Fatma Aliye - Pionierin der Frauenbewegung in der Türkei
Als die türkische Notenbank bekannt gab, dass ab 2009 Fatma Aliye auf dem neuen 50-Lira-Geldschein abgebildet wird, gab es Proteste. Die einen meinten, diese Schriftstellerin sei nicht bekannt genug, andere wiederum sahen in der Wahl einen weiteren Schritt in Richtung einer Islamisierung der Türkei durch die Regierungspartei AKP.
Gefreut haben sich hingegen alle, die jenseits von politischen Grabenkämpfen um den Stellenwert von Fatma Aliye als der ersten türkischen Schriftstellerin und wichtigsten Vertreterin der Frauenbewegung im Osmanischen Reich.
Wissbegierig, sprachbegabt und klug
Fatma Aliye war eine bemerkenswerte Frau, wie alle ihre Biografen hervorheben. Sie ragte in der Geschichte des Osmanischen Reiches in vielem heraus: Sie war die erste Übersetzerin, die erste Kolumnistin, die erste Schriftstellerin, die erste Philosophin und das erste weibliche Mitglied in einer Hilfsorganisation.
Als Tochter eines hochrangigen Politikers und Wissenschaftlers kam Fatma Aliye 1862 in Istanbul zur Welt. Sie wuchs in einem großbürgerlichen Elternhaus auf und erhielt Privatunterricht. Ihr Vater förderte die Talente seiner Tochter sehr, da er früh erkannte, dass sie nicht nur sehr wissbegierig und sprachbegabt, sondern auch sehr klug war.
Fatma Aliye lernte Arabisch und Französisch, widmete sich wissenschaftlichen und philosophischen Fragen und beschäftigte sich mit dem Platz der muslimischen Frau in der osmanischen Gesellschaft. Sie befand: Mit dem Koran sei der Stellenwert der Frauen nicht begründbar, es seien die Männer, die mit ihren Auslegungen der heiligen Schrift den Frauen die Freiheit raubten.
Vorkämpferin für Frauenrechte
Was vor allem feministische Literaturwissenschaftlerinnen betonen: Fatma Aliye war die erste türkische Autorin, die in ihren Werken das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der muslimischen Gesellschaft thematisierte und vor allem auch kritisierte.
Um Fatma Aliye als Vorkämpferin für Frauenrechte einordnen zu können, muss sie jedoch im Kontext ihrer Zeit bewertet werden. Im zu Ende gehenden Osmanischen Reich gab es zwei Lager: die Traditionalisten und die "Erneuerer", die sich am Westen und einem "europäischen Lebensstil" orientierten. Fatma Aliye war ein Kind der osmanisch-großbürgerlichen Gesellschaft und trat für Frauenrechte ein, aber ohne ganz mit den Traditionen brechen zu wollen.
Als 17-Jährige wurde Fatma Aliye mit einem knapp zehn Jahre älteren, ihr aber intellektuell unterlegenen Mann verheiratet. Weil er ihr das Lesen verbot und ihre Bücher zerriss, widmete sie sich heimlich ihrer Leidenschaft. Sie ging in ihrer Ehe aber auch strategisch vor, erkämpfte sich schließlich ihre Freiräume und konnte sich der Literatur widmen. Ihre erste Arbeit - die Übersetzung eines Romans aus dem Französischen - veröffentlichte sie anonym. Sie unterzeichnete mit "Eine Frau".
Fünf Romane in knapp 20 Jahren
Der renommierte Schriftsteller Ahmet Mithat Efendi wurde auf sie aufmerksam und schon bald auch ihr Mentor. Mit ihm schrieb sie "Hayal ve Hakikat - Traum und Wirklichkeit", verschwieg aber auch bei der Veröffentlichung ihre Autorenschaft - bei allen folgenden Büchern und Artikeln aber nicht mehr.
Fatma Aliye schrieb regelmäßig für "Kadınlara mahsus gazete" - der Zeitung für Frauen, die von 1895 bis 1908 ohne Unterbrechung erschien; sie veröffentlichte fünf Romane und mehrere Abhandlungen, darunter 1892 eine Schrift über muslimische Frauen, mit der sie Reisenden aus Europa Einblicke in das Leben der Musliminnen im Osmanischen Reich geben wollte. Das Buch wurde ins Französische und Arabische übersetzt.
Fatma Aliyes erster, unter eigenem Namen veröffentlichter Roman erschien 1892 und ihr letzter Roman knapp 20 Jahre später, nämlich 1910.
Zu Unrecht in Vergessenheit geraten
In ihren Büchern kritisierte sie die Polygamie, verglich arrangierte Ehen mit Liebesheiraten, schilderte die Entsagungen von Frauen und sendete immer wieder die Botschaft, dass Bildung für eine Frau wichtig ist, damit sie ökonomisch unabhängig und selbstbestimmt leben kann.
Zu den Abhandlungen, die Fatma Aliye verfasste, zählt unter anderem „Osmanlıda Kadın: Cariyelik, Çokeşlilik, Moda“, auf Deutsch: "Frauen bei den Osmanen – über Konkubinat, Polygamie, Mode". In diesem Buch beschreibt sie das Leben von Frauen im Osmanischen Reich – mit der Absicht, die Vorstellungen der Reisenden aus Europa zu korrigieren. Auf der Weltausstellung in Chicago in 1893 wurden Werke von ihr im Katalog der Frauenliteratur aufgelistet.
Fatma Aliye starb 1936. In den letzten beiden Jahrzehnten vor ihrem Tod lebte sie verarmt und zurückgezogen. Die Vorkämpferin für Frauenrechte geriet - sehr zu Unrecht - in Vergessenheit. Wer die Frau ist, die auf der 50-Lira-Banknote abgebildet ist, wissen heute selbst in der Türkei nur wenige.
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