"Bei uns steigen Preise und Temperaturen“
Die 20 Millionen-Stadt Kairo erlebt dieser Tage ähnlich wie viele europäische Städte eine extreme Hitzewelle. Für die nächsten Tage sind Temperaturen von bis zu 42 Grad vorhergesagt. Es ist nicht die erste extreme Hitzeperiode in Ägypten, einem Land, dessen Bewohner eigentlich hohe Temperaturen im Sommer gewohnt sind. Nur dass diese immer weiter ansteigen.
Inzwischen sind die immer wiederkehrenden ärztlichen Warnungen im Fernsehen sommerlicher Alltag. "Alle mit Herzproblemen, Kinder und ältere Menschen sollten vorsichtig sein, genauso wie alle, die draußen körperlich arbeiten“, lautete etwa eine Warnung der ägyptischen Fernsehstation DMC während der letzten Hitzewelle vor drei Wochen. Es folgte der Hinweis, entweder zu Hause oder im Schatten zu bleiben und einem alten ägyptischen Sprichwort zu folgen: "Nur Europäer und Hunde liegen in der Sonne“.
Auch im Land am Nil schlägt der Klimawandel längst zu. "Die Sommer in Ägypten werden heißer und die Winter wärmer“, fasst Ahmad Droubi, einstiger ägyptischer Greenpeace-Mitarbeiter zusammen. Heute arbeitet er für die Organisation Climate Action Network. Das Problem sei nicht, dass es durchgehend im Sommer heißer wird. Sorge bereiten dem Aktivisten vor allem die in immer schnellerem Takt wiederkehrenden Hitzewellen, die stets neue Rekorde brechen.
Warum wird eigentlich in #Kairo der Höchststand der Temperaturen zwischen 16-18 Uhr erreicht. Liegt das daran, dass sich zuvor all der Beton und Asphalt aufgeheizt hat und dann die Hitze abstrahlt? @MarcusWadsak pic.twitter.com/s09jba1x6U
— Karim El-Gawhary (@Gawhary) July 16, 2023
Beunruhigender Temperaturanstieg
Über die Jahre gerechnet ist ein eindeutiger Anstieg der Temperaturen zu verzeichnen. "In den letzten drei Jahrzehnten ist die Temperatur in Ägypten um 1,25 Grad angestiegen und allein in den letzten zehn Jahren wurde es um etwas mehr als 0,5 Grad wärmer“, erklärt Droubi. "Das Beunruhigende ist die Höhe dieses Temperaturanstiegs“, fasst er zusammen. Er liegt über dem globalen Durchschnitt.
In einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde Anfang letzten Jahres vorausgesagt, dass die Temperaturen in der Mittelmeerregion und vor allem in Nordafrika um 20 Prozent schneller steigen werden als im Weltdurchschnitt.
Die Hitzewellen im Sommer und die milderen Winter haben vor allem Auswirkungen auf die ägyptische Landwirtschaft. Mehr Hitze bedeutet mehr Verdunstung und dadurch steigt der Bedarf an Wasser in der Landwirtschaft.
"Mit dem zu erwartenden Anstieg der Temperaturen in den nächsten 15 Jahren braucht der landwirtschaftliche Sektor in Ägypten zusätzlich fünf bis acht Prozent mehr Wasser, um die gleichen Ernten wie heute zu erzielen“, sagt Ayman Awad gegenüber Qantara.de. Er recherchiert für die EU-Vertretung in Kairo über Wasserfragen in Ägypten.
Schon heute gilt Ägypten, Pro-Kopf gerechnet, als ein wasserarmes Land. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft seien schon jetzt spürbar, sagt Droubi. "In den letzten zehn Jahren gab es sechsmal eine schlechte Olivenernte. Vor zwei Jahre war die Mango-Ernte miserabel“, blickt er zurück. Die Pflanzen brauchen eine bestimmte Periode mit kühleren Temperaturen, um ihre Samen zu bilden und diese sei oft nicht mehr gegeben.
Noch dramatischer: Auch die lokale Weizenproduktion ist betroffen, und das in einer Zeit, in der ein großer Teil der Importe aus der Ukraine wegen des dortigen Krieges ausfällt. Für die über 100 Millionen Einwohner des Landes sind Weizen und Brot das Lebenselixier.
In der Hitze sinkt die Produktivität
Bei den Menschen trifft die Hitze vor allem jene Zweidrittel der Bevölkerung die, laut Weltbank, unter der Armutsgrenze leben oder kurz davorstehen, unter diese zu rutschen. In Kairo geht es dabei vor allem um die Armenviertel, die sogenannten Aschwaiyat, die weit über die Hälfte der Stadtfläche ausmachen. "Die meisten Häuser dort haben keinerlei Isolierung, keine Kühlsysteme und sie sind extrem schlecht belüftet“, schildert Droubi.
Ganz besonders schwer betroffen seien Menschen, die draußen im Sommer schweren körperlichen Arbeiten nachgehen müssen. Für sie ist jede Hitzewelle eine Tortur. "Wir wissen, dass die Zahl der Hitzetoten steigt, genaue Zahlen dazu gibt es aber nicht“, erklärt er. Die Hitze belastet Herz und Kreislauf. Viele fühlen sich schlapp und müde.
Wie sehr sich das auch auf die Produktivität des Landes auswirkt und damit auch die Wirtschaft beeinflusst, dazu gibt es ebenfalls keinerlei Zahlen. In den meisten Fällen seien solche Zahlen nicht zentral erfasst oder würden gar nicht gesammelt, sagt Droubi.
Übrigens ein Problem auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, wenn es darum geht, die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen. "Über 90 Prozent aller Studien zum Klimawandel“, sagt Droubi, "stammen von Universitäten und Institutionen außerhalb Afrikas“.
Für die meisten Menschen in Kairo bleibt das alles sehr abstrakt, auch wenn die Hitzewellen ein ständig wiederkehrendes Thema sind. Sie gehören inzwischen auf die Liste all jener Dinge, die ihnen das Leben schwer machen. In den sozialen Medien machte kürzlich ein Witz die Runde. "Wir lassen in Ägypten keinen Anstieg aus: Bei uns steigen nicht nur die Preise, sondern auch die Temperaturen“.
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