Investitionen auf Kosten der Altstadt

Für eine mehrspurige Straße und ein Gewerbegebäude will die Damaszener Stadtverwaltung einen Teil der Altstadt abreißen. Tausende Familien und Betriebe müssten umsiedeln.

Von Rasan Zaituna

Die Altstadt ist das Bindeglied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart der syrischen Hauptstadt Damaskus, denn anders als bei archäologischen Überresten und Ruinen in allen Teilen Syriens, pulsiert im historischen Stadtkern von Damaskus noch das Leben.

Mit den alten, noch immer bewohnten Damaszener Altstadthäusern wird die Geschichte fortgeschrieben und die Erinnerung wach gehalten. Die Damaszener Altstadtviertel sind, ungeachtet der Schäden, die sie im Laufe der Zeit erlitten haben, vitaler denn je.

So überstand die von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützte Altstadt lange die Vernachlässigung und konnte auch die behelfsmäßigen und unbedachten Modernisierungsversuche überstehen. Nun aber steht die Altstadt vor einer weitaus größeren Herausforderung in Gestalt des Straßenbauprojektes der Malik-Faisal-Straße.

Die Gründe für die Umsetzung dieses Projekts gibt die Damaszener Stadtverwaltung - je nach Anlass – damit an, dass die 1400 Meter lange Straße verbreitert werden soll, um des Verkehrsstaus in diesem Gebiet Herr zu werden, bzw. dass die Stadt verschönert und auf ihre Rolle als Hauptstadt der arabischen Kultur im Jahr 2008 vorbereitet werden soll.

Französischer Masterplan

Grundlage für das Projekt bildet der Masterplan des französischen Architekten Michel Écochard aus den dreißiger Jahren. Für Écochard war lediglich der Teil der Altstadt schutzwürdig, der sich innerhalb der römischen Stadtmauer befindet, während er die geschichtsträchtigen Orte mit ihren Sehenswürdigkeiten, die unter der Herrschaft der Mamluken, der Seldschuken, der Ajjubiden und der Osmanen jenseits der Stadtmauer entstanden waren und den historischen Stadtkern erweiterten, vernachlässigte.

Der Bauentwurf sah unter anderem den Abriss des Stadtviertels "Suq Sarudja" vor, das eine Erweiterung des historischen Stadtkerns "extra muros" ist. Es soll der Errichtung eines mehrgeschossigen Gewerbegebäudes zum Opfer fallen. Ähnlich soll es auch anderen, außerhalb der Stadtmauer liegenden Vierteln ergehen.

Für die Umsetzung des Malik-Feisal-Straßenprojektes muss das Gelände des alten Al-Hal-Souks abgerissen werden sowie ein Teil der Straße, der zwischen der Al-Moallaq-Moschee und dem Bab-Touma-Platz liegt.

Zum Projektplan gehören der Bau einer Autobahn, die durch die erwähnten Gebiete führen soll, sowie die Errichtung eines mehrstöckigen modernen Gebäudes am Rand der Altstadt, das kaum 70 Meter von der Stadtmauer entfernt sein wird.

Sorge der UNESCO

Letztes Jahr begann man mit den Arbeiten zur Umsetzung des Bauvorhabens. Dabei wurden der Atik-Suk und das Said-Kouraisch-Waisenheim aus der Mamlukenzeit abgerissen. Nun ist eine Reihe von Märkten in der äußeren Altstadt, die auf die Mamlukenzeit zurückgehen, samt ganzer Stadtteile vom Abriss bedroht.

Die Stadtverwaltung bestätigte, dass sie eine Verbindung zwischen der historischen und der modernen Stadt schaffen möchte. Diese ermögliche es, drei der sieben Stadttore sichtbar zu machen. Dabei laute die Maxime: "Alles, was historisch ist, gilt es zu bewahren, und alles, was alt ist, zu beseitigen".

