Charme-Offensive von Riad bis Teheran
China will wohl eine größere politische Rolle im Nahen Osten spielen als bisher. Dieses Signal sendet das Land mit der Reise seines Außenministers und einem neuen Kooperationsabkommen mit Teheran.
Auf seiner Reise nach Saudi-Arabien, der Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, Oman und Bahrain in der letzten Märzwoche legte der chinesische Außenminister Wang Yi einen Fünf-Punkte-Plan für Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten vor.
Darin forderte er unter anderem die rivalisierenden Mächte in der Region auf, "sich gegenseitig zu respektieren, Gleichheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten, nukleare Nichtverbreitung anzustreben, gemeinsam die kollektive Sicherheit zu fördern und die Entwicklungszusammenarbeit zu forcieren."
Der chinesische Botschafter in Saudi-Arabien, Chen Weiqing, sagte, China sei "bereit, die ihm zustehende Rolle bei der Förderung von langfristigem Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu spielen." China konzentriere sich auf die Sicherheit am Golf, den Streit um das iranischen Atomprogramm sowie den israelisch-palästinensischen Konflikt.
Wang Yi sagte vor seiner Abreise in den Nahen Osten, dass China bereit wäre, einen multilateralen Sicherheitsdialog am Golf auszurichten, der sich zunächst auf die Sicherung von Ölanlagen und Schifffahrtswegen konzentrieren würde.
Ein heikler Balanceakt
China wird jedoch wahrscheinlich feststellen, dass gute Beziehungen zu allen Parteien nur solange funktionieren, als es sich auf die Wirtschaft konzentriert, und selbst das könnte sich als knifflig erweisen. Dann nämlich, wenn sich ein auf 25 Jahre angelegtes politisches, wirtschaftliches und strategisches Kooperationsabkommen zwischen China und Iran, das Chinas Außenminister Wang Yi und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif am 27. März in Teheran unterzeichnet haben, als das erweist, was es nach iranischen Angaben bedeutet.
Eine gemeinsame politische Basis unter den regionalen Gegenspielern zu finden, könnte wesentlich riskanter und schwieriger sein.
Saudi-Arabien hat bisher angedeutet, dass es wenig Interesse an einem schrittweisen Prozess hat, der es dem Iran erlauben würde, einfach lösbare Probleme anzusprechen, bevor man heiklere Themen angeht. Auch chinesische Andeutungen in den letzten Monaten, dass es sich engagieren würde, sofern die Nationen des Nahen Ostens seine Prinzipien annehmen, hat daran nichts geändert.
Saudi-Arabien ist das einzige Land in der Golfregion, das sich im letzten Jahr geweigert hat, dem Iran, als am stärksten von der Pandemie betroffenem Land der Region, humanitäre Hilfe anzubieten.
Umgekehrt wird der Iran die Zusicherung von Wang Yi während seines Aufenthalts in Riad, dass China den saudischen Führungsanspruch in der Region unterstützt, wohl kaum zu schätzen wissen, auch wenn die iranische Führung ihre Kritik nicht öffentlich äußert, um die engere Zusammenarbeit mit China nicht zu gefährden.
China sieht mit seinem Fünf-Punkte-Plan eine Möglichkeit, mit den unzähligen Konflikte im Nahen Osten umzugehen, anstatt sie lösen zu müssen, und zu vermeiden, in sie hineingezogen zu werden.
Misstrauen gegenüber der neuen US-Administration
Damit will China die Ängste Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Israels ausnutzen. Sie befürchten, dass US-Präsident Joe Biden bei seinen Bemühungen, eine Rückkehr zum internationalen Abkommen von 2015 zur Eindämmung des iranischen Atomprogramms auszuhandeln, nicht unmittelbar auf ihre Bedenken eingehen würde.
Diese Staaten wollen, dass jede Neuauflage des Atomabkommens mit Iran auch Begrenzungen des iranischen Raketenprogramms sowie ein Ende der iranischen Unterstützung von nichtstaatlichen Akteuren im Libanon, in Syrien, Irak und Jemen beinhaltet. Die Golfstaaten und Israel haben aber wenig Vertrauen in den Vorschlag der Biden-Administration, dass eine Wiederbelebung des Atomabkommens, das der frühere US-Präsident Donald J. Trump 2018 aufgekündigt hatte, auch die Grundlage für solche Verhandlungen über Fragen abseits der Atomanlagen schaffen würde.
