Zwei-Staaten-Lösung als leere Phrase
Die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrats 2334 hat für viel Wirbel gesorgt. Weil darin Israels seit Jahrzehnten betriebene Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten als ernsthafte Bedrohung für die Zwei-Staaten-Lösung verurteilt wird, sieht sich die israelische Regierung ungerecht behandelt. Dabei ist weder an dieser Resolution, die im Wesentlichen die schon früher mehrfach geäußerte Kritik der Staatengemeinschaft wiederholt, noch am aggressiven israelischen Reaktionsmodus wirklich etwas neu.
Der UN-Sicherheitsrat hat seit 1948 mehr als 200 israelkritische Resolutionen verabschiedet, darunter viele, die Israels völkerrechtswidrigen Umgang mit den Palästinensern verurteilen - sei es als Flüchtlinge, denen die Rückkehr in ihre Heimat, aus der sie teilweise von den Israelis vertrieben wurden, verweigert wird, oder als Opfer israelischer Besatzung.
Siedlungsbau mit System
Heute ist fast vergessen, dass nach dem Krieg von 1948 und noch bis 1966 mehr als hunderttausend Palästinenser im israelischen Staatsgebiet unter Militärverwaltung gestellt wurden. Die gegen sie angewandten Unterdrückungsmethoden lieferten nach 1967 die Grundlage für den Aufbau des israelischen Besatzungsapparats in den Palästinensergebieten. Sie zielten von Anfang an darauf, die Lebensräume der Palästinenser einzuschränken und nach Möglichkeit voneinander zu isolieren.
Dieser Strategie folgte auch die völkerrechtswidrige Besiedlung der besetzten Gebiete im Westjordanland und dem Gazastreifen, mit der die Israelis - auch das ist in Vergessenheit geraten - schon unmittelbar nach dem Sechs-Tage-Krieg begannen. Bereits damals wurden mehrere Siedlungen nicht nur im sogenannten Gush Etzion, einem südlich von Jerusalem gelegenen, relativ dicht besiedelten palästinensischen Gebiet gegründet. Auch im Jordantal wurden etliche israelische Siedlungen als eine Art Puffer errichtet, der den Palästinensern den Zugang zum Jordan erschweren sollte.
Einem ähnlichen Zweck dienten die ersten, bereits ab 1970 gebauten jüdischen Stadtviertel in Ost-Jerusalem, die das natürliche Wachstum und das Miteinanderverbundensein der dortigen palästinensischen Ortschaften verhindern sollten.Dass mit solchen Maßnahmen und mit der massiven Siedlungspolitik in den siebziger und achtziger Jahren die Entstehung eines territorial zusammenhängenden Palästinenserstaates vereitelt werden sollte, gilt heute als Binsenweisheit - eine Betrachtungsweise, die jedoch nicht frei von Anachronismus ist: Ein unabhängiger palästinensischer Staat war damals nämlich jenseits des Vorstellungshorizonts führender israelischer Politiker.
Die Siedlungsaktivitäten waren vielmehr Ausdruck eines Expansionsbestrebens mit dem Ziel, ein "Groß-Israel" zu schaffen. Dass 1979 im Rahmen des israelisch-ägyptischen Friedensvertrags überhaupt der Gedanke an eine wie auch immer verstandene palästinensische Autonomie aufkam, die wohlgemerkt innerhalb von fünf Jahren eingerichtet werden sollte, war damals ausschließlich dem massiven internationalen Druck auf die israelische Regierung geschuldet, die unter der Führung des Likud-Politikers Menachem Begin diesen Plan letztlich torpedierte.
Verurteilung der Siedlungspolitik, aber Militärhilfe
Zur Gründung einer palästinensischen Autonomie ist es dann tatsächlich erst durch den nationalen Aufstand der Palästinenser und das 1993 daraus hervorgegangene Osloer Abkommen gekommen - und bei einer Autonomie ist es bis heute auch geblieben.
Die israelische Regierung begründet ihren Widerstand gegen die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates hauptsächlich mit dem periodisch aufflammenden palästinensischen Terrorismus. Diesen nutzt sie aber bisweilen gerne als Vorwand, um - gleichsam als Vergeltung für den Terror - noch mehr Siedlungen zu bauen.
Die Weltgemeinschaft hat Israels Siedlungspolitik zwar regelmäßig verurteilt, den Worten aber nur wenig spürbare und schon gar keine schmerzlichen Sanktionen folgen lassen. In Jerusalem zog man daraus nicht nur den Schluss, dass der Siedlungsbau letztlich hingenommen wird, sondern ging mit der Zeit auch rhetorisch zunehmend in die Offensive - mit Schimpfkanonaden und Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Vereinten Nationen und bisweilen sogar gegen den wichtigsten Verbündeten Amerika, das seine massive militärische Unterstützung für Israel dennoch uneingeschränkt fortsetzt.
Unter Präsident Barack Obama ist sie sogar noch verstärkt worden, übrigens ähnlich wie seitens der Bundesrepublik, die unter der Regierung Merkel bei aller Kritik an der Siedlungspolitik deutsche U-Boote und Kriegsschiffe an Israel geliefert und massiv subventioniert hat.
Der Westen, wo noch etliche weitere Länder mit Israel im Rüstungs- und Sicherheitsbereich eng kooperieren, sollte sich nun ernsthaft fragen, weshalb er zwar von Jerusalem mantraartig die Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung fordert, aber dafür nicht wirklich etwas tut, sondern im Gegenteil die Militärmacht Israel direkt oder indirekt immer weiter aufzurüsten hilft.
Mit diesem Verhalten wie auch durch den Verzicht auf wirksame Sanktionen trägt er doch nur dazu bei, die Ultrarechten im Land ebenso wie die palästinensischen Extremisten zu stärken und das Friedenslager auf beiden Seiten weiter zu schwächen. Dass das Festhalten des Auslands an der Zwei-Staaten-Lösung seit langem nur noch eine leere Phrase ist, ist in Israel keinem entgangen.
Es lässt die israelische Rechte triumphieren und die israelische Linke noch weiter verzweifeln - wie auch die gemäßigten Palästinenser, die, wie es aussieht, von Washington unter der künftigen Trump-Regierung nicht viel Gutes zu erwarten haben. Europas Beistand wird hier nötiger denn je sein - vor allem eine deutlich härtere Gangart gegenüber Jerusalem.
Joseph Croitoru
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