Arabische Frauen müssen Opfer sein
"Wut", "Frustration", "orientalistisch", "Fehlinterpretation" … das sind nur einige wenige Begriffe, die einige arabische Frauen verwendeten, um einen kürzlich erschienenen Artikel von Mona Eltahawy mit dem Titel "Warum sie uns hassen", zu kommentieren. In diesem Beitrag vertritt Eltahawy den Standpunkt, arabische Frauen stünden unter einer Art "Belagerung" der Männer im Nahen Osten.
Sowohl der Inhalt des Artikels als auch die Illustrationen von nackten verschleierten Frauen verärgerten viele Intellektuelle. "Ich sehe den Artikel als Bestätigung für die Sichtweise wütender weißer Männer, die helfen wollen, uns arabische Frauen 'zu retten'", meint Zainab, eine junge Studentin und Frauenrechtlerin aus Tunesien. "Normalerweise denke ich, dass Beiträge Mona Eltahawys meist zutreffend sind, aber dieser Artikel sagt viel über ihren Hass auf den Islam aus und über die Absicht, arabische Frauen stets als Opfer darzustellen."
Der Islam als der "Buhmann"
Zainab argumentiert, dass die Art und Weise, wie der Artikel formuliert wurde, im Kern problematisch ist. Sie glaubt außerdem, dass dadurch das der Islam zum "Buhmann" erklärt wird, dem westlichen Publikum vermittelt wird, dass "wir Frauen in der arabischen Welt in hohem Maße leiden und dass sie etwas unternehmen müssen, um uns vor den schrecklichen Männern zu befreien, die uns hassen".
Für sie kommt dies einer inakzeptablen Charakterisierung aller arabischen Frauen gleich. Zainab wendet ein, dass Generalisierungen, dass angeblich alle arabischen Frauen leiden, unzulässig seien. "Es ist unmöglich und unverantwortlich, eine solche Behauptung aufzustellen", sagt sie.
Andere, die Eltahawy kritisieren, verweisen auf den Libanon, Marokko und Tunesien als Beispielländer, wo sich die Lage der Frauenrechte in den letzten Jahren verbessert hat. "Es gibt schlicht und einfach keine Verallgemeinerung, die sich auf alle arabischen Frauen anwenden lässt", meint auch Dalia Ziada, eine führende Frauenrechtsaktivistin und Kommentatorin in Kairo. "Frauenrechte sind wichtig. Wir müssen deshalb auch weiterhin dafür kämpfen, aber es gibt keine einheitliche Schlussfolgerung, die sich auf die Situation aller Frauen in der Region übertragen lässt."
Eine giftige Mischung aus Kultur und Religion
Eltahawys wütender Artikel sprach vielen westlichen Frauen dagegen aus der Seele, die den Artikel als eine zutreffende Charakterisierung des Kampfes für Frauenrechte im Nahen Osten sehen. "Es ist ein wichtiges Zeugnis einer Frau, die selbst unter den Attacken von Männern in Ägypten zu leiden hatte", erklärte eine in Kairo lebende ausländische Journalistin. "Frauen sind in Ägypten schlechter gestellt. Die Autorin kämpft berechtigterweise dagegen an und bindet die Situation in einen größeren Zusammenhang", fügt sie hinzu.
In ihrem Artikel schreibt Eltahawy: "Nenne mir ein arabisches Land, und ich präsentiere dir eine Liste von Misshandlungen, getränkt in einer giftigen Mischung aus Kultur und Religion. Viele wollen sich jedoch damit nicht auseinandersetzen, um nicht wegen Gotteslästerung am Pranger zu stehen."
Einige Kommentatoren, die auf ihren Artikel Bezug nehmen, weisen allerdings auf fehlerhafte Hypothesen hin. "Sie positioniert sich in erster Linie als Feministin. Deswegen bin ich so beunruhigt über ihre Ansichten, die sie in diesem Essay zum Ausdruck bringt", beginnt Mona Kareem ihre Stellungnahme, die auf Al-Monitor.com veröffentlicht wurde.
"Die Tatsache, dass Eltahawy das Niqab-Verbot unterstützt, signalisiert ihre tendenziöse Positionierung: Sie ist eine liberale, arabische Amerikanerin, weshalb ich sie als "anglophone Feministin" bezeichnen würde", fährt Kareem fort.
Für viele Kritiker Eltahawys ist das größte Problem mit dem Artikel nicht, dass die Autorin zwar wichtige Punkte thematisiert, die in der Öffentlichkeit auch angesprochen werden müssen. Gewiss müssten einige gravierende Fälle in punkto Frauenrechte in Ägypten diskutiert werden. Es seien vielmehr Tonfall und Wortwahl, die sich in der zweiten Hälfte des Artikels veränderten und für Irritationen sorgten, so die Kritik.
Von muslimischen Männern und Islamisten
So ist in Eltahawys Beitrag anfänglich von "arabischen Männern" die Rede, dann wechselt sie zu "muslimischen Männern" und schließlich zu "Islamisten". Nach Ansicht einiger arabischer Frauen beinhaltet diese Botschaft, dass der Islam die Schuld für alle Leiden der Frauen in der arabischen Welt trägt.
Heba Radwan, eine 20-jährige Frauenrechtsaktivistin und Studentin an der Cairo University, ist der Ansicht, dass dies in Ägypten realitätsfern sei. "Dabei sollte es Mona Eltahawy besser wissen. Die Zusammenhänge wirken konstruiert. Wenn in Ägypten Frauen belästigt werden, dann nicht von den Islamisten oder der Muslimbruderschaft, sondern in erster Linie von jungen Menschen – ob Muslime oder Christen. Zu behaupten, der Islam sei der ausschließliche Grund für die Probleme arabischer Frauen, ist verletzend und falsch", so Radwan.
Für Zainab besteht der Kern des Problems darin, dass Eltahawy "nicht für alle arabischen Frauen sprechen kann. Sie lebt nicht in der Region und ist heute eher Amerikanerin. Ich fühle nichts Verbindendes wie es einmal war und ihr Gebaren als Fürsprecherin für mich als arabische Frau ist frustrierend."
Kareem stimmt dem zu: "Das Essay ist stereotyp, wenn es auf Verallgemeinerungen und Klischees von arabischen Männern aufbaut, um einen Standpunkt zu formulieren. Eltahawy sagt: 'Sie hassen uns und wir müssen das zugeben!' Dann listet sie mehr als drei Seiten jüngster Verletzungen von Frauenrechten in der arabischen Welt auf. Worum es hier geht, ist nicht, ob Frauen in der arabischen Welt diskriminiert werden – diese Tatsache wird höchstens noch von einigen verrückten Islamisten abgestritten –, sondern darum, warum alle diese Vergehen angeblich aus reinem Hass resultieren, wie Eltahawy suggeriert."
Dialog sei der Schlüssel zur Zukunft der Frauenrechte in der arabischen Welt, meint Ziada. Und trotz der wütenden und pessimistischen Botschaft Eltahawys hofft sie, dass dieser Dialog zumindest einen wichtigen Ansatzpunkt für die arabische Frauen und die westliche Welt bilden kann.
Joseph Mayton
© Qantara.de 2012
Aus dem Englischen von Fabian Schmidmeier
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de