Überforderte Moscheen
Die Ventilatoren schwirren schwach über den bräunlich ausgeblichenen Teppichen. Nur ein winziger Sonnenstrahl schafft es durch die Eingangstür. Das Erscheinungsbild der Hamburger Moschee deckt sich nicht ganz mit dem, was ihr Name verspricht: "Al Nour", heißt sie, das ist Arabisch für Licht.
Bis Mai drängten sich hier in dem umgebauten Parkhaus im Zentrum der norddeutschen Metropole noch jede Nacht bis zu 600 geflüchtete Menschen. Der Vorsitzende der Moschee Daniel Abdin erinnert sich: "Stellen Sie sich vor, wie stickig es war, als all diese Menschen hier geschlafen haben!"
Hohe Belastung für Moscheen
Im Jahr 2015 kamen mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Besonders viele in die Großstädte, wie Hamburg. Und die Al-Nour Moschee öffnete ihnen ihre Türen und nahm sie auf. Zahlreiche freiwillige Helfer waren oft Tag und Nacht im Einsatz. "Es war unsere Pflicht", sagt Abdin.
Doch es war auch eine große Belastung, die seine Gemeinde fast in den Bankrott getrieben hätte, so der Moscheevorsitzende. Spenden anderer Kirchengemeinden und Organisationen hätten da sehr geholfen, den Druck etwas herauszunehmen.
Auch andere muslimische Gemeinden seien mit der Situation überfordert gewesen, berichtet Özlem Nas. Sie ist Mitglied des Bündnisses der islamischen Gemeinden in Norddeutschland, dem auch die Al-Nour Moschee angehört. Vor allem die vielen ehrenamtlichen Helfer waren irgendwann einfach entkräftet. "Ich war besorgt, dass einige der jüngeren Freiwilligen einen Burnout erleiden würden", so Nas. "Und es ist auch schwierig, immer wieder Geschichten von Krieg und Gewalt zu hören."
Mittlerweile hat sich die Lage etwas beruhigt. Doch die Mitgliederzahlen vieler Moscheen steigen trotzdem weiter an. In der Al-Nour Moschee sind 40 Prozent der Gäubigen Flüchtlinge. Die meisten kommen aus Syrien und dem Irak. Man hätte sogar ein zweites Freitagsgebet einführen müssen, damit auch die neuen Mitglieder daran teilnehmen konnten, erzählt der Vorsitzende Daniel Abdin.
Kaum psychologische Hilfe
Abdilfatah Youssef ist eines der neuen Mitglieder. Der ruhige 28-jährige Geschäftsmann ist mit seiner Frau und zwei Töchtern vor dem Krieg aus Damaskus geflohen. Die Al-Nour Moschee sei für ihn wie ein Zuhause. "Es ist schön zu wissen, dass es einen Ort gibt, an dem man Zuflucht findet, wenn man ein Problem hat oder im Notfall Geld braucht", erzählt er in fast fließendem Deutsch.
Andere wenden sich an die Moschee, weil sie von den grausamen Dingen, die sie erlebt haben, traumatisiert sind. Die Imame bieten zwar Seelsorge, manche Flüchtlinge benötigten aber professionelle Hilfe von Psychologen, erklärt Abid. Özlem Nas fügt hinzu, dass diese Hilfe oft nur schwer zu bekommen sei. In manchen Fällen dauere es bis zu einem Jahr, bis die Flüchtlinge einen Termin erhielten.
Hinzu komme, dass viele Psychologen und Psychiater nur ungern Patienten aufnehmen, deren Sprache oder Kultur sie nicht teilen. Özlem Nas kann auf ein Netzwerk persönlicher Kontakte zurückgreifen. Unter ihnen sind Ärzte und Gesundheitsexperten, die sich um Flüchtlinge kümmern. "Ohne diese Kontakte wäre die Situation sehr schwierig", sagt Nas.
[embed:render:embedded:node:14445]Angst vor wachsender Islamfeindlichkeit
Neben den logistischen Problemen in seiner Moschee, gibt es noch andere Dinge, die Daniel Abdin auf der Seele liegen. Immer wieder muss er Stellung beziehen zu Taten, die Extremisten im Namen des Islam begehen: "Ich habe genug davon, mich jedes Mal verteidigen zu müssen, wenn einer dieser Kriminellen ein Attentat verübt. Sie haben nichts mit dem Islam zu tun." Gerade jetzt, nachdem mehrere brutale Anschläge verübt worden seien, zum Teil auch von Flüchtlingen, sei es noch schlimmer geworden.
Abdin bezeichnet die Täter als "Kriminelle, die unsere Religion missbrauchen". Auch Experten sind sich einig: In den großen und etablierten Moscheen finde eine Radikalisierung so gut wie nie statt, sondern vor allem im Internet oder innerhalb kleiner, geschlossener Gruppen.
Gleichzeitig hat die islamfeindliche Stimmung in Deutschland ein neues Hoch erreicht. Laut einer Umfrage der Universität Bielefeld, die diesen Monat veröffentlicht wurde, glauben mehr als ein Drittel der Befragten, dass Muslime islamistische Terroristen gutheißen würden. Daniel Abdin zuckt mit den Schultern: "Islamfeindlichkeit zu bekämpfen ist harte Arbeit, vor allem, wenn man noch so viele andere Aufgaben hat." Die Al-Nour-Gemeinde sei überfordert, erklärt Abdin. Nicht nur bei der Unterbringung und Integration der Glaubensbrüder- und schwestern.
Naomi Conrad
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