Schwierige Partner im Kampf gegen IS
"Der gleiche Terror, die gleichen Tränen". So lautete am vergangenen Samstag die Schlagzeile der libanesischen Zeitung "L'Orient Le Jour". Darunter standen ein Bild zweier Libanesinnen, die um die Opfer der Selbstmordanschläge in Beirut vom letzten Donnerstagabend trauerten und Aufnahmen aus dem von Terrorangriffen erschütterten Paris. Die Szenerie habe ausgesehen, als sei es der Libanon, Syrien oder sogar der Irak, hieß es in der Zeitung "Al-Safir".
Mehrere arabische Kommentatoren brachten beide Anschläge - wie auch den Absturz des russischen Flugzeugabsturzes in Scharm al Scheich - schnell mit dem "Islamischen Staat" (IS) in Verbindung – und mit dem Syrien-Konflikt. Wie es aussieht, greift dieser nicht nur immer stärker auf die Naschbarschaft über.
Angriffe, die unter dem Banner des IS geführt werden, richten sich scheinbar zunehmend auch gegen Ziele weit jenseits der Grenzen des IS-Kalifats in der Levante. Das bedeutete eine neue Bedrohung, denn bislang war es vor allem die Strategie von Al-Qaida das dschihadistische Prestige durch spektakuläre Terroranschläge zu nähren.
Jubel unter französischen Dschihadisten
Terrorexperten in Frankreich beobachteten am vergangenen Freitag Jubel unter französischen Dschihadisten in Syrien, welche die Terrorangriffe im Internet feierten. Es seien unter den Zufallsbekundungen auch Aufrufe, das Morden in Paris fortzusetzen. Auf einem über Twitter verbreiteten Bild ist ein Konzertpublikum zu sehen - darein montiert ist eine Handgranate mit dem Text "Die Granate, leicht zu zünden und perfekt gegen Ungläubige". Das Bild ist mit dem Aufruf versehen, dass der Dschihad nicht nur in Syrien zu führen sei.
Das Assad-Regime in Damaskus nutzte das Blutbad in Paris, um sich noch einmal als Partner im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus anzudienen, den es im eigenen Land selbst geschürt hat. Wie über die amtliche Nachrichtenagentur Sana verlautete, verstünden die Syrer mehr als alle anderen, was es bedeute, unter dem Terror der Dschihadisten zu leiden.
Gewaltherrscher Baschar al-Assad ließ am vergangenen Samstag eine Delegation französischer Abgeordneter wissen, dass die Anschläge in Paris nicht von dem getrennt werden könnten, was in Beirut geschehen sei (der dortige Anschlag hatte letztlich der Hisbollah, einem wichtigen Alliierten) gegolten, und dem, was seit fünf Jahren in Syrien vor sich gehe. Die "falsche Politik" Frankreichs habe zur Verbreitung des Terrorismus geführt, Präsident François Hollande müsse seine Politik ändern. Er, Assad, habe seit drei Jahren vor so etwas gewarnt.
Arabische Staaten betroffen wegen des Blutbads
Die Führer der arabischen Staaten, unter ihnen Saudi-Arabien, Ägypten, Qatar, Jordanien oder Kuwait, zeigten sich betroffen über das Blutbad und entschlossen im Kampf gegen den IS. Die internationale Gemeinschaft solle zusammenstehen und ihre Bemühungen verdoppeln, um diese "gefährliche und zerstörerische Plage auszumerzen", welche die Stabilität und die Sicherheit der ganzen Welt bedrohe, hieß es in einer Stellungnahme der saudischen Führung.
Saudi-Arabien habe schon länger gefordert, die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus in all seinen Formen und Schattierungen zu intensivieren, sagte Außenminister Adel al-Dschubeir. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi wurde mit den Worten zitiert: "Solche Terrorangriffe werden den Willen friedliebender Länder nicht schwächen".
Imam: Die Welt muss "Monster" geeint entgegentreten
Doch die arabischen Regime sind in diesem Kampf ein schwieriger Partner. Der mit viel Aufwand exportierte puritanische saudische Staatsislam und seine Vorstellungen liefern den Nährboden für dschihadistisches Gedankengut. In Ägypten treibt die harte Hand des Regimes immer mehr junge Ägypter in Hände dschihadistischer Hassprediger und IS-Rekruteure.
Ahmed al-Tayyeb, der staatstreue Großimam der Al-Azhar-Universität, einer der wichtigsten Autoritäten der islamischen Welt verurteilte die Terrorangriffe und hob hervor, der Islam sei daran unschuldig. "Solche Taten laufen allen religiösen, humanitären und zivilisierten Prinzipien zuwider", sagte der Imam am letzten Samstag bei einer Konferenz über einen "neuen Aufbruch des islamischen Denkens" in Luxor im Süden Ägyptens. Die Welt müsse sich "einen, um diesem Monster entgegenzutreten". Doch auch in den Schlafsälen seiner Institution kursiert radikales Gedankengut, wie dieser Tage in Kairo von jungen Islamisten zu erfahren war.
Christoph Ehrhardt
© Frankfurter Allgemeine Zeitung 2015