Sich spielend verstehen
Denkt man an Filme aus der arabischen Welt, kommt einem zunächst Ägypten in den Sinn. Aber der Marktführer der Branche steht nicht mehr allein da: "Syrien hat sich mit dem Boom der Satelliten-Stationen in den letzten zehn Jahren auf Platz 2 vorgearbeitet", meint Firas Dehni, Regisseur und Jurymitglied des in Bayern ausgelobten Jugendfilmpreises "Prix Jeunesse", der internationale Filme auszeichnet.
Der Damaszener Regisseur hat mit der Serie "Hakaya wa Khafaya" eine der drei wichtigsten syrischen Produktionen in diesem Jahr gedreht, sagt er über sich selbst. In einer Folge dieser Krankenhausserie spielt die deutsche Film- und Theaterschauspielerin Meike Schlüter, insbesondere bekannt durch die RTL-Serie "Hinter Gittern", eine deutsche Casterin auf der Suche nach einem verletzten Schauspieler.
Die Verständigung zwischen ihr und dem Regisseur war kein Problem, denn Dehni hat während des Studiums an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf vier Jahre in Potsdam verbracht und spricht perfekt Deutsch. "Wegen der Sprachbarriere wird insgesamt leider sehr wenig mit ausländischen Schauspielern gearbeitet – da habe ich einen Vorteil."
Kein Unterschied zu syrischen Schauspielern
In der Serie wurden einige Telefonszenen mit Meike Schlüter sogar auf Deutsch produziert und sollen auch so gesendet werden. Die Dialoge, die sie in Englisch spricht, werden dagegen untertitelt.
Mit den Kollegen half oft Englisch oder Französisch weiter. "Aber es gab auch einen Kollegen, der überhaupt kein Englisch sprach, mit dem ich allerdings unentwegt lachen musste", sagt Meike Schlüter über Andrej Skaf, einen der bekanntesten und beliebtesten TV-Stars in Syrien.
Für Skaf war es das erste Mal, dass er mit einer Ausländerin aus dem Westen zusammenarbeitete. Ihm habe es Spaß gemacht mit der Deutschen. "Ich habe keinen Unterschied zu irgendeinem syrischen Schauspieler gespürt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie fremd ist, sondern dass sie eine von uns ist. Das war eine schöne Sache."
Was die inhaltliche Arbeit betrifft, sehen Firas Dehni und Meike Schlüter keine Unterschiede zwischen Syrien und Deutschland. Anders sei es bei den Produktionsbedingungen. So konnte Dehni zum Beispiel kein ganzes Hotel mieten, um eine Szene im Foyer zu drehen, wie es in Deutschland üblich wäre.
"Deshalb mussten die Dreharbeiten immer und immer wieder unterbrochen werden. Das zehrte an der Konzentration, und ich habe alle Achtung vor dem Durchhaltevermögen und Improvisationstalent des Teams“, erinnert sich Schlüter an das Set.
Da es wenige Studios gibt, werden fast immer Orginalschauplätze gewählt. Wegen des Lärms und der unerwünschten Hintergrundgeräusche müssen oft Pausen eingelegt werden. Der Vorteil ist, dass die Szenen auf dem Bildschirm sehr authentisch wirken.
Sensible Themen
Bevor die 26 Folgen von "Hakaya wa Khafaya" Mitte Oktober gesendet werden, gibt es von offizieller Seite eine Endabnahme. Dabei wird auf sensible Themen wie Religion, Politik und Sexualität geachtet. Einen Hauch davon hat Meike Schlüter beim Dreh erlebt. "Da gab es die für mich bizarr erscheinende Ansage des Regisseurs, ich solle mein Kleid über die Knie ziehen, da die Szene sonst nicht verwendet werden könne."
Insgesamt ist die deutsch-syrische Begegnung eine große Bereicherung gewesen, sind sich Dehni, Skaf und Schlüter einig. "Meike wird von Syrien erzählen, und die syrischen Schauspieler haben etwas von ihr mitbekommen. Durch so eine Begegnung kann man sich näher kommen", bringt es Firas Dehni auf den Punkt. Und wenn da nicht das Sprachproblem wäre, würde Andrej Skaf ja auch gerne einmal in einer deutschen Serie mitspielen.
Manuela Römer
© Qantara.de 2004