Außerirdische in Burka
Weidenfeld & Nicolson haben im Jahr 2011 die Rechte zur Veröffentlichung von Leila Aboulelas neuestem Roman, Lyrics Alley, für das Vereinigte Königreich und den Commonwealth erhalten. Die Verlegerin Arzu Tahsin sagt dazu: "'Lyrics Alley' ist eines der kundigsten und ergreifendsten Porträts, die jemals von der sudanesischen Gesellschaft um die Zeit der Unabhängigkeit in den 1950er-Jahren geschrieben wurden." Das lässt an ernsthafte Belletristik denken – aber die Art, wie sie verpackt und beworben wird, trivialisiert sie.
Das weichgezeichnete Titelbild zeigt zwei Frauen in Burka bei einem Brunnen im Innenhof einer Moschee. Aboulelas Roman "Die Übersetzerin" wurde besser behandelt, aber die Ausgabe von Heinemann fällt wieder zurück in das ahistorische, verengte und verknöcherte Bild des Schleiers. Eine Frau in einem weißen Pilgergewand steht hilflos im Vordergrund, obwohl der Roman hauptsächlich in Schottland spielt und gar nichts mit Mekka zu tun hat.
Größerer Respekt vor dem 11. September
Noch im Jahr 1964, zu einer Zeit als die arabische Welt wohl als fortschrittlicher und auf der Schwelle zur Säkularisierung wahrgenommen wurde und als "Beer in the Snooker Club" von Waguih Ghali erschien, hatten die Graphiker bei Alfred A. Knopf in New York größeren Respekt vor arabischen Autoren. Sie entschieden sich für ein einfaches Bild eines schwarzen Trinkkrugs vor grünem Hintergrund.
Auch 1987, als der Verlag Serpent's Tail das Buch veröffentlichte, lagen die Dinge noch anders. Auf dem Titelbild ist ein junger Ägypter abgebildet, der rauchend an einem Billardtisch steht. Das Fenster hinter ihm gibt den Blick auf den Nil mit seinen Segelbooten und Pinien frei. Damit wird impliziert, dass Ghali einer von uns ist, aber gleichzeitig ein Fenster zum schönen Anderen öffnen kann. Mit der Eskalation der Feindseligkeiten zwischen der arabischen und der westlichen Welt und der Verhärtung der muslimisch-christlichen Gegensätze ging es stetig bergab mit der künstlerischen Gestaltung der Buchtitel.
Der Roman "Secret Son" der amerikanisch-marokkanischen Schriftstellerin Laila Lalami, der für den Orange Prize in die engere Auswahl kam, hat ein mittelalterlich anmutendes Titelbild: Ein Junge liest den Koran in einer Religionsschule.
Das Bild steht im Kontrast zum Inhalt der Erzählung, die in den Slums von Casablanca angesiedelt ist und Korruption im heutigen Marokko thematisiert. Es greift zurück auf eine Zeit, bevor moderne Bildungssysteme eingeführt wurden, und bestätigt die Vorurteile des Lesers über die arabische Welt als einer Gegend des Stillstands außerhalb historischer und geographischer Variablen und eines Nährbodens für Fundamentalisten und Terroristen.
Männliche arabische Autoren wie Rafik Schami, Robin Yassin-Kassab, Hisham Matar und Rawi Hage werden vom publizierenden Gewerbe hier und jenseits des großen Teichs besser behandelt. Rafik Schamis Romane zieren islamische Rundbögen, aber kein Schleier ist in Sicht.
Jamal Mahjoubs "Navigation of a Rain Maker" zeichnet eine Reise nach, die mehr ist als Linien auf einer Karte. Der Leser reist in das Afrika der Gegenwart, das von Gegensätzen und Kontrasten geprägt ist und weiterhin unter den alten Geißeln des Hungers und Krieges leidet, hinein in die kämpfende Seele eines Mannes, der versucht, mit seinem Leben ins Reine zu kommen. Die Wüste, ein kaputter Geländewagen und ein Afrikaner, der im Sand vergraben ist, spiegeln diesen Inhalt wider.
Blind für kulturelle Nuancen
Weiblichen arabisch-muslimischen Schriftstellerinnen wird sofort die Rolle der Untergeordneten aufgezwängt und diese mit dem Schleier verknüpft. Man findet unzählige Kopfbedeckungen auf den Titeln ihrer Bücher. Meistens sind die Graphiker dabei blind für kulturelle Unterschiede und Nuancen. Die Zeichen der spezifisch halbnomadischen Kultur, die sich in meinen Romanen finden, werden selten von Verlagshäusern aufgegriffen.
Beduinische Jordanierinnen werden auf dem Titel als afghanische Frauen in einer Burka dargestellt. In der Tschechischen Republik wurde "My name is Salma" übersetzt in "Sünde und Verdammung" und auf dem Titel sieht man eine Frau mit einem dünnen Schleier in einer Moschee stehen. Diese spezielle Art von Schleier mit Brokat und Gesichtsbedeckung findet sich eher in der Golfregion als in der Levante, wo der Roman angesiedelt ist. Diese kulturelle Ungenauigkeit ist vergleichbar damit, Paris auf dem Titel von Martin Amis' Roman "London" abzubilden, oder den Turm von Pisa auf dem Titel von Pat Barkers "Union Street".
