"Wenn wir nicht helfen, wer wird es dann tun?"

Weil die Not ihres Volkes dramatisch ist und sie helfen wollen, kehren viele somalische Flüchtlinge zurück – obwohl sie dafür auf ein Leben in Sicherheit und hohe Gehälter verzichten müssen.

Von Bettina Rühl

Die Frau auf der schmalen Liege windet sich vor Schmerzen, seit drei Tagen liegt sie schon in Wehen. Die Krankenschwester versucht sie zu beruhigen und erklärt ihr, wie es weitergeht: Bald habe sie alles überstanden, denn sie werde gleich operiert. Vorher müssten nur noch die Blutkonserven vorbereitet werden.

Dass die Gebärende professionelle Hilfe bekommt und sogar Blutkonserven zur Verfügung stehen, ist in Somalia keine Selbstverständlichkeit: Das ostafrikanische Land hat seit vierzehn Jahren keine Regierung mehr - und damit auch kein staatliches Gesundheitssystem. In den meisten Teilen des Landes bekommen die Menschen deshalb kaum Hilfe, wenn sie krank sind oder bei bewaffneten Kämpfen verletzt werden.

Die Frau auf der Liege dagegen ist in guten Händen: Sie hat es in das Hayat-Krankenhaus geschafft, eine private Klinik in Mogadischu. Acht Fachärzte arbeiten hier, und alle kamen aus dem Ausland zurück.

Erst wird behandelt, dann bezahlt

Aburahman Ahmed hat fünfzehn Jahre in Saudi-Arabien gearbeitet und nun alle seine Ersparnisse in das Krankenhaus investiert: "Es geht uns nicht um den Profit. Wir wollen wenigstens etwas für die Menschen hier tun, denn durch den Krieg wurden auch die Krankenhäuser zerstört, und die Menschen sind arm." Von den Patienten verlangen sie nur so viel Geld, dass sie die Kosten decken können.

Die Ambulanz des Hayat-Krankenhauses öffnet morgens um sieben, dann kommen Männer, Frauen und Kinder. Sie sitzen in der zentralen Wartehalle, bis der richtige Facharzt Zeit für sie hat: Je nach Bedarf der Zahn- oder Kinderarzt, der Gynäkologe oder Internist, der Urologe, Kardiologe oder Chirurg.

Im oberen Stock gibt es außerdem 120 Betten für stationäre Patienten. Wer es sich leisten kann, zahlt pro Behandlung anderthalb Dollar. Doch die Menschen werden erst behandelt und dann gefragt, ob sie dafür auch bezahlen können. Und der Freitag ist denjenigen vorbehalten, die gar kein Geld haben - an diesem Tag arbeiten die Ärzte umsonst.

Jeder investierte seine Ersparnisse

Zwischen 500 und 300 Dollar verdienen die Ärzte im Monat, sagt Aburahman Ahmed, "je nach Berufserfahrung und Qualifikation." In Saudi-Arabien habe er 4.500 Dollar verdient, außerdem habe er ein Haus, ein Auto und die ganze Logistik gestellt bekommen. "Das alles habe ich aufgegeben, denn wenn ich den Menschen hier nicht helfe - wer wird es dann tun?"

Die übrigen Ärzte des Krankenhauses denken genauso. Wer in das Projekt einsteigen wollte, musste Kapital mitbringen, damit die Klinik mit modernen medizinischen Geräten ausgestattet werden konnte. Jeder investierte so viel er hatte, zwischen 60.000 und 120.000 Dollar. So viel hatte der Kardiologe Mohammed Ahmed Hassan gespart. Im benachbarten Kenia hatte der Facharzt zuletzt im Monat 9.000 Dollar verdient, in der Hayat-Klinik bekommt er 300.

"In Nairobi war ich ein Ausländer. Meine Arbeit hat meinem Volk nicht genützt. Hier dagegen bin ich zufrieden, denn ich helfe meinem Volk", sagt Mohammed Ahmed Hassan. "Denn dass ich Medizin studieren und meinen Abschluss machen konnte, verdanke ich den Steuern, die somalische Mütter und Väter gezahlt haben. Deshalb muss ich nun ihnen helfen und für diejenigen da sein, die besonders verletzlich sind."

Medien für Frieden und Versöhnung

Auch "Horn Afrik", der erste private Radiosender von Mogadischu, wurde von drei Somaliern gegründet, die trotz des Krieges aus dem sicheren Ausland in ihre Heimat zurückkehrten. Alle drei hatten mindestens einen akademischen Abschluss und gut bezahlte, unbefristete Posten bei der kanadischen Regierung. Obwohl sie in der kanadischen Gesellschaft verwurzelt und beruflich erfolgreich waren, und trotz des hohen Risikos, entschieden sie sich für die Rückkehr.

Dabei verfolgten sie zwei Zeile, erzählt Ali Iman Sharmake: Erstens wollten sie ihrem Herkunftsland etwas von dem zurückgeben, was sie dort bekommen hätten; zweitens wollten sie dort langfristig einen noch höheren Lebensstandard erreichen als sie in Kanada hatten.

"Wir suchten nach einer Möglichkeit, beides miteinander zu verbinden, und entschieden uns für die Medien", so Sharmake "Wir sind davon überzeugt, dass Medien für das Wohlergehen einer Gesellschaft grundlegend wichtig sind. Sie helfen bei der Entwicklung, und in Zeiten des Krieges können sie ein Werkzeug für Frieden und Versöhnung sein."

Ali Iman Sharmake und seine Kollegen wollen mit ihrem Sender die Allmacht der Waffen und der Warlords brechen und stattdessen eine Kultur der Debatte fördern. Grundlage dafür sind die Verbreitung korrekter Informationen und das Ende von Propaganda und Mythen.

Vertrauen in öffentliche Meinung statt in Waffen

Im Laufe der letzten Jahre hat sich der Sender als Machtfaktor etabliert: Die Warlords stehen den Journalisten nicht nur Rede und Antwort, sie haben inzwischen auch ein eigenes Interesse am öffentlichen Auftritt, erzählt Sharmake: "Manchmal rufen uns die Kriegsherren an, wenn es irgendwo in der Stadt eine Schießerei mit Toten gab, und sagen: 'Wir wollen klar stellen, dass das ein Unfall war! Wir wollten niemanden töten!' Das heißt: In einem rasanten Tempo breitet sich eine Kultur aus, in der weniger auf die Waffe als auf die öffentliche Meinung vertraut und der Willen der Öffentlichkeit respektiert wird."

Ihrem finanziellen Ziel sind sie allerdings noch nicht näher gekommen: Reich macht "Horn Afrik" seine Besitzer bislang nicht. Trotzdem bereut Ali Iman Sharmake seine Entscheidung nicht: Geld verdienen kann er später, wenn er sein erstes Ziel erreicht hat: Die somalische Gesellschaft friedlicher zu machen.

Bettina Rühl

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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