Friedensmission in heiklen Zeiten

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche besuchte den Libanon in einer kritischen Phase: Im Nachbarland tobt ein Bürgerkrieg, und der kleine Zedernstaat erlebt die größte politische Herausforderung seiner jüngeren Geschichte. Aus Beirut informiert Mona Naggar.

Von Mona Naggar

Papst Benedikt XVI. fand deutliche Worte. Während seiner dreitätigen Visite im Libanon sprach er von Frieden als Fundament der Gesellschaft, von Solidarität, vom Respekt vor dem menschlichen Leben und der menschlichen Würde. Auch betonte Benedikt die Bedeutung der Erziehung zum Frieden in der Familie und in der Schule.

Die Umsetzung dieser Werte ist heute im Libanon dringender denn je, denn die politische Situation im Zedernstaat ist äußerst fragil. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen daran denken, ihrem Land den Rücken zu kehren. So auch der junge Christ Youssef Harb. Er beschreibt die Lage im Libanon als "miserabel auf allen Ebenen". Menschen würden entführt, so Harb, und immer wieder gäbe es Schießereien. "Wenn es wieder losgehen sollte, dann überlege ich ernsthaft, das Land zu verlassen."

Papstmesse in Beirut, Foto: Reuters
"Mögen die Menschen doch begreifen, dass sie alle Brüder sind!" - Papst Benedikt XVI. warb während einer Messe unter freiem Himmel vor 300.000 Gläubigen in Beirut für Frieden und Versöhnung zwischen Christen und Muslimen im Nahen Osten.

​​Laila Saikaly dagegen hat nie an Auswanderung gedacht, sogar während der Wirren des libanesischen Bürgerkrieges nicht. Damals musste sie mit ihrer Familie ihr Dorf im Südlibanon verlassen. Auch jetzt, in diesen politisch turbulenten Zeiten, würde es ihr niemals in den Sinn kommen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren.

Prekäre Sicherheitslage

Aber die ehemalige Lehrerin gibt zu, dass ihr die Sicherheitslage doch Sorgen bereitet: "Man kann nie wissen! Die Situation ist politisch sehr angespannt. Vielleicht finden irgendwelche Anschläge statt und man befindet sich mittendrin." Kopfzerbrechen bereitet ihr die wirtschaftliche Lage – und dabei denkt sie an ihre Kinder und Enkel: "Alles wird teurer und die Gehälter stagnieren."

Die 70-jährige Saikaly lebt mit ihrem Mann in Bouchariya, einem Stadtteil im Osten Beiruts. Der gleichaltrige Nikolas Saikaly betreut dort eine maronitische Gemeinde. Seit dem Ausbruch des Aufstandes in Syrien erlebt der Pater immer wieder, dass Gemeindemitglieder befürchten, dass im Nachbarland radikale Muslime die Macht übernehmen könnten.

Er weist darauf hin, dass Syrer und Libanesen eng miteinander verbunden sind. Viele Syrer leben im Libanon und umgekehrt. Am meisten ärgert ihn, wenn Christen aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden: "Die Heimat gehört allen,  und jeder verehrt seinen eigenen Gott."

Zwischen den Fronten

Mit dem drohenden Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien steht der Libanon vor der größten Herausforderung seiner jüngeren Geschichte. Unter syrischer Besatzung, die bis 2005 währte, waren die christlichen Libanesen lange Zeit politisch marginalisiert. Erst in den letzten Jahren gaben sich christliche Politiker wieder selbstbewusster. Nun könnten sie mit der Schwächung Syriens und der prosyrischen Kräfte im Libanon mehr Gewicht bekommen.

Gedenken an die Opfer des Bürgerkriegs; Foto: AP
Schweres politisches Erbe: Der jahrzehntelange Bürgerkrieg und der gegenwärtig anhaltende Konflikt in Syrien behindern den Dialog zwischen Christen und Muslimen im Libanon.

​​Aber die christlichen Libanesen sind hinsichtlich der Ereignisse in Syrien tief gespalten. Die politischen Vertreter der Christen im Zedernstaat verteilen sich auf die beiden verfeindeten Lager des 8. und 14. März. Die Freie Patriotische Bewegung steht auf der Seite der schiitischen Hisbollah, die mit dem Regime in Damaskus verbündet ist. Die Forces Libanaises und die Phalangisten bilden mit der sunnitischen "Future Bewegung" eine Allianz, die die Aufständischen unterstützt. Längst hat sich im Libanon die Bezeichnung "schiitischer Christ" oder "sunnitischer Christ" eingebürgert. Diejenigen, die außerhalb dieser beiden Pole stehen, empfinden oft tiefe Frustration.

Hoffen auf Dialog und Verständigung

George Sabra ist evangelischer Christ und Direktor der "Near East School of Theoloy" (NEST) in Beirut. Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern haben die Christen im Zedernstaat über ihre Parteien und vielfältigen Institutionen durchaus Einfluss, meint Sabra. "Die Christen hier sollten eine positive Rolle spielen und ein Gleichgewicht zwischen den verfeindeten Sunniten und Schiiten herstellen."

Allerdings befürchtet der Theologe, dass diese Vision bei den christlichen Parteien gar nicht existiert. Die christlichen politischen Führer auf beiden Seiten seien gefangen in ihrer Geschichte, den blutigen Konflikten aus der Vergangenheit. "Sie können ihren Streit daher gar nicht begraben."

Obwohl Sabra die politischen Umwälzungen im arabischen Raum positiv bewertet, befürchtet er negative Auswirkungen auf die Christen im Nahen Osten. Es gäbe zwar keine islamisch-christliche Konfrontation, aber die Christen könnten zwischen den Fronten geraten.

Der junge libanesische Christ Youssef Harb, der aus seiner Skepsis für die Zukunft seines Landes keinen Hehl macht, knüpft dennoch große Erwartungen an den Papstbesuch. Dieses Ereignis, so hofft er, sei ein kleiner Schritt Richtung innerchristlicher Verständigung.

Mona Naggar

© Qantara.de 2012

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de