Kampf um die ''Unterhosen-Revolution''
Der ägyptische TV-Satiriker und frühere Herzchirurg Bassem Youssef gehört zweifelsohne zu den Gewinnern der Revolution. Schon kurz nach deren Beginn hatte er sich mit seiner von der Comedy-Sendung des Amerikaners Jon Stewarts inspirierten satirischen Show in die Herzen der Ägypter katapultiert.
Anfänglich nur auf Youtube gesendet, wanderte das Format schon bald ins ägyptische Privatfernsehen, wo es zunächst von ON TV ausgestrahlt wurde, bis der Satiriker im vergangenen November zum konkurrierenden Privatsender CBC wechselte. Die Satiresendung heißt "Al-Barnameg", was im Arabischen schlicht "Das Programm" bedeutet.
Camouflage mit falschem Bart
Dem 38-jährigen Fernsehstar, der jeden Freitagabend Ausschnitte aus ägyptischen TV-Nachrichten kommentiert und mit eigenen Gags würzt, ist nichts heilig. Von seiner ebenso beißenden wie humorvollen Kritik bleiben weder Islamisten noch ihre säkularen Widersacher verschont. So imitierte Youssef im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen karikierend zahlreiche Wahlkandidaten und klebte sich für die eine oder andere Nummer auch einen falschen Bart ins Gesicht.
Jüngst sorgte er im säkularen wie im religiösen Lager für Empörung, als er die unterschiedlichsten und bisweilen auch skurrilen Forderungen der unter sich zerstrittenen politischen Gruppierungen im Land aufs Korn nahm.
Die Bemerkung eines weltlichen Politikers vor laufender Kamera auf dem Tahrir-Platz, man solle dort für die Demonstranten endlich genügend öffentliche Toiletten aufstellen und auch ein paar hundert frische Unterhosen bereithalten, inspirierte Youssef zu einem Satirestück, das längst Kultstatus erreicht hat: Er mokierte sich über das für die Teilnehmer einer angeblichen "Millionen-Demonstration" doch denkbar knapp bemessene Angebot an Gratis-Unterwäsche.
Ägyptische Volkserhebung als "Unterhosen-Revolution"
In einer bitteren Parodie erklärte der Satiriker das Wäschestück zum Politikum und die ägyptische Volkserhebung zur "Unterhosen-Revolution". Während sich das Live-Publikum den Bauch vor Lachen hielt, wartete Youssef mit Vorschlägen für einschlägige Protestparolen auf und präsentierte nun noch verschiedene Modelle für die geeignetste "revolutionäre Unterwäsche".
Den größten Beifall erntete das von einem Dressman vorgeführte Exemplar mit der Aufschrift "Freiheit". Bei Bedarf, so Youssefs Empfehlung, ließe sich dieses auch anderweitig einsetzen – etwa als Transparent oder Fahne.
Dann waren die Islamisten dran. Youssef machte sich lustig über ihre Manier, bei den eigenen Demonstrationen die Teilnehmerzahlen ins Uferlose zu übertreiben und gleich mit mehreren Millionen zu prahlen. In einem der eingeblendeten Fernsehausschnitte fragte ein Moderator aus dem Studio einen hochrangigen Staatsbeamten am Ort des Geschehens, ob tatsächlich, wie angekündigt, zehn Millionen zu der Kundgebung erschienen seien.
Nein, lautete die ernüchternde Antwort, es seien höchstens 50.000. Mit dieser Zahl, so Youssefs höhnischer Kommentar, könnten doch wohl nur Personen pro Quadratmeter gemeint gewesen sein.
Den Eiferern ein Dorn im Auge
Mit Vorliebe entlarvt der Satiriker in aller Regelmäßigkeit auch manch emphatisches politisches Statement von Muslimbrüdern wie von Salafisten als unsinnig, in sich widersprüchlich oder wirr. Dafür werden der TV-Star und seine Zuschauer etwa von dem salafistischen Fernsehprediger Scheich Khaled Abdallah als "Schwule und Atheisten" beschimpft, was Youssef in einer seiner jüngsten Sendungen nur allzu gerne parodierte.
