Junge Araber kämpfen für Frauenrechte
Heide Serra von der Hilfsorganisation Amica stellt eine "große Bereitschaft" unter Männern fest, für Frauenrechte, als universelle Menschenrechte, zu kämpfen. Amica arbeitet im libyschen Bengasi zusammen mit der neu gegründeten Frauenrechtsorganisation Nataj zusammen. In deren Fokus stehen alle Probleme, mit denen Frauen im derzeitigen schwierigen Transformationsprozess des Landes konfrontiert sind.
Der 28-jährige Marrwan Gargoum ist ein bekannter libyscher Aktivist und Assistent der Geschäftsführung von Nataj. Er betont, dass Frauen eine wichtige Rolle bei der Revolution im Land gespielt hätten. Im Moment sei das Leben im vom Krieg zerstörten Bengasi sehr schwierig – besonders für Frauen. Aber: "Es gibt eine starke Frauenbewegung in Bengasi, und sie wird jeden Tag größer", erklärte Gargoum auf einer Konferenz am 25. November, dem internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Ausgerichtet wurde sie von Amica in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg.
93 Prozent Ägypterinnen sind Opfer sexueller Gewalt
Auch der Ägypter Mohammed El Khateeb engagiert sich für Frauenrechte. Er arbeitet bei HarassMap mit, einer Freiwilligen-Initiative, die die soziale Akzeptanz von sexueller Belästigung und Gewalt in Ägypten beenden will. "93 Prozent aller Frauen in Ägypten werden Opfer sexueller Belästigung oder Gewalt, und 81 Prozent der Fälle finden in der Öffentlichkeit statt, ohne dass jemand eingreift", berichtet El Khateeb. Die wichtigste Aufgabe besteht seiner Meinung nach darin, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen, das viele Ägypter schlicht leugneten. "Man muss das Problem als solches zunächst wahrnehmen, um es zu bekämpfen", sagt der 23-Jährige. HarassMap hat eine interaktive Landkarte geschaffen, mit deren Hilfe Opfer und Zeugen online über Übergriffe in der Öffentlichkeit berichten können.
Im Zuge des arabischen Frühlings 2011 wollten die Menschen, dass sich in Ägypten etwas verändert, ist El Khateeb überzeugt. "In Kairo gibt es eine aktive Zivilgesellschaft, und Frauen und Männer arbeiten zusammen." Viele Männer lehnten sexuelle Belästigung ab und wollten sie verhindern. Die Ahndung von Sexualstraftaten sei Aufgabe von Polizei und Justiz, sagt El Khateeb. Aber es sei Aufgabe der Gesellschaft, die soziale Akzeptanz zu verändern.
Das Problem begann nicht erst mit ISIS
Annemarie Sancar vom Kompetenzzentrum Friedensförderung (KOFF) der Schweizerischen Friedensstiftung warnt, dass der Schutz von Frauen, wie ihn die Resolution 1325 fordert, auch zum Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit führen könne. "Das würde bedeuten, klein beizugeben." Ihrer Meinung nach ist Prävention wichtig. Die Grundursachen müssten angepackt werden.
In den von der Terrormiliz ISIS kontrollierten Gebieten in Syrien und dem Irak ist Gewalt gegen Frauen besonders weit verbreitet. Die syrische Menschenrechtsanwältin Laila Alodaat weist darauf hin, dass das Problem nicht mit ISIS begonnen habe, sondern Gewalt gegen Frauen in beiden Ländern seit langer Zeit toleriert werde.
Frauen in besonderen Maß gefährdet
In gewaltsamen Konflikten seien Frauen aber in besonderem Maße gefährdet. "In der Regel kämpfen sie nicht, tragen keine Waffen und können sich nicht verteidigen", sagt Alodaat, die für die Women's International League for Peace and Freedom (WILPF) arbeitet. Außerdem seien viele Rechte eingeschränkt, etwa die Bewegungsfreiheit. Auch der Zusammenbruch von Syriens Rechtssystem und Verwaltung hätten große Auswirkungen für Frauen. Alodaat bedauert: "Der bewaffnete Konflikt hat die wenigen Errungenschaften, die die syrischen Frauen seit der Unabhängigkeit erkämpft haben, komplett zunichte gemacht."
Der Psychologe und Orientalist Jan Ilhan Kizilhan berichtet von schrecklichen Gräueltaten gegen die Minderheit der Jesiden im Nordirak: "Frauen werden von ISIS verkauft, versklavt, vergewaltigt und gefoltert." Die Terrormiliz folge einer faschistischen Ideologie, entmenschliche Andersdenkende und begehe einen Völkermord an den Jesiden.
Das Schicksal der Jesiden ist relativ bekannt. Für andere religiöse und ethnische Minderheiten der Region gilt das jedoch nicht. "Es gibt Millionen von Frauen, die ähnlichen Bedrohungen ausgesetzt sind", sagt Alodaat und ruft die Weltgemeinschaft zu verstärkten präventiven Maßnahmen auf.
Katja Dombrowski
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