Raid Yosif – ein Superstar auf Abwegen
Unter repressiven Regimen werden kritische Künstler oftmals verfolgt und bedroht. Prominente Beispiele sind etwa die Punkband "Pussy Riot", deren Sängerinnen in Russland zu Lagerhaft verurteil wurden. Es bleibt aber nicht immer bei Haftstrafen. Im Nahen Osten etwa werden unter dem Deckmantel der Religion auch Todesurteile verhängt. Oftmals bleibt kritischen Künstlern deshalb nur das Exil.
Raid Yosif macht arabische Popmusik. Der in Berlin lebende irakische Komponist und Produzent Beshar Al-Azzawi sagt, dass Popmusik im Irak generell nicht besonders kritisch sei. Auch Yosif war da keine Ausnahme. "Alle meine Lieder handeln von Liebe", sagt der 28 Jahre alte Iraker. Trotzdem musste er 2010 aus dem Irak fliehen.
Der Sänger war Teil der christlichen Minderheit des Landes, die von Islamisten verfolgt wird. Aber vor allem war er berühmt. Yosif war ein Superstar. Er hat im Jahr 2004 erst ein Casting in seiner Heimatstadt Mosul, im Norden des Irak, gewonnen und dann im Jahr 2006 eine landesweite Castingshow, die dem deutschen Format "Deutschland sucht den Superstar" entspricht.
Ein Superstar über die irakischen Grenzen hinweg
"2000 bis 3000 Kandidaten aus dem gesamten Irak waren dabei. Jeder hätte Superstar werden können, die konnten alle gut singen und hatten eine gute Stimme", erzählt Yosif. "Aber einer musste als Nummer 1 da herausgehen. Gott sei Dank habe ich gewonnen", freut er sich noch immer.
Aufgrund der prekären Situation im Irak konnte die Show nicht dort produziert werden. Das Finale wurde in Beirut, der Hauptstadt des Libanon, gedreht. "Es wurde natürlich in alle arabischen Länder übertragen", sagt Yosif, um den Stellenwert der Show auch außerhalb des Irak zu unterstreichen. Nach seinem Sieg ging er nach Dubai, wo er seinen Erfolg ausleben konnte.
"In Dubai hatte ich mein Leben und meine Wohnung, aber ich bin viel herumgereist, um Konzerte zu geben. Ich bin in den USA und in Kanada aufgetreten, in Frankreich, aber vor allem in den arabischen Ländern", berichtet Yosif. Das sei häufig so, meint Al-Azzawi, dass irakische Musiker in anderen Staaten lebten und dort mit Konzerten Geld verdienten. Nur ganz wenige Musiker lebten noch in dem vom Krieg zerrütteten Land.
Als Ende 2009 seine Aufenthaltsgenehmigung für Dubai ablief, musste Yosif zurück in den Irak. Aber dort sei er nicht frei gewesen, die Situation dort habe ihn eingeschränkt: "Ich konnte nicht Musik machen, wann ich wollte. Ich konnte keine Konzerte geben. Es war Krieg und ich hatte immer Angst, dass etwas passiert." Nach einem halben Jahr hielt er es dort nicht mehr aus.
Sicherheit statt Weltruhm
2010 kam Yosif dann nach Deutschland. Seine erste Station war Karlsruhe. Von hier aus hat ihn ein Richter nach Bad Mergentheim geschickt, eine kleine Stadt bei Würzburg. "Der Richter hat mich hierher geschickt, weil er mich mochte", ist sich Yosif sicher, "er war mit seiner Frau hier im Urlaub und sagte, hier sei es schön und sicher."
Anfangs war es schwer für Yosif in der fremden Umgebung, mit den fremden Leuten und der unbekannten Sprache, berichtet er. Auch seine Karriere litt darunter. In Bad Mergentheim schloss er sich einem Chor an. Aber als Popsänger hatte er seit er in Deutschland ist lediglich zwei Auftritte.
"Um live zu spielen, bräuchte ich eine Band, und die ist hier in der Gegend nicht leicht zu finden." Yosif nimmt immer noch Lieder auf. Einer arabischen Plattenfirma habe er kürzlich vier Songs angeboten. Die hätten zwar Interesse an zweien davon bekundet, aber nur wenn Yosif selbst für die Videokosten aufkäme. "Die sehen, dass ich derzeit keine Möglichkeiten habe und denken, die können mit mir machen, was sie wollen."
Arabische Musik in westlichem Gewand
Auch wenn er Profile bei den sozialen Plattformen Facebook und Soundcloud hat und so neue Fans über das Internet findet, ist in den letzten Jahren nicht viel passiert bei Yosif. Trotzdem gibt er seinen Traum vom Musikerleben nicht auf. "Musik ist, was ich machen will, zu 100 Prozent." Sein Aufenthalt in Deutschland hat aber seine Vorstellung von der Musik, die er machen will verändert: "Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, wollte ich immer nur arabische Popmusik machen. Aber jetzt habe ich auch Fans aus Deutschland. Und ich möchte für sie jetzt auch gerne auf Englisch singen."
Vor allem aber will Yosif etwas Neues machen, wie er sagt: "Ich habe viele Ideen in meinem Kopf. Ich würde gerne neue amerikanische Popmusik mit arabischen Texten mischen, zum Beispiel. Das hat noch niemand gemacht, das ist neu und interessant."
Der irakische Musiker und Musikwissenschaftler Saad Thamir lebt in Köln. Er sagt, arabische Popmusik sei im Wesentlichen wie westliche Popmusik, nur mit anderen Melodien und Instrumenten, aber seit 25 bis 30 Jahren "tiefgefroren". Raid Yosif könnte also eine Nische füllen und etwas verändern. Er sagt, im Irak gebe es ein Sprichwort, das besagt, dass wenn man etwas Neues mache, alle drüber reden würden. Mit dieser Einstellung im Hinterkopf bleibt Yosif optimistisch: "Natürlich wird es einen Markt geben, für das, was ich mache. Wenn ich hart daran arbeite, gibt es keinen Grund, warum ich keinen Erfolg haben sollte."
Eike Rüdebusch
© Deutsche Welle 2013
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de