In diesem Zusammenhang hob Francesco Bandarin, Direktor des Welterbezentrums der UNESCO, in einem Brief an den syrischen Kulturminister hervor, dass "der Schutz des kulturellen Erbes der Stadt Damaskus nicht nur auf das Gebiet innerhalb der Stadtmauer begrenzt ist, sondern sich auch auf das Gelände über diese Grenzen hinaus erstreckt. Zudem wird das Malik-Faisal-Straßenprojekt den Schaden, den die Altstadt als Kulturerbe davontragen werde, nicht wieder gutmachen können".

Bandarin wies auch darauf hin, dass er einen aktuellen Lagebericht erstellen werde, den er den Mitgliedstaaten der Weltkulturerbe-Kommission vorlegen werde, die im kommenden Juni tagen wird.

Investoren vom Golf

Die Tatsache, dass die UNESCO sich mit dem Fall befasst, gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Altstadt gerettet werden könnte. Es steht jedoch zu befürchten, dass angesichts der Schwerfälligkeit öffentlicher Einrichtungen dieser Hoffnungsschimmer schon bald wieder verblasst, zumal mehrere Quellen – darunter auch die staatliche Presse – stets betonten, dass sich hinter dem Projekt mehr als nur die Verschönerung der Stadt verbirgt.

Finanzkräftige Investoren aus der Golfregion seien gemeinsam mit ihren syrischen Partnern längst dabei, umfangreiche Wirtschaftsprojekte für dieses Gebiet zu planen.

Die Umsetzung des Projektes hingegen wird das gesellschaftliche Leben der Altstadtbewohner gefährden. Sie werden ihre Häuser räumen müssen, ihre Geschäfte aufgeben und sich außerhalb der Stadt ansiedeln müssen, denn die Höhe der Entschädigungen wird für eine neue Existenz innerhalb Stadt nicht ausreichen.

Hinzu kommt, dass nur Eigentümer in den Genuss einer solchen Entschädigung kommen werden, während die Beschäftigten der vielen Läden und Betriebe leer ausgehen werden.

Offizielle Zahlen darüber, wie viele Familien und Geschäftsinhaber betroffen sein und umsiedeln werden müssen, gibt es nicht. In einem Brief, der aus Protest gegen das Projekt an den syrischen Staatspräsidenten gerichtet worden war und in dem die Intervention des Präsidenten für einen Projektstopp gefordert wurde, war die Rede von 5000 betroffenen Familien.

Protestkampagne der Bevölkerung

Getrieben von Zukunftsängsten wenden sich die Anwohner der Altstadt nun verstärkt an die Presse, suchen öffentliche Stellen auf und sprechen mit Entscheidungsträgern. Dabei wiesen sie anfangs auf die sozialen Nöte hin, die ihnen aus dem Projekt erwachsen werden, und forderten, im Falle der Umsetzung des Projekts eine angemessene Entschädigung zu erhalten.

Aus diesen Protesten entwickelte sich nun eine regelrechte Protestbewegung gegen das gesamte Projekt, das den historischen und archäologischen Wert der Altstadt zerstöre.

So versicherten die Anwohner in zahlreichen Protestbriefen an die politischen Entscheidungsträger nun, dass es ihnen nicht in erster Linie um finanzielle Entschädigungen gehe, sondern um den Schutz der Altstadt, und dass sie bereit seien, für die Kosten von Verschönerungs- und Restaurierungsarbeiten in diesem Gebiet aufzukommen.

Diese Proteste fanden daraufhin zunehmend Anhänger nicht nur in den Reihen der direkt Betroffenen, sondern auch unter Intellektuellen und Engagierten, die sich nun für den Erhalt der Altstadt einsetzen wollen.

Diese Proteste und das große Interesse der UNESCO an diesem Fall haben die verantwortlichen Stellen in Syrien schließlich dazu bewogen, dem Besuch einer UNESCO-Delegation zuzustimmen, die das Gelände in Augenschein nehmen und Alternativvorschläge zum Bauprojekt unterbreiten soll.

Medieninformationen zufolge werde die Projektumsetzung so lange ruhen, bis die UNESCO-Experten ihre Mission abschließen.

Rasan Zaituna

Aus dem Arabischen von Raoua Allaoui

© Qantara.de 2007

Qantara.de

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