Noch größere Wut bei den Salafisten hat seine Kritik an ihrer Instrumentalisierung der Religion im Vorfeld des Verfassungsreferendums ausgelöst. So will Scheich Abu Islam Abdallah – seit seiner Bibelverbrennungs-Aktion vor der amerikanischen Botschaft in Kairo vor einigen Monaten weltberühmt – Youssefs "Beleidigungen" verbieten lassen und hetzt in seinem salafistischen TV-Sender "Al-Umma" gegen ihn.
Mit der Forderung nach einem Verbot des Satireprogramms wandte sich denn auch kürzlich eine Gruppe von Eiferern an die Fatwa-Kommission der Al-Azhar-Universität. Ein solches lehnten die Rechtsgelehrten jedoch ab und verwiesen auf die Meinungsfreiheit, die es auch im Islam zu respektieren gelte.
Sind alle Versuche der Islamisten, Youssef einen Maulkorb zu verpassen, bislang gescheitert, hofft nun ein Rechtsanwalt aus dem gegnerischen Lager, den unbequemen Fernsehstar mundtot zu machen. Ramadan Abdelhamid al-Uksury, der der Führungsriege von El-Barradeis Oppositionsblock "Nationale Rettungsfront" angehört und für seine Prozessierwut bekannt ist, hat kürzlich den Satiriker wegen Präsidentenbeleidigung angezeigt.
Präsident Mursi als politischer Dauerbrenner
Tatsächlich ist Präsident Mursi in Youssefs Show ein Dauerbrenner. In den letzten Monaten wurde hier nicht nur seine Verbrüderungsrhetorik, sondern auch seine Selbstinszenierung als geliebter Vater der Nation persifliert. "Mursi ein Diktator?" fragte der Satiriker skeptisch und ließ zunächst Fotos "echter" Gewaltherrscher wie Stalin, Mussolini und Hitler einblenden.
Dann zog er überraschend ein rotes Kissen hervor, auf dem Mursis Konterfei prangte – für Youssef also ein Präsident zum Kuscheln, mit garantiert beruhigender Wirkung: "Kaum legt meine kleine Tochter ihren Kopf auf das Kissen, schläft sie schon ein."
Das von dem Satiriker gepriesene "präsidiale Kissen" ist für Anwalt Ramadan al-Aksary ausreichend für den Tatbestand der Präsidentenbeleidigung, die Youssef auch sonst leicht nachzuweisen sei. Die ägyptische Generalstaatsanwaltschaft gab kürzlich bekannt, Ermittlungen im Fall Bassem Youssef aufgenommen zu haben, was jetzt offensichtlich auch seine islamistischen Feinde inspiriert hat.
Sie haben nun ebenfalls Anzeige erstattet. Der Satiriker wird nicht nur einer ganzen Reihe von Vergehen gegen die islamische Religion bezichtigt, sondern man beschuldigt ihn auch, den gesellschaftlichen Frieden in Ägypten zu gefährden – eine andere Formulierung für die bereits bekannte Angriffsparole seiner salafistischen Gegner, Youssef entfache mit seinen satirischen Nummern einen islamischen Bruderkrieg ("fitna").
Auch Muhammad Hassan Abu al-Ainin, Rechtsvertreter der Muslimbrüder, beeilte sich und erstattete letzte Woche Anzeige wegen Präsidentenbeleidigung nicht nur gegen Youssef, sondern gleich auch gegen den Leiter des Senders CBC und sogar gegen den Satellitenbetreiber Nil Sat, der seine Programme ausstrahlt.
Al-Ainins Forderung nach einer sofortigen Absetzung des Satireprogramms hat jedoch zu Wochenbeginn ein Kairoer Gericht abgelehnt. Sie wird wohl nicht die letzte ihrer Art bleiben.
Joseph Croitoru
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de