, sagt sie. „Wir werden stark bleiben, bis die Sportplätze in Gaza wieder aufgebaut sind“.
Das Palästinensische Olympische Komitee hat die Zerstörung von 287 Sporteinrichtungen dokumentiert, darunter der Hauptsitz des Olympischen Komitees und des Palästinensischen Fußballverbands im Gazastreifen sowie Dutzende von Stadien, Hallen und Vereinszentralen. Jetzt, da die Kämpfe eingestellt sind, hofft Shabat, dass der Wiederaufbau der Sporteinrichtungen eine der obersten Prioritäten sein wird.
Angeführt wird das Team von der 36-jährigen Hanan Abu Mailik, Volleyballspielerin und Trainerin im Al-Salam-Sportclub für Menschen mit Behinderungen in Gaza-Stadt. Seit Beginn des Krieges bemüht sie sich, Frauen aus dem Lager für die Mannschaft zu gewinnen. „Ich empfinde ein überwältigendes Glücksgefühl, wenn ich sehe, wie die Frauen fröhlich ihr Hobby ausüben“, sagt sie. „Der Sport hilft ihnen, ihr Leid zu vergessen, und sei es auch nur für ein paar Stunden.“

Sie fährt fort: „Am Anfang wurden wir kritisiert, und die Mädchen waren zögerlich. Aber eine nach der anderen schloss sich an, sie ermutigten sich gegenseitig und überwanden jedes Hindernis, das sich ihnen in den Weg stellte“. Schon vor dem Krieg war es für Frauen in Gaza schwierig, Volleyball zu spielen, da dieser Sport bei vielen als Männersport gilt.
Darüber hinaus schränkte die nach der Machtübernahme durch die Hamas im Jahr 2007 verhängte Blockade des Gazastreifens die außerschulischen sportlichen Aktivitäten stark ein, sodass viele Frauen und Mädchen keinen Zugang hatten. Die Möglichkeiten waren auf einige UNRWA-Schulen und Universitäten im Gazastreifen und auf bestimmte Sportarten wie Karate, Tischtennis, Volleyball und Schwimmen beschränkt.
Sport als Widerstand
Nach der Einschätzung von Fuad Abu Ghlayoun, Präsident der Palästinensischen Fußballverbands für Amputierte – einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich für den Sport in Gaza einsetzt und auch die treibende Kraft hinter dem Amateur-Volleyballteam ist – hat sich der Kampfgeist der Spielerinnen spürbar verbessert. Jede von ihnen lebt mit großen seelischen Belastungen.
Abu Ghlayoun beschreibt die Teilnahme der Frauen am Sport als eine Form des Widerstands, als eine Möglichkeit, die Härten des Krieges zu überwinden. Sie trainieren unbeirrt weiter, obwohl sie auf einem unebenen Platz ohne Belag spielen müssen, was die Verletzungsgefahr erhöht.
Seit dem Waffenstillstand arbeitet Abu Ghlayoun daran, Organisationen im gesamten Gazastreifen bei der Einrichtung von Sportanlagen zu unterstützen, die mit richtigen Volleyball-, Basketball- und Fußballplätzen ausgestattet werden sollen. Diese Camps sollen auch Frauen unterstützen, die während des Krieges Gliedmaßen verloren haben und ihnen eine Möglichkeit geben, ihren Schmerz zu lindern und ein Gefühl der Normalität wiederzuerlangen.
Abu Ghlayoun betont jedoch: „All dies hängt von einem echten Ende des Krieges und dem Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens ab.“
Dieser Artikel ist eine bearbeitete Übersetzung des arabischen Originals. Aus dem Englischen übersetzt von Caroline Härdter.
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