Ein Meister der zeitgenössischen iranischen Dichtung
Mohammad-Ali Sepanlou war einer der ersten und wichtigsten Vertreter des iranischen Schriftstellerverbandes. Welchen Stellenwert nahm er für diese zivilgesellschaftliche Organisation ein?
Mahmood Falaki: Sepanlou gehörte in der Tat zu den ersten Personen, die bei der Gründung und den meisten Aktivitäten der Vereinigung beteiligt waren. Er hat sowohl bei der Zusammenstellung der Grundsätze und Aktivitäten der Vereinigung als auch nach den Ereignissen infolge der Revolution eine große Rolle gespielt. Sepanlou hat sich schon immer für die Meinungs- und Pressefreiheit eingesetzt – vor allem im Bereich der Meinungsfreiheit war er sehr aktiv. Bis zu seinem Tod war er eng verbunden mit dem Schriftstellerverband.
Wir kennen Sepanlou aber vor allem als Dichter. Ich denke, wenn er sich ausschließlich mit Literaturkritiken, Forschungen, Übersetzungen und sogar mit dem Schauspiel beschäftigt hätte, wäre er nicht so bekannt geworden. Er ist vielmehr ein Dichter als ein Autor oder Übersetzer.
In wieweit ist es wirklich angemessen, ihn als "Dichter Teherans" zu bezeichnen und was war der Grund hierfür?
Falaki: Ihm wurde dieser Titel nach der Veröffentlichung seiner drei Gedichtsammlungen zuteil, die sich allesamt mit der iranischen Hauptstadt befassen. Eines der bekanntesten ist das Gedicht "Frau Zeit". Aber um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob dieser Titel wirklich angebracht ist. Sepanlou befasste sich in diesen drei Gedichtsammlungen, vor allem in "Frau Zeit", mit der Historie und Gegenwart Teherans, mit einer Stadt, die ihm sehr am Herzen lag. In den Gedichten versuchte er, Gegenwart und Vergangenheit ineinander fließen zu lassen.
Wenn wir ihn "Dichter Teherans" nennen, kann es gut sein, dass man annimmt, Sepanlou hätte lediglich ein gewöhnliches Gedicht über seine Heimatstadt oder über die Geschichte Teherans geschrieben. Diese Assoziation würde jedoch seine Gedichte herabsetzen, ja fast schon wertlos erscheinen lassen. Sepanlou hat mit seinen Gedichtsammlungen ja nicht nur Historisches über Teheran geschrieben, sondern auch eine meisterhafte Poesie verfasst.
Worin liegen Ihrer Ansicht nach die Unterschiede und Besonderheiten seiner Dichtung?
Falaki: Eine Besonderheit seiner Dichtung liegt vor allem darin begründet, dass er – im Gegensatz zu vielen seiner anderen Kollegen – das sogenannte Nimai-Versmaß seiner Generation fortgesetzt hat. Ich glaube, dass er einer der letzten Dichter dieses Versmaß-Genres ist. Und je mehr er schrieb, desto besser und flüssiger lasen sich auch seine Gedichte. Auch die Einfachheit der Sprache gehört zu seinem ganz eigenen Stil.
In den vergangenen Jahren wurde Sepanlou häufig mit der Zensur seiner Arbeit konfrontiert. Für manche seiner Werke erhielt er sogar keine Druckerlaubnis. In einem Interview beklagte er sich hierüber und sagte, dass er erwäge, mit dem Schreiben ganz aufzuhören. Inwiefern hat die Zensur Sepanlous Arbeit nachhaltig beeinflusst?
Falaki: Sepanlou gehörte auf jeden Fall zu den Personen, die der Zensur ausgesetzt waren und unter ihr zu leiden hatten. Manche seiner Werke wurde entweder gar nicht gedruckt oder – falls doch – nur in stark zensierter Form. Sepanlou ist gewiss kein Einzelfall, viele Schriftsteller im Iran werden mit der Zensur konfrontiert. Doch soweit ich weiß, hat Sepanlou nie wirklich aufgegeben. Manche Werke von ihm wurden im Ausland gedruckt, um die Zensur zu umgehen – eine Methode, auf die übrigens auch andere iranische Autoren zurückgreifen. Und das ganz gut funktioniert. Es existieren übrigens noch einige Arbeiten Sepanlous, die er zwar geschrieben hat, jedoch bis heute noch nicht gedruckt worden sind.
© Qantara.de 2015
Das Interview führte Mitra Khalatbari.
Übersetzt aus dem Persischen von Shohreh Karimian