Dialog in der Kunst
Taha Hussein gehört zu den Künstlern, die schon früh einen Dialog mit den Kulturen suchten. Dieser Dialog beruht – im Gegensatz zum allgemeinen Trend der zeitgenössischen Weltkunst – nicht auf kultureller Abgrenzung und künstlerischer Politisierung, sondern auf Integration.
Aus der Konfrontation mit dem Fremden, dem er zwischen 1959 und 1963 während seines Studiums in Deutschland erstmals bewusst begegnete, entwickelte er eine für sein gesamtes Schaffen typisch werdende künstlerische Methode. Diese beruht auf einer Dialektik, in der sich orientalische und okzidentale Gestaltungselemente und Techniken gegenseitig durchdringen.
Rückbesinnung auf das Erbe
1929 in Kairo geboren, lebte Taha Hussein in der dortigen Altstadt, deren Baudenkmäler arabisch-islamischer Kultur er – nach seinen eigenen Worten – gleichsam mit allen Sinnen absorbierte. Doch erst in der Begegnung mit Europa kommt es zur Rückbesinnung auf das eigene kulturelle Erbe und zur Entwicklung der für seine Kunst spezifischen dialektischen Verbindung orientalischer und okzidentaler Kunst.
So führt Taha Hussein in seiner Kunst den Dialog der Kulturen, die sich in seinen Werken in virtuellen Orten der Begegnung miteinander verbinden und gegenseitig bereichern.
Während seiner langjährigen Tätigkeit zeigen sich die wichtigsten Kriterien dieses Dialogs dabei in unterschiedlicher Form. Zu diesen gehören das geometrische Formenmuster, das aus Variationen und Verformungen geometrischer Grundelemente im Hell-Dunkel-Kontrast besteht und zum Teil auch oszillierende Effekte enthält.
In der Elementordnung dieses Musters verbinden sich Grundlagen islamischer Ornamentik - Reihung, Wiederholung, Figur-Grund-Verhältnis - mit Flächenstrukturierungen des Kubismus und der Kunst Paul Klees.
Hinzu kommen im Muster immanent auftretende optische Täuschungen, die sowohl in der islamischen Kunst als auch in der Op Art zu finden sind.
Licht in der Ziffer
Ebenso von Bedeutung für die Kunst Taha Husseins ist die Thematisierung des Positiv-Negativ-Verhältnisses. Besonders deutlich wird dies in den monochromen Relieftafeln zur arabischen Ziffer, in der die komplementäre Beziehung zwischen Figur und Grund, ihre gegenseitige existenzielle Abhängigkeit, durch die Lichteinwirkungen erweitert wird.
Je nach Lichteinfallswinkel wird die Abgrenzung zwischen Figur und Grund geklärt oder ver-un-klärt. Die dingliche Form der arabischen Zahl, die in ihrer realen Dreidimensionalität tatsächlich greifbar ist, erfährt so, je nach Lichteinfall, unterschiedliche Entitäten.
Kleinteiliges Muster
Seit den achtziger Jahren charakterisiert ein kleinteiliges Strukturmuster die Werke Taha Husseins, das sich aus Punkt- und Dreiecksreihen zusammensetzt und wie eine zweite Schicht über den farbig gestalteten Bildgrund gelegt ist.
Dieses Muster, das eine gliedernde und rhythmisierende Funktion hat, stellt eine Synthese aus einfachen Musterungen altägyptischer und islamischer Werke mit dreidimensionalen und farbigen Strukturexperimenten zeitgenössischer Kunst dar.
Gegenständliches und Abstraktes
Weiteres Merkmal des kulturellen Dialogs ist die arabeske Bildstruktur, die sich in einer Verbindung von gegenständlichen Elementen mit abstrakten Musterungen zeigt.
Mit dem a-mimetischen Bildaufbau der arabesken Strukturen löst Taha Hussein die eingefügte Gegenständlichkeit von der empirischen Wahrnehmungswelt und überführt sie in eine komplexe symbolistische Bildwirklichkeit. Der kulturelle Dialog zeigt sich hier in der Vereinigung orientalischer Bildlosigkeit mit europäischer Bildhaftigkeit.
Letztere dokumentiert sich in der Vergegenständlichung der Bildstrukturen, durch die figurative Assoziationen ausgelöst werden.
Verbindung von islamischer und westlicher Kunst
Taha Husseins Ausgangspunkt des künstlerischen Dialogs liegt in der arabisch-islamischen Kunst. Aus ihren strukturalen Grundbedingungen (Wiederholung, Reihung, Positiv-Negativ-Verhältnis) entwickelt er in Verbindung mit Konzepten und Bildtechniken der westlichen Moderne seine spezifischen Gestaltungskriterien. So bricht er die festgelegten Strukturprinzipien islamischer Kunst auf und dringt in neue Bildbereiche vor.
Die Moderne bietet ihm dabei die Möglichkeit, die traditionellen islamischen Gestaltungsformen durch eine spontane und impulsive Bildsprache, und durch die Visualisierung subjektiver Erfahrungen und Empfindungen zu erweitern. Aus der Moderne bezieht er wesentliche Impulse für eine Neubetrachtung der Themen traditioneller arabisch-islamischer Kunst.
Das Streben nach Integration
Damit nimmt Taha Hussein innerhalb der Weltkunst eine Position ein, die im Gegensatz zum momentanen öffentlichen Interesse nicht auf kulturelle Differenz und auf kritische Hinterfragung des Westens beruht, sondern nach Integration strebt. Hier stellt sich die Frage, wo sich eine überregionale Kunst oder Bildlichkeit finden lässt, die dem Menschen einen Identifikationsraum im gegenwärtigen Globalisierungsprozess belässt.
In der Kunst Taha Husseins ist es das Interesse an den grundsätzlichen Existenz- und Identitätsfragen des Menschen, den er in seiner Umwelt und seiner Geschichte begreift. Mit dieser Fokussierung auf den Menschen betont er das Gemeinsame bzw. das Völkerverbindende.
Versöhnung zwischen Ost und West
Damit schlägt er mit seiner Kunst eine Brücke zwischen den Kulturen und schafft neue Identifikationsräume. So bietet die Kunst Taha Husseins, ihre Synthese aus orientalischen und okzidentalen Konzepten, eine kulturuniversale, überregionale Lösung. Sie liegt zum einen in der Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und Zivilisation, zum anderen in der wohlüberlegten Öffnung gegenüber anderen Kulturen.
Damit schafft er mit seiner Kunst eine Zukunftsperspektive, die im Rahmen der Globalisierung den Weg zu einer kulturellen Gleichberechtigung und gegenseitigen Akzeptanz aufzeigt. Seine Kunst versöhnt das so konfliktbeladene Verhältnis zwischen der orientalischen und okzidentalen Gesellschaft, das seit dem 11. September 2001 erneut in den Brennpunkt der Öffentlichkeit getreten ist.
Dagmar Thesing
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