''Es ist, wie im Gefängnis zu sein''
Das Publikum wartet gespannt auf den weltberühmten Musiker Yacouba Sissoko, der gerade mit seiner Kora, einem traditionellen harfenähnlichen Instrument, die Bühne im Pili Pili Club in Bamako betritt.
Die Bar im Herzen der malischen Hauptstadt Bamako ist nicht nur für seine afrikanische Küche bekannt, sondern auch für die Auftritte der bekanntesten Musiker des Landes. Doch jetzt, da militante Rebellen den Norden des Landes noch zum Teil besetzt halten, wird die Musik stark zensiert.
Rigide Regeln im Norden
Zouzou, ein Sänger aus Gao im Norden, ist einer der vielen Musiker, die nach Bamako in den Süden des Landes geflohen sind, nachdem im letzten Frühjahr die mit der Al-Qaida verbündeten Milizen die Kontrolle über Nordmali übernommen hatten.
Die Islamisten verbieten jede Form von Musik - sogar Klingeltöne für Mobiltelefone. "Ich fühle mich sehr schlecht. Meine Eltern sind noch im Norden und leiden. Und die Musik leidet auch", erzählt Zouzou.
Die Milizen haben Verbindungen zu kriminellen Banden, Drogenhändlern und Waffenschmugglern. Sie werden von religiösem Eifer angetrieben. In dem von den Islamisten beherrschten Regionen werden extreme Formen der Scharia angewandt, darunter auch die Bestrafungsformen der Steinigungen und Amputationen. Die Islamisten zerstörten Gräber, historisch einzigartige Lehm-Moscheen und UN-Weltkulturerbe-Stätten, weil sie diese für anti-islamisch halten.
Zudem erließen sie offizielle Dekrete, die jede westliche Musik verbieten. "Es ist wie im Gefängnis, ohne Freiheit. Aber man braucht Freiheit, um sich wie ein Mensch zu fühlen", sagt Zouzou.
Musikverbote und Todesdrohungen
Nach den Musikverboten bekamen Musiker immer häufiger Todesdrohungen. Das bedeutete auch das Aus für das berühmte "Festival au Désert", das Festival in der Wüste, das seit 2001 jedes Jahr in der Nähe von Timbuktu stattgefunden hat. "Darüber sind wir wirklich traurig", sagt Festival-Organisator Manny Ansar. "Wir hatten begonnen, etwas Wichtiges für Timbuktu, für ganz Mali aufzubauen. Dass es nun gestoppt wurde, ist wirklich schlimm."
Ansar stammt aus einer Familie nomadischer Hirten, die in den riesigen Dünen nördlich von Timbuktu leben. Auch er hat Todesdrohungen erhalten und kann nicht nach Hause zurückkehren. Dennoch gibt er nicht auf und wird das Festival weiter organisieren - an einem anderen Ort unter anderem Namen: "Festival au désert en exil", also das Festival in der Wüste im Exil.
Im Februar reisen zwei Karawanen mit Künstlern durch Westafrika, geben Konzerte und treffen sich schließlich zu einem dreitägigen Finale in Burkina Faso. "Wir können nicht mit Waffen gegen sie kämpfen", sagt Ansar. "Für mich ist der einzige Weg, mit Kultur und Musik zu kämpfen."
Zurück im Pili Pili Club. Amkoullel geht zum Mikrofon. Er gehört zur neuen Generation junger Rapper in Mali, die traditionelle Instrumente, wie die Kora oder die Djembe, eine lederbespannte Trommel, zu modernen Rhythmen und Texten einsetzen.
Der 33-Jährige war der erste Rapper, der vor zwei Jahren beim Festival in der Wüste in Timbuktu auftrat. Er singt über sein Selbstbild, über Immigration und Respekt und ist schon überall in der Welt aufgetreten - zusammen mit malischen Musiklegenden wie Salif Keïta, Ali Farka Toure und Toumani Diabate.
Die Musik Malis wird nicht verstummen
Für sein Projekt "Plus Jamais ça" ("Nie wieder das") brachte er Rapper, Aktivisten und Freunde zusammen, um die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, in Mali zu intervenieren. So entstand das Musikvideo "S.O.S", das auch die malischen Behörden auf ihn aufmerksam machte. "SOS" kam letzten März heraus, acht Monate vor dem Militärputsch ind er Hauptstadt. Es zeigt Videoaufnahmen von Männern mit Gewehren und Frauen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden.
Amkoullel sagt, er hätte das Lied geschrieben, um Aufmerksamkeit zu bekommen und der Gewalt in Mali ein Ende zu setzen. Aber das Lied darf in den von der Regierung kontrollierten Medien nicht gespielt werden – nicht einmal im Süden.
Auch Amkoullel erhielt Todesdrohungen. "Ich habe nichts Falsches über die Regierung gesagt, also verstehe ich nicht, wovor sie Angst haben", sagt Amkoullel. "Aber ich werde als Künstler weiter das tun, was ich tun muss."
Ebenso wie Manny Ansar und die anderen Musiker im Pili Pili Club glaubt Amkoullel nicht, dass die Musik Malis verstummen wird. Er gibt zu, dass die Stimmen der Künstler im Norden zum Schweigen gebracht werden. Aber für ihn ist die Musik viel zu tief im Land und im Leben der Menschen in Mali verankert, als das sie jemals zum Schweigen gebracht werden könnte.
Tamasin Ford
© Deutsche Welle 2013
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de