Schalten und walten
Eigentlich dürfte der Wiederwahl Al-Sisis nichts im Wege stehen und vordergründig scheint auch alles für ein ähnlich erdrückendes Ergebnis wie beim vergangenen Urnengang vor knapp vier Jahren (fast 97 Prozent der Stimmen) zu sprechen. Offiziell hat der Amtsinhaber noch nicht seine Kandidatur bekannt gegeben. Allerdings dürfte sie wohl als sicher gelten.
Nichtsdestotrotz ist angesichts der katastrophalen Bilanz in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen bei diesem Wahlgang ein anderes Ergebnis möglich. Das ägyptische Pfund hat extrem an Wert verloren, auch wurden staatliche Subventionen auf Energie und Grundnahrungsmittel stark gekürzt. Die Mittelschicht ächzt unter den explodierenden Preisen, ganz zu schweigen von rund einem Drittel der Bevölkerung, das unter der Armutsgrenze lebt. Und mehr als Durchhalteparolen hat Al-Sisi momentan nicht anzubieten.
Bei der sogenannten Terrorismusbekämpfung sieht es ähnlich düster aus: Spektakuläre Anschläge mit bis zu 300 Toten häufen sich, Kirchen mitten in Kairo werden angegriffen und der Aufstand der einheimischen Beduinenbevölkerung im Sinai nimmt mittlerweile bürgerkriegsähnliche Züge an. Dass das Regime bei der Befriedung der strategisch wichtigen Region ausschließlich auf militärische und polizeiliche Mittel setzt, die unbeteiligte Zivilisten in Mitleidenschaft ziehen, lässt die Situation noch weiter eskalieren.
Siegreicher Jurist als Rivale Al-Sisis
Ein ernstzunehmender Herausforderer ist Khaled Ali. Der Anwalt sorgte im vergangenen Januar für viel Aufsehen, weil er erfolgreich gegen einen umstrittenen Deal des Präsidenten mit den Saudis geklagt hatte. Dieser sah vor, die beiden strategisch wichtigen Inseln Tiran und Sanafir an der Mündung des Golfs von Aqaba den Saudis zu überlassen. Dass die nicht gerade für ihre Unabhängigkeit berühmte ägyptische Justiz Khaled Ali zu diesem ungewöhnlichen Sieg über den mächtigsten Mann im Land verhalf, lässt vermuten, dass er bei seiner Kandidatur im November nicht ohne Rückendeckung da steht.
Doch Alis Kandidatur steht auf der Kippe. Ende September hat ihn ein Gericht in Kairo zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 50 Euro verurteilt. Der Grund: während seiner Siegerpose im Januar soll er angeblich den Mittelfinger gezeigt haben, was das Gericht als Erregung öffentlichen Ärgernisses wertete.
Weil Khaled Alis Berufungssitzung auf den 7. März verschoben wurde, könnte er formal für die Wahl kandidieren. Denn erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung würde er ausgeschlossen, erklärte sein Anwalt. Amnesty International wertete das Urteilt gegen Khaled Ali als politisch motiviert und als Versuch der ägyptischen Behörden, jeden Rivalen auszuschalten, der Al-Sisis Wiederwahl im Weg stehen könnte. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Verurteilung bei guten Zustimmungswerten während der Kampagne nachgereicht wird und Ali kurz vor den Wahlen disqualifiziert wird.
Der gezähmte Ex-Regierungschef
Vor allem Ahmed Shafiq hätte wohl das Zeug dazu gehabt, als Kandidat wirklich gefährlich für Al-Sisi zu werden. Als die Januarrevolte 2011 ausbrach, wurde der ehemalige Luftfahrtminister von Mubarak zum Regierungschef genannt, um die Aufstände zu beruhigen. Später schaffte er es als Kandidat des alten Regimes in die Stichwahl gegen den Kandidaten der Muslimbrüder und späteren Präsidenten, Mohamed Mursi, wobei er mit 48 Prozent der Stimmen knapp unterlag. Ihm wird eine Nähe zur reichen Oligarchie um Mubaraks Söhne Alaa und Gamal nachgesagt – eine Clique, die im internen Machtkampf mit Al-Sisi immer noch versucht, ihre alte Stärke zurückzuerlangen. Als ehemaliger Luftwaffengeneral hat Shafiq auch großen Halt im Militär.
Dieser unberechenbaren Herausforderung wollte sich Al-Sisi auf keinen Fall stellen. Als Shafiq von seinem Wahlexil in den Vereinigten Arabischen Emiraten seine Kandidatur bekanntgab, wurde er laut seiner Anwältin von den dortigen Verbündeten Al-Sisis festgenommen und anschließend in einem Privatjet nach Ägypten ausgeliefert.
In Ägypten verkündete er, seine Kandidatur nochmals zu überdenken. Am vergangenen Sonntag platzte schließlich die Nachricht, dass der frühere ägyptische Regierungschef nun doch nicht bei der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr kandidieren will. Al-Sisi wird es mit Erleichterung aufgenommen haben.
Schützenhilfe für Ägyptens "beeindruckenden Präsidenten"
Das Zünglein an der Waage im internen Machtkampf des Regimes könnten Al-Sisis europäische Verbündete sein. Ende Oktober besuchte er Paris und schloss mit Präsident Macron einen Waffendeal in Wert von sechs Milliarden Euro, der unter anderem die Lieferung von modernen Kampfflugzeugen und Überwachungssoftware vorsieht.
Berlin genehmigte allein 2017 etwa eine halbe Milliarde Euro an Waffenexporten nach Ägypten, so viel wie nie zuvor. Außerdem unterzeichneten beide Seiten im vergangenen August ein Abkommen zur Migrationsbekämpfung.
Wie gut die Chemie zwischen beiden Regierungen ist, lässt sich an Außenminister Sigmar Gabriels Lob an die Adresse von Al-Sisi ablesen. Bei seinem Kairobesuch im April 2016 sagte er seinen ägyptischen Gesprächspartnern, sie hätten einen "beeindruckenden Präsidenten".
Menschenrechtsorganisationen machen eine andere Rechnung auf: Seit Al-Sisis blutigem Putsch im Juli 2013 sollen etwa 60.000 Menschen aus politischen Gründen verhaftet worden sein. Allein in den vergangenen beiden Jahren seien etwa 100 Gefangene hingerichtet worden, 1.700 Menschen würden vermisst.
Bachir Amroune
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