Die chinesische Initiative will von diesen Bedenken nahöstlicher Staaten gegenüber der neuen US-Administration profitieren, während China und der Westen in einen verbalen Kleinkrieg über Pekings brutales Vorgehen gegen die muslimischen Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang verwickelt sind.
Die VAE und Saudi-Arabien, Heimat der beiden heiligsten Städte des Islam, haben das harte Vorgehen Chinas gegen die Uiguren legitimiert, obwohl Berichten zufolge die muslimischen Uiguren in der Region auch gezwungen werden, das islamische Gesetz zu missachten. Beide Länder stellen Chinas Vorgehen als legitimen Kampf gegen Extremismus und den politischen Islam dar.
Saudis und die VAE legitimieren das chinesische Vorgehen, weil es dazu passt, wie sie sich als religiöse Soft-Power mit einer vage definierten Vorstellung von einem "gemäßigten" Islam darstellen. Sie setzen auf das Prinzip eines absoluten Gehorsams gegenüber dem Herrscher und auf die konsequente Unterdrückung des politischen Islam. Damit passt ihre religiöse Ideologie haargenau zur zu den Vorstellungen der chinesischen Autokraten und ihren Bemühungen, die muslimische Kultur in China zu entwurzeln.
In Riad läuten die Alarmglocken
Nichtsdestotrotz dürfte der Besuch von Außenminister Wang Yi im Iran in der saudischen Hauptstadt Riad die Alarmglocken schrillen lassen. Da die chinesisch-amerikanischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt angelangt sind, dürfte es für China weniger problematisch sein, mit den US-Sanktionen gegen den Iran in Konflikt zu geraten. So könnte China der Islamischen Republik in erheblichem Maße dabei helfen, die Auswirkungen von Washingtons Strafmaßnahmen abzumildern. In den letzten Monaten sind die chinesischen Importe von iranischem Öl, das ja eigentlich unter US-Sanktionen steht, stark angestiegen.
Nur wenige Details aus dem Abkommen zwischen China und Iran wurden öffentlich gemacht, aber es scheint chinesische Investitionen in die iranische Infrastruktur, in den Energiesektor, Bergbau, Industrie und Landwirtschaft im Wert von 400 Milliarden US-Dollar zu versprechen. Im Gegenzug enthält China iranisches Öl zu günstigen Konditionen.
Wang Yi sagte am Vorabend seiner Nahostreise auch, dass er Israelis und Palästinenser zu Gesprächen nach Peking einladen werde. Er stellte in Aussicht, dass China, wenn es im Mai den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übernimmt, auf eine Resolution drängen wird, die die Zweistaatenlösung als Grundlage internationaler Verhandlungen bekräftigt.
Es besteht wenig Aussicht, dass diese chinesische Initiative erfolgreicher sein wird als die bisherigen Bemühungen der Chinesen, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, selbst wenn die Vereinigten Staaten ihre Resolution unterstützen würden. Es ist unwahrscheinlich, dass die israelischen Wahlen im letzten Monat, die vierten innerhalb von zwei Jahren, eine Regierung hervorbringen, die genügend Stabilität, Stärke und Bereitschaft hätte, um ein Abkommen auszuhandeln, das die palästinensischen Hoffnungen auch nur minimal erfüllen würde.
Der China-Analyst Eyck Freymann sagte: "Der Status quo im Nahen Osten arbeitet im Grunde zu Chinas Gunsten. Die Vereinigten Staaten geben enorme Summen aus, um extremistische Gruppen zu bekämpfen und die Freiheit der Schifffahrt in der Region zu schützen, und China profitiert davon. China will dieses Arrangement erhalten, bis es allmählich die Fähigkeit erlangt, einzelne Länder so unter Druck zu setzen, dass sie sich seinem Willen beugen."
James M. Dorsey
© Qantara.de 2021
James M. Dorsey ist Journalist und Senior Fellow an der S. Rajaratnam School of International Studies der Nanyang Technological University in Singapur und dem Middle East Institute der National University of Singapore sowie Honorary Senior Non-Resident Fellow bei Eye on ISIS.