Mission Konversion
Vor drei Jahrhunderten pflegte man in Deutschland den Brauch, Konversionen von Muslimen - wie etwa türkischen Gefangenen oder Bediensteten - zum christlichen Glauben in Kirchen öffentlich zu feiern.
Nach einem ganz ähnlichen Muster verfahren heute in umgekehrter Richtung arabische Salafisten: Sie filmen Übertritte vor allem junger Deutscher zum Islam und stellen die Videos als Zeichen des Sieges der "einzigen wahren Religion" ins Internet. So geschehen etwa vor einigen Wochen in der Tauhid-Moschee in Wiesbaden. Dort widmete sich zwischen dem 6. und 9. April eine mit angereisten, namhaften salafistischen Predigern aus Ägypten und Kuwait besetzte Tagung dem Thema "Die Jugend im Westen. Hoffnungen und Sorgen".
Einen der Höhepunkte, den ein auf Youtube gestelltes einstündiges Video dokumentiert, bildete der Übertritt des 26-jährigen "deutschen Bruders Fabian" zum Islam - welcher Glaubensgemeinschaft dieser bis dahin angehörte oder ob er religionslos war, blieb unklar.
Das islamische Glaubensbekenntnis nahm dem Deutschen - zur Konversion hatte ihn ein geschenktes Buch über den Propheten bewogen - kein Geringerer als Muhammad al Zoghby ab. Der 1964 in Ägypten geborene Religionsgelehrte zählt heute zu den einflussreichsten salafistischen Predigern. Er pendelt ständig zwischen den Golfstaaten, wo er beim konservativen saudischen Religionssender "Al-Khalijia" eine eigene Sendung hat, und den restlichen arabischen Ländern. Zudem bereist er regelmäßig auch den Westen.
Auf seiner Internetseite berichtet er nun nach seiner jüngsten Europa-Reise, die ihn nach eigenem Bekunden auch zum "Islamischen Zentrum Frankfurt" und nach Barcelona geführt hat, stolz von der von ihm durchgeführten Bekehrung "zahlreicher Christen" zum Islam. Auch wenn diese Angabe übertrieben sein dürfte - "Bruder Fabian" scheint nicht der einzige seiner neuen Konvertiten gewesen zu sein.
Eng vernetzte Missionsbewegung
Bei der Wiesbadener Zeremonie hielt al Zoghby eine viertelstündige Rede. Mit dramatischer Stimme und Gestik beschwor er in gepflegtem Hocharabisch und mit viel rhetorischem Geschick berühmte Fälle von Muslimen, die an Gott zweifelten, dann aber reuig und im Vertrauen auf Allahs Barmherzigkeit wieder zum wahren Glauben zurückfanden.
Daran sollten sich die anwesenden Glaubensbrüder, so der charismatische Prediger, ein Beispiel nehmen, zumal sie in einem nicht-muslimischen Land lebten, wo die Gefahr der Verführung ohnehin weit größer sei. Einzig der Glaube an Allah könne sie einen und ihnen die Stärke verleihen, die aus der unterschiedlichen nationalen Herkunft resultierenden Klüfte zu überwinden. Und nur so werde es möglich sein, sie in den Schoß der islamischen Gemeinschaft (Umma) zurückzuholen. Diaspora-Muslimen obliege die Aufgabe, den Islam ehrenhaft zu repräsentieren, damit er sich auch dort ausbreite.
In der von ihm in derselben Moschee gehaltenen Freitagspredigt konkretisierte al Zoghby seinen Appell, der jetzt noch deutlicher panislamische Züge annahm. Die von den Kolonialmächten auf dem Gebiet der islamischen Umma einst gezogenen Grenzen seien willkürlich, weshalb es nun gelte, sich über sie hinwegzusetzen.
Von hier bis zur Forderung nach der Errichtung eines neuen Kalifats wäre es nur ein kleiner Schritt, den al Zoghby allerdings nicht ging. Seine Predigt beendete er dafür mit einer Menge geschauspielerter Tränen. Weinend flehte er seinen Gott an, syrische Zivilisten und Kinder, "die dein Buch (Koran) lesen", zu verschonen - und seine Hand schützend über Palästina zu halten.
Al Zoghbys Auftritt ist der jüngste Beweis dafür, dass Deutschland mittlerweile weit oben auf der Prioritätenliste der salafistischen Missionsbewegung steht. Damit steigt auch der Grad der Vernetzung unter ihren hiesigen Aktivisten.
