Eine Sommernacht im Libanon
Eine sternenklare Sommernacht in Beirut. Toufic, ein junger Libanese, fährt zu einer Party, um das Herz der schönen Yasmin zu erobern. Die Frauen tragen weit ausgeschnittene Dekolletés. Es wird getrunken, getanzt, geflirtet. Bis auf dem Parkplatz des Wohnhauses ein streitsüchtiger und bewaffneter BMW-Fahrer Toufic angreift. Es kommt zu einem heftigen Handgemenge.
Gedemütigt und aufgeladen verlässt Toufic Yasmin und die Party. Es ist nicht das erste Mal, dass er in solchen Streitigkeiten klein beigeben muss. Diesmal will sich der sonst recht gelassener Toufic rächen. Auf seinem Mofa streift er durch das nächtliche Beirut, besorgt sich ohne Probleme eine Waffe und wird an fast jeder Straßenecke mit Gewalt konfrontiert. Er wird unter anderem Zeuge einer Entführung auf offener Straße.
Keine Übertreibung
"Jeder im Libanon kann Opfer von Gewalt werden. Als ich beim Rohschnitt des Films war, sagte eine Freundin, ich hätte bei der Entführungsszene übertrieben. Ein paar Tage später brachte sie mir einen Zeitungsartikel, der haargenau diese Szene der Entführung aus meinem Film beschreibt", sagt Regisseur Michel Kammoun. "Männer in Schwarz steigen aus einem Jeep, holen einen Typ aus seinem Auto heraus und hauen ab. Der Typ verschwindet, keiner weiß wohin und von wem er verschleppt wird. Den Zeitungsausschnitt habe ich immer noch."
In seinem Film "Falafel" beschreibt Kammoun, knapp 40 Jahre alt, das fragile Gleichgewicht im Libanon nach dem Bürgerkrieg. Er hat den Film bereits 2004 gedreht. Genau ein Jahr später flammte der Konflikt wieder auf: 2005 wurde Premier Minister Rafik Hariri in einem Anschlag getötet, 2006 brach der Krieg mit Israel aus.
Zwischen Krieg und Vulkan
"Es ist eine widersprüchliche Situation: Zwar gibt es keinen Krieg, aber die Probleme der libanesischen Gesellschaft sind nicht gelöst, eine latente Spannung ist ständig zu spüren", sagt Kammoun. "Das Land ist eine Art schlummernder Vulkan, der jederzeit wieder ausbrechen kann."
Kammoun ging es in seinem Film darum, diese Ambivalenz aus der Perspektive der Jugend zu zeigen – der Generation also, die den Bürgerkrieg nicht mitgemacht hat und trotzdem mit den Folgen leben muss. Bezeichnend für junge Libanesen, so Kammoun, ist aber ihr Lebenshunger - trotz andauernder Krise und mangelnder Perspektiven im Land.
Um dies wiederzugeben, hat Kammoun für seinen Film ein schnelles Tempo gewählt und die Handlung in einer einzigen Nacht inszeniert. "Man hat im Libanon den Eindruck, die Dinge beschleunigt erleben zu müssen. Denn man weiß nie, was am nächsten Tag passieren kann. Deshalb gehen die Menschen dort wahnsinnig viel aus, sie wollen Spaß haben."
Kichererbsenbällchen und Straßenphilosophen
Wie der Protagonist Toufic sein Leben gestalten soll, erzählt ihm unter anderem ein Falafel-Verkäufer - anhand eines frittierten Kichererbsenbällchens. Es ist einer der vielen Straßenphilosophen, wie Kammoun sie nennt, die man im Libanon schnell trifft und die seinen Film so authentisch machen.
Drei Jahre lang hat Kammoun an "Falafel" gearbeitet. In einem Land, in dem Infrastruktur und vor allem Finanzierung für Filme kaum existieren, musste er eigens eine Produktions- und Verleihfirma gründen. Nun will auch er Zeit nachholen und arbeitet gerade an drei weiteren Projekten gleichzeitig. Eines soll sich in Frankreich abspielen. Dort hat Kammoun Anfang der 90er-Jahre Film studiert.
Dass tausende Libanesen mit der ständigen Unsicherheit nicht fertig werden und lieber das Land verlassen, kann Kammoun verstehen. In seinem Film "Falafel" hindert letztendlich der kleine Bruder den jungen Toufic daran, sich an dem aggressiven BMW-Fahrer zu rächen. Im heutigen, chaotischen Libanon ist für Kammoun die Familie einer der wenigen Zufluchtsorte.
Guylaine Tappaz
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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