Diplomatischer Erfolg für den Kronprinzen
Beim Treffen in der saudischen Hafenstadt Dschidda saßen nicht nur die üblichen Verdächtigen am Tisch. Vertreter von 40 Ländern waren am Wochenende zur Ukraine-Konferenz zusammengekommen.
Zwar kam von den Kriegsparteien nur die Ukraine und Russland ist ferngeblieben. Doch die Bedeutung der Gespräche in Dschidda liegt weniger im Ergebnis, sondern darin, wer sich hier erstmals in Sachen Ukraine-Krieg getroffen hat. Denn in Dschidda redeten eben nicht nur die Ukrainer und deren Unterstützer, die Europäer, die USA und Kanada miteinander.
Auch die Schwergewichte des globalen Südens saßen mit am Tisch: Indien, Brasilien und Südafrika. Dass in allerletzter Minute auch noch China dazukam, war schon der größte Erfolg dieser Konferenz.
Das zumindest in der Öffentlichkeit verkündete Ergebnis bleibt allerdings wenig spektakulär. Es gab keine Abschlusserklärung. Es heißt lediglich inoffiziell, die Teilnehmer hätten sich auf eine Nachfolgekonferenz geeinigt. Die genauen Umstände und der Zeitpunkt würden noch von Saudi-Arabien verkündet.
Auf der Konferenz hatte die ukrainische Delegation ihren Friedensplan präsentiert, der die Forderung einer Rückkehr zur territorialen Integrität des Landes und eines vollständigen Rückzugs russischer Truppen enthält. Forderungen, die in Saudi-Arabien einem globaleren Realitätscheck unterzogen wurden.
Saudi-Arabiens neue Rolle
Wie dieser Realitätscheck genau ausgegangen ist, blieb unklar. Lediglich die Worte "fruchtbar“ und "positiv“ waren den Teilnehmern im Anschluss an die Konferenz zu entlocken, auch einem EU-Vertreter. China legte Wert darauf zu betonen, dass es nicht gekommen sei, um dem ukrainischen Friedensplan seinen Segen zu erteilen, sondern um zuzuhören und mitzudiskutieren.
Dass die Teilnehmer von einer Folgekonferenz sprechen, bedeutet, dass hinter den Kulissen offensichtlich genug Schnittmengen für weitere Beratungen gefunden wurden. Dort soll es dann Arbeitsgruppen geben, etwa zum Thema Nahrungsmittelsicherheit, ein für den globalen Süden wichtiges Thema, auch zu nuklearer Sicherheit und einem möglichen Gefangenenaustausch, wie ein EU-Vertreter erklärte.
Für Saudi-Arabien war es sicherlich auch eine Image-Veranstaltung. Der De-facto-Machthaber des Landes, Kronprinz Mohammad Bin Salman, galt wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Kashoggi im Jahr 2018 bis vor kurzem noch als internationaler Paria. Nun sind diese Zeiten vorbei und seitdem haben alle europäischen Staaten und auch die USA in Saudi-Arabien bereits wieder die Klinken geputzt. Aber Saudi-Arabien geht es inzwischen um mehr.
Es ist bereits ein wichtiger regionaler Player und ist auch in letzter Zeit bei anderen Konflikten immer wieder als Vermittler aufgetreten, etwa jüngst im Krieg im Sudan, wenngleich ohne Erfolg. Saudi-Arabien war dieses Jahr bereits Gastgeber des Gipfeltreffens der Arabischen Liga, bei dem auch der ukrainische Präsident Selenskyj als Sondergast auftrat.
Eine Tür zu Russland
Selenskyjs Auftritt war ein erster Hinweis, dass sich Kronprinz Bin Salman mehr in Sachen Ukraine-Krieg engagieren will. Jetzt möchte sich das Land, von dessen Öl (und seinen Preisen) die ganze Welt abhängt, als globaler politischer Player und als Vermittler in Krisen und Konflikten etablieren.
Dass sich Europa und die USA auf diese Rolle der Saudis eingelassen haben, hat mehrere Gründe. Man hofft, Saudi-Arabien mehr in das westliche Bündnis für die Ukraine einzubinden und aus Riad klarere Aussagen gegen Russlands Aggression zu bekommen. Außerdem sieht man, dass Saudi-Arabien durchaus auch eine indirekte Tür zu Russland darstellt und sich daher für eine Vermittlerrolle anbietet.
Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren seine Beziehungen zu Russland ausgebaut, wohl in der Erkenntnis, dass es nicht mehr klug ist, sich einzig und allein, vor allem in der Sicherheitspolitik, auf Washington zu verlassen, das sich langsam aus dem Nahen Osten zurückzieht.
Dann sind da noch die gemeinsamen Interessen mit Russland, wenn es um das schwarze Gold geht. Beide erdölproduzierenden Länder sind Mitglieder der sogenannte OPEC+ Gruppe. Dazu kommen die Beziehungen zu Peking, die Riad in den letzten Jahren immer mehr ausgebaut hatte.
Gute Beziehungen zu allen Seiten
Auch ein Deal der regionalen Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien im März, bei dem beide beschlossen haben, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen und in den jeweiligen Ländern wieder Botschaften zu eröffnen, ging auf chinesische Vermittlung zurück. Gute Beziehungen zu den USA, Russland und China sind dieser Tage Mangelware. Noch ein Grund, warum Saudi-Arabien diese Rolle einnehmen kann.
Doch im Treffen von Dschidda steckte mehr als die mögliche Hoffnung auf Saudi-Arabien als Vermittler, es war auch weit mehr als eine saudische PR-Veranstaltung.
Es war die Anerkennung, dass der Krieg zwar in Europa stattfindet und an den Grenzen der NATO, und damit auch der USA, aber dass Verhandlungen zum Ende des Krieges eine globalere Formel brauchen, an der auch Länder wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika mitwirken und sogar mehr erreichen können.
Das Treffen in Dschidda war dabei so etwas wie ein Testballon. Entscheidendes zur Beendigung des Krieges in der Ukraine ist dabei sicherlich nicht herausgekommen. Aber man hat beschlossen, weiterzumachen, wenngleich es mühsam bleibt. Eines wurde mit dem Treffen in Saudi-Arabien auf jeden Fall erreicht: Bei der Suche nach einem Ende des Krieges in der Ukraine wird jetzt auf einen weiter gesteckten globalen Rahmen gesetzt.
© Qantara.de