Bei der Veranstaltung in Wiesbaden saß neben al Zoghby auch der Berliner Imam Hossam El-Gabry, der häufig gemeinsam mit dem ebenfalls in der deutschen Hauptstadt ansässigen Ex-Dschihadisten-Filmer Reda Seyam - einem der aktiven Unterstützer der Koranverteilungen - im Dienste des Islams unterwegs ist. Al Zoghby dürfte derjenige sein, der den beiden im vergangenen Herbst beim Satellitensender "Al-Khalijia" zu einem Auftritt verholfen hatte.
Wachsende Internetpräsenz
Was die Videoinszenierung von Übertritten zum Islam anbelangt, so ist sie hierzulande keineswegs ein neues Phänomen. Vielmehr ist sie Teil einer schon seit einigen Jahren weltweit praktizierten Strategie islamischer Missionare, die nicht zuletzt auch eine Antwort zu sein scheint auf die Zurschaustellung der zahlreichen Bekehrungen von Muslimen zum Christentum im Netz. Zu den Inszenierungen auf beiden Seiten findet sich auf Youtube und anderen Internetforen geradezu eine Flut von Beispielen.
In Deutschland scheint dieses mediale Ritual von dem zum Islam konvertierten Ex-Boxer Pierre Vogel eingeführt worden zu sein. Im Arabischen, was häufig übersehen wird, nennt sich dieser wohlgemerkt auch Saladin und wird von seinen Bewunderern auch als der "muslimische Eroberer Deutschlands" (fatih almanya) bezeichnet.
Standen ihm anfangs bei den aufgezeichneten Übertritten noch namhafte ägyptische Salafisten-Prediger zur Seite, führt Vogel solche heute längst in Eigenregie durch - und gestaltet sie, wo nur möglich, als Massenübertritte, vorzugsweise auf öffentlichen Plätzen.
Mit den 17 im April 2011 in Frankfurt am Main von ihm gemeinsam zum Islam Konvertierten hält er momentan landesweit den Rekord. Die Dokumentation des Events kursiert seitdem im Internet, etwa unter dem Titel "Germany's nicest Islam-Video". Als von Vogel bei diesem Anlass auf der Bühne herzlich umarmter Ehrengast ist hier übrigens Ibrahim Abou-Nagie zu sehen, der zusammen mit dem deutschen Salafisten-Anführer die jüngste Koran-Aktion gelenkt hat.
Bei der medialen Präsentation der Übertritte gilt offensichtlich das Gebot, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, was Vogel auch immer wieder gelingt. Wenn er sich aber - wie im vergangenen März auf einer Autofahrt nach Österreich - dabei filmen lässt, wie er die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis, einem Konvertiten per Handy abnimmt, so folgt er lediglich einem etablierten Muster.
Diese Praxis wandte im vergangenen Jahr bereits Ibrahim al-Duwaish an, ein Prediger, der häufig in der Darul-Quran-Moschee in München aufzutreten pflegt. Mit Hilfe ihres Imams, des Palästinensers Hesham Shashaa, führte er die telefonische Konversion nicht etwa in dem islamischen Bethaus durch, sondern in einem deutsch-arabischen Restaurant. Der Übertritt, wie der arabische Begleittext zu dem einschlägigen Videoclip verrät, sei allein den missionarischen Büchern, die von der Moschee in München verteilt würden, zu verdanken.
Dass selbst der als gemäßigt geltende Salafist Shashaa sich dieser Konversionsmethode bedient, zeugt von ihrer steigenden Popularität. Auch er kann mit mehr als einem Dutzend filmisch dokumentierten Übertritten andersgläubiger Deutscher zum Islam in seiner Moschee aufwarten.
Offenbar sollen noch weitere folgen, denn auf seiner arabischsprachigen Internetseite Deenul-Islam (die islamische Religion) ist für die Konversionsvideos eine separate Rubrik eingerichtet, die mit "Neuen Muslimen" überschrieben ist: So bezeichnet man nicht nur in der arabischen Welt die frisch Konvertierten.
In Deutschland ist dieser Terminus spätestens seit Erscheinen des "Wörterbuchs für neue Muslime" im Jahr 1998 gebräuchlich, das sich als Wegweiser für islamische Grundbegriffe offenbar großer Beliebtheit erfreut und im Netz kostenlos heruntergeladen werden kann. Sein Verfasser ist der deutschägyptische Kölner Gelehrte und Verleger Muhammad Ahmad Rassoul, dessen Koranübersetzung jüngst bei der Salafisten-Aktion "Lies!" massenhaft unters Volk gebracht wurde.
Joseph Croitoru
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Redaktion: Arian Fariborz/ Qantara.de