Zurück zur Ära Chomeini?

Seit Ende letzten Jahres ist im staatlichen iranischen Rundfunk die Ausstrahlung westlicher Musik untersagt. Doch wo genau verläuft die Linie zwischen erlaubten und verbotenen Klängen?

Von Arian Fariborz

​​Der als erzkonservativ bekannte iranische Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad ist derzeit bemüht, den Einfluss westlicher Kultur im Iran zurückzudrängen.

Vor wenigen Monaten beschloss der Kulturrat, der so genannte "Oberste Rat der Islamischen Kulturrevolution", auf seine Weisung hin ein Importverbot ausländischer Filme, die Gewalt und unethisches Verhalten zeigten.

Mitte Dezember folgte dann ein weiteres Dekret, das dem staatlichen Rundfunk die Ausstrahlung westlicher Musik untersagte. Begründung: Diese sei "dekadent" und "unmoralisch".

Religiöse Gesänge, Koranrezitationen und Trauerrituale sind in der Islamischen Republik zwar bereits seit Jahrzehnten fester Bestandteil des staatlichen Rundfunks. Doch das geht Irans Präsident Mahmoud Ahamdinedschad offenbar nicht weit genug: Künftig solle der Akzent ausschließlich auf traditionelle und - so wörtlich - "entspannende" Musik gelegt werden, wobei auch Lieder aus der Zeit der Islamischen Revolution von 1979 willkommen seien.

Kulturpolitische Wende befürchtet

Für die staatlichen Sender ist dieses Gesetz mit einer deutlichen Umstellung verbunden: Denn seit der Regierungszeit des früheren Präsidenten Mohammed Khatami hatte auch europäische Klassik, Folk-Musik, ja sogar HipHop, in viele Musikprogramme Einzug gehalten – auch wenn es sich dabei nur um instrumentelle Stücke in Form von Hintergrund- oder Pausenmusik handelte.

Doch diesem Trend will Irans Hardliner Ahmadinedschad nun ein Ende setzen – eine kulturpolitische Wende, mit der er ein klares Signal für alle Musiker, Journalisten und Künstler setzt, meint Massoud Ma'fan, Chefredakteur und Herausgeber der persischen Kulturzeitschrift "Baran":

"Die neue Regierung Irans versucht alles, um wieder zu der Zeit der Revolution von 1979 zurückzukehren", so Ma'fan. "Schon immer waren den Machthabern Säkularismus, Feminismus und wesliche Kunst ein Dorn im Auge. Aber es gelang ihnen nie, das kulturelle und intellektuelle Leben im Iran zu ersticken. Und so wird es ihnen auch dieses Mal nicht gelingen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen."

Er befürchtet jedoch, dass das Gesetz Unsicherheit und Passivität bei vielen Musikern auslösen wird. Viele seien die ständige Auseinandersetzung mit den Behörden inzwischen auch leid, weshalb viele den Iran verlassen wollen.

Westlicher Musikboom trotz Verbote

Zwar haben die Verbote zur Ausstrahlung westlicher Musik nur Folgen für den ohnehin staatskonformen Rundfunk. Jedoch befürchten viele unabhängige Kulturschaffende im Iran, dass die Gesetze noch weiter reichende Konsequenzen haben könnten, um womöglich irgendwann auch den privaten Konsum verbotener iranischer oder westlicher Musik zu unterbinden oder zumindest drastisch einzuschränken.

Kein Wunder, denn in den vergangenen Jahrzehnten erlebten Klassik, Jazz, Pop und Rockmusik via Internet und Satellitenfernsehen trotz der rigiden Verbote einen wahren Boom in der Islamischen Republik.

Musik-CDs und Videos werden bis heute illegal kopiert und unter der Ladentheke gehandelt. Vor allem in der liberalen Ära Khatamis hat sich der Musikmarkt im Iran noch weiter geöffnet und sogar eine vitale persische Rock- und Popszene entstehen lassen.

Doch bis heute fristen viele unabhängige Musiker ein Schattendasein im Untergrund – gilt ihre Musik den Mullahs doch als "unmoralisch" und als "westliches Teufelszeug".

Strenge Kontrollen

Das Ministerium für Kultur und islamische Führung ("Ershad") beobachtet seit Jahrzehnten mit Argusaugen die Musikszene im Iran. Dabei sind ihre Entscheidungen, welche Musik erlaubt und welche verboten ist, meist willkürlich und nicht nachvollziehbar, berichtet die iranische Sängerin Mahsa:

"Die Schwierigkeiten, denen nicht nur Musikerinnen, sondern Künstler allgemein ausgesetzt sind, sind gewaltig. Konzerte müssen auf jeden Fall vom "Ershad"-Ministerium genehmigt werden", so Mahsa. Auch sei eine behördliche Registrierung notwendig.

"In keinem demokratischen Land der Welt braucht ein Musiker eine solche staatliche Erlaubnis", sagt Mahsa. Ich habe oft erlebt, dass bis zum letzten Moment nicht klar war, ob die Band auf die Bühne gehen durfte."

In diesem Klima der Kontrolle und permanenten Gängelung durch die islamischen Tugendwächter verfehlen Ahmadinedschads neuerliche Musikverbote ihre Wirkung nicht.

Seine Anknüpfung an den kulturpolitischen Radikalismus der Khomeini-Ära hat bereits im letzten Monat den Leiter und Dirigenten des Teheraner Symphonie-Orchesters, Ali Rahbari, dazu veranlasst, den Taktstock beiseite zu legen und sein Land zu verlassen.

Arian Fariborz

© Qantara.de 2006

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