Wasser auf die Mühlen der Normalisierungsgegner
Wieder einmal schießt eine der vielen Kampagnen gegen eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Arabern und Israelis am Ziel vorbei und trifft diesmal den israelischen Musiker Daniel Barenboim, der weltweit für seine mutigen Standpunkte in der Palästinafrage und für seine Kritik an der israelischen Besatzungspolitik bekannt ist.
Der israelische Stardirigent war zunächst zu einem Auftritt mit dem West-Eastern Divan Orchestra in Qatar im Rahmen des Festivals "Musik und Dialog" eingeladen worden – nur um dann auf Druck von lokalen Antinormalisierungskampagnen später wieder ausgeladen zu werden.
Dieser Fall lässt fragwürdig erscheinen, wie sinnvoll solche Kampagnen überhaupt sind, die israelische Regierung zu einem Kurswechsel in ihrer Politik gegenüber den Palästinensern zu bewegen. Ebenso fragwürdig sind auch die Kriterien zur Auswahl von Institutionen und Persönlichkeiten, die Opfer derartiger Kampagnen werden.
Derartige Sanktionen gegen Personen – wie zum Beispiel die Teilnahme eines israelischen Schriftstellers oder Akademikers an einer arabischen Kulturveranstaltung oder Universität – verhindern jedenfalls wohl kaum eine Normalisierung zwischen der arabischen Welt und Israel im Handels- und Wirtschaftsleben. In diesem Bereich zumindest ist der Normalisierungsprozess bereits in vollem Gange – ganz gleich, ob es sich um arabische Länder handelt, die bereits einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen haben oder nicht.
Und trotzdem gehen diese Länder auf die Forderung ein, die Normalisierung der Beziehungen zu behindern, indem sie einen Künstler von Rang und Namen wieder ausladen. Und nun hat es ausgerechnet Daniel Barenboim getroffen, einen großartigen Musiker, dem sogar Palästinenserpräsident Arafat seinerzeit in Anerkennung seiner Haltung zur Palästinenserfrage und seines unermüdlichen Einsatzes für das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat in den Grenzen von 1967 die palästinensische Ehrenstaatsbürgerschaft verlieh.
Zielscheibe für Israels Rechte
Dabei war Barenboim aufgrund seiner Haltung zur Palästinafrage auch zur Zielscheibe von Kampagnen der israelischen Rechten geworden – was schließlich soweit ging, dass Abgeordnete der Knesset forderten, ihm die israelische Staatsangehörigkeit zu entziehen und ihn als Antisemiten und Judenhasser abstempelten.
Dies gibt der Ausladung in Qatar einen ganz besonders bitteren Beigeschmack, ist Barenboim doch bereits mehrfach als Pianist und Dirigent in Ramallah und Birzeit zu Gast gewesen und hatte erst im vergangenen Jahr mit den Vereinten Nationen einen Auftritt in Gaza koordiniert, wo Musiker der berühmtesten Symphonieorchester der Welt ein Benefizkonzert mit Werken Mozarts veranstalteten.
Mit seiner Haltung in der Palästinenserfrage, seinem Mitgefühl und seiner Solidarität mit den Leiden des palästinensischen Volkes und seinem kreativen Ansatz zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist Barenboim daher ein denkbar ungeeignetes Ziel einer solchen Kampagne, basiert die Ausladung doch ausschließlich auf dem Sachverhalt, dass der berühmte Dirigent die israelische Staatsangehörigkeit besitzt.
Mit der Vergangenheit abschließen
Edward Said ging im Anhang seines Buches "Parallelen und Paradoxien" auf Barenboims gewagten Vorstoß ein, ab 2001 auch Werke von Wagner in Israel aufführen zu wollen. Er teilte seine Auffassung, mit der Vergangenheit abzuschließen, um in der Gegenwart leben zu können. Die Projektion der schmerzhaften und quälenden Vergangenheit auf die Gegenwart hält die Völker in Geiselhaft, in einer Hysterie des kollektiven Schmerzes.
Daher ist auch Man kann daraus ableiten, dass Said den Palästinensern einen ganz ähnlichen Schritt nahe legt, um die schmerzliche Erinnerung hinter sich zu lassen und in dieser Hinsicht kulturpolitische Programme zu initiieren.
Für Said waren solche Antinormalisierungskampagnen – wie jetzt im Fall Barenboims – vergebliche Liebesmüh, da sie den Palästinensern weder politisch noch kulturell nützten. Es wäre sicherlich viel sinnvoller, so Said, israelische Intellektuelle und Politiker mit ins Boot zu holen, anstatt sie vor den Kopf zu stoßen und jeglichen Dialog zu verweigern – nur aufgrund der Tatsache, dass sie Israelis sind.
Vorbildlich seien dagegen Kampagnen wie etwa die des ANC unter Nelson Mandela, die erst dann Erfolg zeitigten, als sich ihnen auch weiße südafrikanische Akademiker und Politiker anschlossen, die daraufhin in Zusammenarbeit mit ihren schwarzen Kollegen weltweite Anti-Apartheid-Initiativen organisierten, was dann letztlich zum Sturz des Apartheid-Regimes führte. Ein aussichtsloser Kampf der Palästinenser ganz im Stile eines Don Quichote gegen einen imaginären Feind, sei dagegen gewiss alles andere als ein erfolgversprechendes Mittel.
Fakhri Saleh
Fakhri Saleh ist Literaturwissenschaftler und Kulturredakteur bei der jordanischen Tageszeitung "Al-Dustour".
Aus dem Arabischen von Nicola Abbas
© Qantara.de 2012
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de