Europäische Union gibt eingefrorene Gelder frei
Einen Monat lange hatte die EU-Kommission ihre Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) ausgesetzt, weil die israelische Regierung zwölf UNRWA-Mitarbeitern eine Zusammenarbeit mit der islamistischen Hamas vorgeworfen hatte.
Die Hamas, die auch von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft wird, hatte am 7. Oktober Israel überfallen und rund 1200 Menschen getötet sowie etwa 250 als Geiseln verschleppt. Der Terrorangriff hat eine breit angelegte Militäraktion Israels im Gazastreifen ausgelöst, bei der mittlerweile mehr als 30.000 Zivilisten umgekommen sein sollen.
Die Hamas weigert sich, ihren bewaffneten Kampf gegen die israelischen Truppen aufzugeben und die nach Gaza verschleppten Geiseln freizulassen.
50 Millionen Euro werden ausgezahlt
Von kommender Woche an sollen die Zahlungen der Europäischen Union an das Palästinenserhilfswerk UNRWA wieder aufgenommen werden. Dann werden 50 Millionen Euro überwiesen, weitere 32 Millionen Euro sollen später im Jahr in zwei Tranchen folgen.
UNRWA hatte nach langen Verhandlungen zuvor den Bedingungen der EU für die Auszahlung von Mitteln zugestimmt. Es wird eine Untersuchung der Vorwürfe durch die interne Revision der Vereinten Nationen geben. Die EU wird mit eigenen Experten ebenfalls eine Prüfung vornehmen.
UNRWA-Chef Philippe Lazzarini sagte in einem Briefwechsel mit der EU-Kommission zu, dass seine UN-Organisation nicht an den Terrorverbrechen der Hamas beteiligt war und alle 13.000 Mitarbeiter, die bislang im Gazastreifen tätig waren, noch einmal überprüft werden. Ein internationales Expertenteam arbeitet Empfehlungen für UNRWA aus, um mögliche Kollaboration mit der Hamas zu unterbinden.
Lazzarini hatte bei einer Sitzung mit den EU-Außenministern am 12. Februar moniert, dass Israel keine Beweise für die Verwicklung seiner Mitarbeiter in Terrorakte vorgelegt habe.
Die Außenminister gestanden damals zu, dass die UNRWA für eine zumindest notdürftige Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen in der derzeitigen Kriegslage unverzichtbar sei. Nach Angaben eines UN-Sprechers warten auch die Vereinten Nationen noch auf Unterlagen und Geheimdienstdokumente aus Israel.
EU stockt humanitäre Hilfe auf
Die EU-Kommission gab außerdem bekannt, dass sie ihre humanitäre Hilfe für den Gazastreifen um 68 Millionen Euro aufstocken wird. Diese neuen Gelder sollen vorzugsweise durch internationale Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder den Roten Halbmond verwendet werden.
Die Mittel werden zusätzlich zu den ohnehin geplanten 82 Millionen Euro für die UNRWA in diesem Jahr zur Verfügung gestellt. Die Gesamtsumme der humanitären Hilfe für die Palästinenser, die durch UNRWA oder internationale Organisationen verwendet werden kann, wird zudem ergänzt und umfasst somit bis zu 275 Millionen Euro.
Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, begründete die Aufstockung der Hilfen: "Wir stehen zum palästinensischen Volk im Gazastreifen und anderswo in der Region. Unschuldige Palästinenser sollten nicht den Preis für die Verbrechen der Terrorgruppe Hamas zahlen müssen. Sie sind furchtbaren Bedingungen ausgesetzt, die lebensbedrohlich sind, weil es keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung und grundlegender Versorgung gibt."
Die EU-Kommission ist der drittgrößte Mittelgeber des Palästinenserhilfswerkes der Vereinten Nationen. Die entscheidende Frage für UNRWA ist nun, wie sich der größte und der zweitgrößte Geber positionieren. Die USA und Deutschland hatten ihre Zahlungen im Januar ebenfalls ausgesetzt. Zahlen die USA und Deutschland nicht wie geplant, bekäme UNRWA Ende März ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten.
Keine einheitliche Haltung zum Konflikt
Die Beurteilung der Lage im Gazastreifen durch die 27 EU-Mitgliedsstaaten ist nicht einheitlich. Deutschland will die humanitäre Versorgung der Menschen in Gaza gewährleistet wissen, hält sich mit Kritik an Israel aber zurück.
Die Militäroperation gegen die Terrororganisation Hamas sei berechtigt und notwendig, heißt es aus Berlin. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte eine weitere Aufstockung humanitärer Hilfe am Donnerstag angekündigt.
Sie fordert, wie die Vereinten Nationen auch, eine "humanitäre Feuerpause", um die Versorgungslage zu verbessern. Dann könnten Geiseln entlassen und weitere Tote unter der Zivilbevölkerung vermieden werden, schrieb Baerbock auf X.
Andere EU-Mitglieder, wie Spanien und Irland, kritisieren das israelische Vorgehen und haben die EU-Kommission schriftlich aufgefordert, das Partnerschaftsabkommen der Europäischen Union mit Israel vorübergehend auszusetzen. Dieses Ansinnen werde derzeit von der Kommission geprüft, sagte der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, in Brüssel.
Zu den zahlreichen Opfern, die am Donnerstag bei der Ankunft eines Hilfskonvois im Gazastreifen ums Leben kamen, wollte die EU-Kommission keine eindeutige Stellung beziehen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen forderte eine internationale unabhängige Untersuchung des Vorfalls.
"Wir können nicht einschätzen, was passiert ist. Wir weisen keine Schuld zu. Erst müssen wir herausfinden, was vorgefallen ist", sagte ihr Sprecher. Die Hamas beschuldigt israelische Truppen, in die Menge geschossen zu haben. Israel führt die Todesfälle auf eine Massenpanik beim Entladen oder möglichem Plündern von Lkw mit Hilfsgütern zurück.
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