"Es hat sich viel bewegt"
Wir treffen Maryam und Malika abends an der Strandpromenade von Doha. Es war gar nicht so einfach, in Katar Frauen zu finden, die zu einem Gespräch bereit sind. Denn die meisten sind nicht gut auf westliche Medien zu sprechen. Beide Frauen sagten nach vielen Telefonaten dann doch zu.
Malika Al-Sharaim wird zunächst ihren Ärger darüber los, wie katarische Frauen in europäischen Medien porträtiert werden. "Wir sind ein aktiver Teil der Gesellschaft, wir werden gehört, wir arbeiten in hohen Positionen. Wir haben viel Verantwortung. Alles was über uns geschrieben wird, ist falsch“, erklärt sie. Malika hat 18 Jahre lang für eine Ölfirma gearbeitet. Heute ist sie für den Internet-Auftritt der staatlichen Katara-Kulturstiftung verantwortlich.
Malika ist kein Einzelfall. Über 57 Prozent der katarischen Frauen sind heute berufstätig. Das sind mehr als in den anderen Golfstaaten, aber weniger als in vielen Ländern Europas. In Deutschland liegt die Rate der berufstätigen Frauen beispielsweise bei über 70 Prozent.
"Frauen haben heute mehr Selbstvertrauen“
In den letzten Jahrzehnte habe sich für Frauen in Katar viel geändert, erzählt Maryam Al-Saad, die bei der Katara-Kulturstiftung die Abteilung für Internationale Angelegenheiten leitet.
"Nehmen wir meine Großmutter, sie hat überhaupt nicht gearbeitet. Die Generation meiner Mutter begann dann, auf den Arbeitsmarkt zu drängen. Aber es gab nur begrenzte Möglichkeiten. Meine Mutter war Lehrerin. Ich dachte als Kind auch, dass ich Lehrerin werden will. Aber dann hat sich der Arbeitsmarkt für Frauen geöffnet. Frauen arbeiten heute als Ärztinnen und Ingenieurinnen“, blickt sie zurück. "Frauen sind heute als Ingenieurinnen in der Ölbranche oder im Flugzeugbau tätig, als Pilotinnen und sogar im Militär“, bestätigt auch Malika.
Die Frauen hätten heute mehr Selbstvertrauen, meint sie. Früher liefen beispielsweise viele Unternehmen, die eigentlich von Frauen im Privatsektor gegründet und geleitet wurden, oft nach Außen hin im Namen des Bruders oder Vaters. Heute sind sie offiziell in ihrem Besitz und laufen unter dem Namen der Frauen, berichtet Malika.
Während der Anteil katarischer Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch etwas hinter dem in Deutschland hinterherhinkt, ist ihr Anteil an den Universitäten extrem hoch, besonders in technischen Studienfächern. An der Texas A&A University, einem Ableger der amerikanischen Universität in Doha, sind 46 Prozent der eingeschriebenen Hochschüler Frauen. Zum Vergleich, an der TU in Berlin sind es nur 36 Prozent.
"Nicht nur an den Schulen, auch an den vielen Universitäten, die hier in den letzten Jahren entstanden sind, studieren Männer und Frauen zusammen in den gleichen Klassen. Da hat sich wirklich viel bewegt“, sagt Malika.
Auch im persönlichen Bereich hätte sich in den letzten Jahren viel geändert, nicht zuletzt auch durch die WM, erzählen die beiden Frauen. "Viele katarische Frauen besuchen die Fußballspiele. Das war früher nur den Männern vorbehalten“, schildert Malika die Situation. Heute sei das kein Thema mehr. Die Familien hätten nichts dagegen, dass ihre Töchter ins Stadion gehen oder ins Restaurant oder dass sie sich mit ihren Freundinnen treffen.
Die größte Restriktion für die Frauen in Katar besteht, wie in allen Golfstaaten, in dem gesetzlich festgeschrieben Vormund-System (arab. wali). Es legt fest, dass Frauen bis zum 25. Lebensjahr viele Schlüsselentscheidungen ihres Lebens nicht ohne die Zustimmung eines männlichen Vormundes, also des Vaters, Bruders oder Ehemannes, treffen dürfen. Das betrifft Entscheidungen beim Heiraten, beim Studieren im Ausland, der Annahme von Stipendien oder bei der Arbeit im Staatsdienst.
"Der gesellschaftliche Konsens weist nach vorne“
Es ist ein Thema, über das Malika und Maryam nicht so gerne sprechen. Viel hänge davon ab, ob die Frauen aus einer konservativen oder weltoffenen Familie stammen, sagt Malika. "Ehrlich gesagt, die katarische Gesellschaft ist sehr in sich geschlossen. Es gibt konservative Familien, die den Frauen Restriktionen auferlegen und es gibt andere offenere Familien“, meint sie.
Am Ende käme es aber zu einem stetig neu ausgehandelten gesellschaftlichen Konsens, der nach vorne weise, sind sich Malika und Maryam einig. "Immer mehr Familien lassen den Frauen mehr Freiheiten. Sie sagen, wenn eine Frau einen respektablen Arbeitsplatz hat, dann unterstützen wir sie“, fasst Malika die Entwicklung zusammen.
Und selbst bei konservativen Familien gäbe es Wege für Frauen zu verreisen, erzählt sie und nennt das Beispiel einer Kollegin, die in einer staatlichen Institution arbeitet. Sie wurde auf Dienstreise geschickt und als ein männlicher Verwandte sich dem entgegenstellen wollte, wurde einfach beschlossen, dass er auch mitfährt - auf Staatskosten.
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