Arabische Poesie wiederentdeckt

Die in Berlin lebende italienische Sängerin Etta Scollo hat sich der mittelalterlichen arabischen Poesie Siziliens angenommen und sie zu Liedern verarbeitet. Heraus gekommen ist ihr neues Album "Il Fiore Splendente". Rasha Khayat stellt es vor.

​​ Die arabische Herrschaft im frühmittelalterlichen Südeuropa hat sichtbare Spuren hinterlassen. Vor allem in Spanien und Portugal kann man in der Sprache, Kunst und Architektur den Einfluss arabischer und maurischer Kultur finden. Über die Wirkung der arabischen Vorherrschaft auf die Kunst und Kultur der Mittelmeerinsel Sizilien wird hingegen wenig gesprochen.

Als aber um 829 unter der Führung des Feldherren Asad ibn al-Furat eine Flotte aus dem nordafrikanischen Kairouan auf der Insel landete und sie von den Byzantinern eroberte, begann eine kulturelle Blütezeit für Sizilien:

Bewässerungssysteme und neue Agrarkulturen sowie die Expansion der Städte Palermo, Syrakus und Marsala zu den wichtigsten Städten im Mittelmeerraum gehören zu den Verdiensten der knapp 300 Jahre andauernden Herrschaft der Araber in Sizilien. Neben Architektur und Landwirtschaft brachten die Araber auch eine neue Literatur hervor.

Zufällig, so Etta Scollo, sei sie in der Bibliothek von Bologna vor einigen Jahren auf das Buch "Anthologia di poeti arabi di Sicilia", herausgegeben von Francesca M. Corrao, gestoßen. Die Anthologie versammelt Gedichte und Diwane, die allesamt zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert in Sizilien entstanden und nun von zeitgenössischen Lyrikern ins Italienische übertragen wurden.

"Die leuchtende Blume"

Die Werke von Ibn Hamdis, Ibn at-Tubi und anderen Poeten hätten sie vor allem wegen ihrer phantasievollen Bilder und ihrer Leichtigkeit berührt, erzählt die Sängerin und Komponistin. "Als erstes fand ich das Gedicht 'Corro con te' ["Ich laufe mit dir." Anm. d. Red.], verfasst von dem 1056 in Syrakus geborenen Dichter Ibn Hamdis. Es handelt von der Liebe eines älteren Mannes zu einer 30 Jahre jüngeren Frau, die ihn so entzückt, dass er sogar rückwärts auf seiner Nasenspitze zu ihr laufen würde. Dieses Bild hat mich bezaubert und ich wollte mehr lesen."

Etta Scollo; Foto: Etta Scollo
"Maurische Elemente sind in der sizilianischen Musik bis heute sehr typisch, da fiel es nicht schwer, die Schnittstelle zwischen mittelalterlichen arabischen, italienischen und modernen Klängen zu finden", so Scollo.

​​ Zusammen mit ihrem Bruder, dem Lautenisten Sebastiano Scollo, und dem Polyinstrumentalisten und Ethnomusikologen Fabio Tricomi, die beide seit Jahren mit dem interkulturellen Musikprojekt "Al Qantarah" Erfahrung mit arabisch beeinflusster Musik haben, arbeitete Etta Scollo schließlich das Konzept für "Il Fiore Splendente" aus, für "Die leuchtende Blume".

"Es war uns wichtig, dass wir zwar traditionelle Instrumente einsetzen, aber nicht versuchen, einen bestimmten Sound zu imitieren. Maurische Elemente sind in der sizilianischen Musik bis heute sehr typisch, da fiel es nicht schwer, die Schnittstelle zwischen mittelalterlichen arabischen, italienischen und modernen Klängen zu finden."

Ein Geschenk an Sizilien

Neben den Musikern Scollo und Tricomi unterstützt auch der libanesische Sänger Nabil Salameh Etta Scollo auf ihrem neuen Album. Salameh, der vor allem mit seinem arabisch-italienischen Musikprojekt "Radiodervish" international bekannt wurde, singt nicht nur, sondern rezitiert auch die arabischen Gedichte auf "Il Fiore Splendente".

Gemeinsam mit Salameh, der Etta Scollo auch bei einigen Konzerten in Deutschland begleiten wird, soll aus "Il Fiore Splendente" mehr als nur eine Platte werden. "Wir werden in internationalen Islamzentren in New York und Italien auftreten. Und ich fände es natürlich wunderbar, mit dem Programm auch in den Libanon oder nach Palästina reisen zu können. Es soll ein langfristiges Projekt werden", wünscht sich Etta Scollo.

Etta Scollo; Foto: Etta Scollo
Mit ihrem Album möchte Scollo auch den Sizilianern ein Stück Identität zurück geben.

​​In einer Zeit, in der im Zusammenhang mit dem arabischen Islam so oft von Terror die Rede ist, sei es wichtiger denn je, solch eine Platte zu machen, so Scollo. "Wir müssen uns daran erinnern, dass wir alle einander viel zu geben haben. Und dass wir uns bei allen Unterschieden auch sehr ähnlich sind."

Das neue Album soll auch ein kleines Geschenk an ihre Heimat Sizilien sein, so Scollo. "Die soziale und wirtschaftliche Realität in Sizilien zwingt die Leute dazu, sich jeden Tag neu erfinden zu müssen. Armut und Überlebenskämpfe lassen nicht zu, dass die Menschen über Geschichte nachdenken. Mit meiner Musik möchte ich ihnen ein bisschen Hoffnung und ein bisschen Identität zurückgeben."

Rasha Khayat

© Qantara.de 2009

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