Der Germanist von Kabul

Mit der Verleihung der Goethe-Medaille würdigt das Goethe-Institut Gholam Dastgir Behbud, der sich in Afghanistan für die Germanistik und den Wiederaufbau der Universität einsetzt.

Von Susan Zerwinsky

Wenn sich der 57-jährige Germanist und Übersetzer Gholam Dastgir Behbud unbeobachtet fühlt, faltet er oft bedächtig seine Hände. Es scheint, als würde er in diesen Momenten innerlich Kraft tanken für seine vielfältigen Aufgaben. Für den afghanischen Intellektuellen haben die Tage nicht genügend Stunden, um all das zu erledigen, was ihm zur Berufung geworden ist.

Behbud hat es immer eilig. Von der Deutschabteilung hastet er über das mit Bäumen bestandene Campusgelände zu einer Sitzung im Akademischen Rat der Universitätsleitung, in dem er als Leiter der Deutschabteilung die Interessen "seiner" Deutschen vertritt. Oder er eilt über einen lehmigen Acker zum benachbarten Hochschulministerium, wo er für die Anerkennung ausländischer Studienleistungen verantwortlich zeichnet.

Am späten Nachmittag sieht man ihn dann am Ausgang des Universitätsgeländes den Bus besteigen, der ihn zum innerstädtischen Goethe-Institut bringt, an dem Behbud Deutsch unterrichtet.

Deutsch boomt in Afghanistan

Sollte man den von "seiner Sprache" begeisterten Leiter der Deutschabteilung nicht in Kabul antreffen, so kann man ihn in an der Universität Herat im Westen des Landes vermuten, wo er in Blockseminaren den Aufbau der noch jungen Tochterabteilung unterstützt. Deutsch boomt in Afghanistan.

Der Kooperationspartner des afghanischen Germanisten, Prof. Dr. Rupprecht S. Baur von der Universität Duisburg-Essen, hebt das kulturpolitische Engagement seines Kabuler Partners lobend hervor:

"Wir haben mit Afghanistan einen Glücksfall in Bezug auf Deutsch als Fremdsprache. In diesem Land ist die Bildungs- und Wissenschaftselite traditionell sehr eng und persönlich mit Deutschland verwoben. Herr Behbud weiß um diese Einmaligkeit und ist sehr darum bemüht, dieses über lange Jahre gewachsene Kontaktnetzwerk zu pflegen und die deutsche Sprache über die Grenzen der Hauptstadt hinaus in die ländlichen Regionen Afghanistan zu tragen."

Doch Gholam Dastgir Behbud weiß nicht nur um die Einmaligkeit der traditionell gewachsenen afghanisch-deutschen Freundschaft, vielmehr pflegt er sie intensiv und baut sie weiter aus.

Der "weitsichtige Planer", so Prof. Baur, richtet sein Augenmerk besonders auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dieser erhält heute mit Hilfe von DAAD-Stipendien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung in dem Fach Auslandsgermanistik. Der Traum von einem weiterführenden Studium in Deutschland hat sich für Gholam Dastgir Behbud nicht erfüllt. Zu wechselhaft verlief die Geschichte seines Landes.

Der Gesichtsausdruck wird ernst, wenn Gholam Dastgir Behbud in die Vergangenheit blickt. Der 1951 geborene älteste Sohn eines Kabuler Händlers wird schon früh von der Begeisterung des Vaters für die gute Qualität deutscher Produkte angesteckt und absolviert die von Deutschland geförderte Amani-Oberrealschule. Hier erwirbt der junge Behbud umfassende Deutschkenntnisse und ist begeistert von der deutschen Lehr- und Lerntradition.

Wechselhafter Lebenslauf

Die Schuljahre prägen den jungen Afghanen und seinen Berufswunsch, Germanist zu werden. Doch seine weiteren Studien- und Berufsjahre verlaufen alles andere als ruhig.

Behud wird Zeitzeuge des Sturzes der afghanischen Monarchie, beobachtet den Einmarsch der Sowjettruppen und überlebt das Talibanregime. Obwohl er zuerst erbittert dagegen ankämpft, muss er im Jahr 2000 letztlich kapitulieren und flüchtet ins dänische Exil.

Doch Gholam Dastgir Behbud hat nie die Hoffnung aufgegeben. Seit seiner Rückkehr im Jahre 2002 arbeitet der rührige Germanist erneut und mit intensiver Hilfe Deutschlands in Kabul mit viel Elan an seinem Lebenswerk.

Besondere Verdienste

Behbud schuf die Basis für die Ausbildung qualifizierter Deutschlehrerinnen und -lehrer, Übersetzer und Dolmetscher, etwa indem er die Germanistik der Universität Kabul mit den afghanischen Provinzen und lokalen Schulen mit Deutschunterricht vernetzte.

Am 26. März 2008 ehrt Behbud nun die Bundesrepublik Deutschland dafür. Im Weimarer Residenzschloss erhält er die Goethe-Medaille für seine besonderen Verdienste um die Pflege und den Erhalt der deutschen Sprache und Germanistik in Afghanistan.

"Seiner Leitung und seinem persönlichen Engagement ist es zu verdanken, dass die Universität Kabul im Bereich der Germanistik heute eine qualitativ hochwertige Lehre anbietet und akademische Nachwuchskräfte gezielt fördert", heißt es in der Begründung des Goethe Instituts.

Susan Zerwinsky

© Qantara.de 2008

Die Germanistin Susan Zerwinsky arbeitete von November 2002 bis März 2007 als DAAD-Lektorin zusammen mit dem Preisträger in der Deutschabteilung der Universität Kabul. In Kürze erscheint der von ihr herausgegebene Sammelband: "Lessing in Kabul. Deutsche Sprache, Literatur und Germanistik in Afghanistan". München: Iudicium, 2008.

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