Ich könnte über Außerirdische im Weltall schreiben und die Graphiker und Horden von PR-Teams würden ihnen afghanische Burkas anziehen. Nirgends in meinen Romanen befasse ich mich mit dem Schleier, außer als Salma ihn im Vereinigten Königreich ablegt. Meine Protagonistinnen sind Beduininnen und haben ihre eigene einzigartige Form von Kopfbedeckung, wie sie in der niederländischen Übersetzung von "Pillars of Salt" eingefangen wird.
Die britische Ausgabe von "Pillars of Salt" wurde irgendwohin zu Graphikstudenten geschickt und kam zurück mit einer dunklen, blauäugigen Frau mit großen, maskulinen Händen. Wenn man genau hinsieht, findet man grünäugige Beduinen, aber mir sind in Jordanien niemals Blauäugige begegnet. Also schickte ich es mit ein paar Hinweisen zurück und es kam schlecht gezeichnet wieder – das Gesicht der Beduinin mit dunkler Farbe verschmiert, sodass es aussah, als wäre etwas bei einer künstlichen Bräunung schief gelaufen.
Stereotyp der unterdrückten Muslimin
Es kommt selten vor, dass man mir die Titelbilder meiner Romane vor der Veröffentlichung zur Prüfung vorlegt, und ich entdecke sie meist erst durch die Google-Bildersuche. Und wenn ich Skepsis gegenüber Titel, Verpackung oder Werbung zu meinen Büchern äußere, drohen mir einige Verleger damit, den Vertrag aufzulösen.
"The Cry of the Dove" wurde in den USA als konfessionelle Literatur beworben. Ich bestand darauf, dass der Roman als Belletristik beworben werden müsse. Bei der Veröffentlichung wurde der Hinweis "Roman" auf dem Titel angebracht, aber man braucht eine Lupe, um ihn zu bemerken. Das Buch wirkt wie eine "Leidenserinnerung" von wieder einmal einer unterdrückten Muslimin.
Der Roman "Nisanit" erforscht die männliche Welt der Guerillakämpfer und politischen Gefangenen. Die Ausgabe des britischen Penguin-Verlags zeigt eine wunderschöne palästinensische Bäuerin neben einem maskierten Guerillakämpfer auf dem Titel – ihrem Ritter in glänzender Rüstung. Hier wird ein Roman verkitscht dargestellt, der keine Spur von Sentimentalität enthält. Auf einem Schauplatz von Blut, Eiter und Dreck folgt der Bewusstseinsstrom dem Abstieg des Protagonisten in den Wahnsinn – aber das Titelbild würde die Herausgeber von Groschenromanen stolz machen. Die US-Ausgabe des Viking/Penguin-Verlags hat eine verschleierte Frau auf dem Titel inmitten eines – Sie erraten es – Moscheehofes.
Es gibt viele Bögen, Brunnen und Moscheen auf den Titeln britisch- und amerikanisch-arabischer Autoren. Das ist ironisch, denn die meisten Moscheen sind ausschließlich männliche Räume und Frauen haben ihre eigenen Seiteneingänge, die gewöhnlich zu einem tiefer liegenden Gebetsraum führen. Außerdem hat sich die Architektur arabischer Städte grundlegend geändert, seit sie von Charles Doughty in "Travels in Arabia Deserta" 1888 festgehalten wurde.
Unverschleierte Salma in Indonesien
Nur 3,5 Prozent der im Vereinigten Königreich veröffentlichten Bücher sind Übersetzungen. Dementsprechend verhält sich der Respekt vor Autoren, die sich mit bestimmten Volksgruppen beschäftigen. Der italienische Verlag Ugo Guanda veröffentlichte meinen Roman unter dem ursprünglichen Titel "Sage Tea for Salma" und hatte auf dem Titel ein einfaches Bild eines unverschleierten arabischen Mädchens, das eine Taube in der Hand hält (in der gebundenen Ausgabe), und eines wunderschönen Teeservices (in der Taschenbuchausgabe.
In Frankreich entschied man sich für ein Glas mit marokkanischem Tee, mit Goldrand und bunt, neben einer farblosen Kaffeetasse mit dem Union Jack darauf – vielleicht eine Spitze gegen die Briten. In vielerlei Weise fängt das den Kern der Erzählung und die Gespaltenheit der Hauptfigur in ihrer Sichtweise und ihrem Zugehörigkeitsgefühl ein.
Es ist wahrscheinlich Ironie, dass die einzige Darstellung der Salma ohne Schleier, mit unbedeckten Armen, sich auf einem Sofa in erotischer Pose ausruhend, aus einem muslimischen Land kommt, nämlich Indonesien. Salmas nackter Arm verbirgt ihr Gesicht. Ein Bild, das zeigt, wie aufgewühlt diese Immigrantin ist, gefangen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Endlich geht es dort nicht um meine arabisch-muslimische Abstammung sondern um das, was ich schreibe.
Fadia Faqir
© Fadia Faqir 2010
Übersetzung aus dem Englischen: Susanne Kappe
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de