Welche Hoffnungen kann Rohani erfüllen?
Während die Weltmächte in Genf zusammenkommen, um Atomgespräche mit Iran aufzunehmen, harrt die Welt der weiteren Entwicklungen aus dem Telefonat zwischen dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani und US-Präsident Barack Obama.
Das kurze Gespräch im Anschluss an Rohanis Besuch der UN-Vollversammlung im vergangenen Monat – das erste zwischen den Präsidenten der beiden Länder seit 1979 – erinnert an den letzten Versuch, die bilaterale Diplomatie wiederzubeleben, der vor zwölf Jahren vom damaligen iranischen Präsidenten Mohammed Khatami unternommen wurde. In beiden Fällen war der fehlende Händedruck das Symbol für die Kluft, die zwischen den Ländern besteht.
Damals waren Khatami und Außenminister Kamal Kharazzi "einkaufen gegangen", anstatt eine kulturelle Veranstaltung der "Asia Society" zu besuchen und das Risiko einzugehen, US-Außenministerin Madeleine Albright über den Weg zu laufen – und Hände zu schütteln.
Für eine Politik der "Mäßigung und Vernunft"
Einen Händedruck der Präsidenten bei den Vereinten Nationen hat Iran zwar vermieden, doch dieses Mal hat Rohani eine wichtige Rede bei der "Asia Society" gehalten, in der er versicherte, dass seine Regierung eine Politik der "Mäßigung und Vernunft" verfolgen werde und bereit sei, gemeinsam mit dem Westen an einer Klärung der Fragen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm zu arbeiten.
Zudem ist es bei einer formellen Sitzung mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zur Koordination der bevorstehenden Nuklearverhandlungen in Genf zu einem Händedruck der beiden Außenminister der Länder, John Kerry und Dschawad Sarif, gekommen. Bei einem Zweiergespräch am Rande der Sitzung schüttelten sich beide erneut die Hand.
Was also hat sich verändert? Damals hatte es der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, Khatami verboten, mit den Amerikanern zu sprechen. Im Gegensatz dazu ist Rohani mit dem Segen Khameneis vorgegangen.
Khamenei, der damit beschäftigt ist den Schaden zu beheben, den seine Billigung der manipulierten Wiederwahl des ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2009 verursacht hat, war bereit den Wahlsieg von Rohani im Juni, einem konservativen Reformer, der sein Vertrauen genießt, zu akzeptieren.
Er muss kalkuliert haben, dass der neue Präsident die Konsequenzen des unberechenbaren außenpolitischen Auftretens und des wirtschaftlichen Missmanagements von Ahmadinedschad würde mildern müssen, das ebenso sehr zum Zusammenbruch der iranischen Wirtschaft beigetragen hat wie die unter Führung der USA verhängten internationalen Sanktionen.
Zaghafter Weg der Annäherung
Es hat schon früher Versuche gegeben, die Beziehungen zu den Amerikanern zu verbessern. Akbar Haschemi Rafsandschani, der nach dem Tod von Ajatollah Ruhollah Khomeini 1989 zum iranischen Staatspräsidenten gewählt wurde, hatte sich um eine solche Verbesserung bemüht. Im Jahr 1995 hat er den Wunsch einer Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen deutlich signalisiert.
Die Regierung von Präsident Bill Clinton hat die Angebote ignoriert und es dem US-Kongress überlassen, die Initiative zu ergreifen. Die Reaktion des Kongresses bestand in der einstimmigen Verabschiedung des Gesetzes zu Sanktionen gegen Iran und Libyen, dem Iran and Libya Sanctions Act von 1996.
Rafsandschani hatte gegenüber Khamenei, der gerade erst zum Nachfolger von Khomeini als Revolutionsführer erwählt worden war, eine weitaus stärkere Position als alle späteren iranischen Präsidenten. Sein Problem waren mächtige Gegenspieler im iranischen Sicherheitsapparat, die seine pragmatischen außenpolitischen Initiativen sabotierten, indem sie Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und Argentinien arrangierten.
Khatamis Vorschlag aus dem Jahr 2000, einen "Dialog der Zivilisationen" zu führen, war der Versuch der Mauer des Misstrauens, wie er es nannte, die den Iran und die USA weiterhin trennte, einen Sprung beizubringen. Erst im letzten Jahr seiner zweiten Amtszeit hat Clinton sich ernsthaft bemüht, auf Khatami einzugehen. Doch Khatami mangelte es an Unterstützung von Khamenei, der seine Reformen entschieden ablehnte.
Iran als Teil einer "Achse des Bösen"
Die aggressive Rhetorik von Clintons Nachfolger George W. Bush, der Iran im Vorfeld der US-geführten Invasion in den Irak als Teil einer "Achse des Bösen" bezeichnete, weckte Bedenken bei Khamenei und veranlasste ihn, im Jahr 2003 eine Initiative für einen Dialog mit den Amerikanern zu befürworten.
Die Regierung Bush, die vollauf mit dem Gedanken an einen Regimewechsel beschäftigt war, ignorierte diese Initiative und lehnte das "Pariser Abkommen" über Atomenergie ab, das Rohani, der damals als Khameneis Chefunterhändler und Vorsitzender des iranischen Nationalen Sicherheitsrates fungierte, mit der EU-Troika im November 2004 in Paris ausgehandelt hatte. Die formelle Ablehnung des Nuklearabkommens zwischen Iran und der EU im Februar 2005 war ein unbeabsichtigtes Geschenk für die Hardliner in Iran, angeführt von Ahmadinedschad.
Die Rückkehr von Hardlinern, nachdem Gemäßigte die Oberhand erlangen, ist ein wenig verstandenes, aber recht typisches Merkmal von Revolutionen des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Wahl von Ahmadinedschad 2005 war ein Rückgriff auf den Populismus von Khomeinis Islamischer Revolution und seinem Kult um revolutionäre Märtyrer. Die damit verbundene aggressive Außenpolitik und Entschlossenheit an der Urananreicherung festzuhalten, hat bei EU-Verhandlungsführern wiederholt für Frustration gesorgt und internationale Staats- und Regierungschefs gezwungen, sich den von den USA verhängten lähmenden Sanktionen anzuschließen.
Es besteht kein Zweifel daran, dass sich der neue Präsident des Iran, der "heroische Flexibilität" in den Verhandlungen versprochen hat, vor seiner Reise in die USA mit Obamas Brief an Khamenei befasst hat. Mit Khameneis Unterstützung wird Rohani in der Lage sein, aufsässige Kräfte im iranischen Machtgefüge auf eine Art und Weise im Zaum zu halten, die seinen pragmatischen Vorgängern, Rafsandschani und Khatami, verwehrt war. Mehr als jeder andere iranische Präsident seit 1979 kann Rohani seinen Teil der Vereinbarung erfüllen – sofern es zu einer Vereinbarung kommt.
Said Amir Arjomand
© Project Syndicate 2013
Aus dem Englischen von Sandra Pontow
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de