Abgrenzung vom kommerziellen Arab-Pop
"Vielleicht sollten wir mal unseren Namen ändern", meint Jasmin Hamdan, die Sängerin des Duos von Soap Kills. Seife tötet – das war nur so ein spaßiger Einfall gewesen - damals vor acht Jahren, als sie mit Seid ihre Band gegründet hat. Da waren sie gerade mal 20 Jahre alt und hatten nur eine Menge Spaß im Kopf. Jetzt soll es ernster werden mit der Band und dem Namen. Und dann gibt es noch ein weiteres Namensproblem: Der gleiche Nachname und das gleiche Geburtsjahr der beiden 29-jährigen libanesischen Musiker täuscht – sie sind nicht miteinander verwandt, es sei denn, rein platonisch, auf musikalischer Ebene.
Westliche Elektromusik mit orientalischen Klängen
1997 fingen die beiden Musiker an – mit Rockmusik auf privaten Partys, einzelnen Konzerten hier und da in Beirut. Dann entdeckten sie die elektronische Musik für sich, später Trip-Hop. In einem Beiruter Studio experimentierten sie herum, schrieben Texte und Melodien, vermischten westliche Elektromusik mit orientalischen Klängen. Inzwischen arbeiten sie an ihrem dritten Album und sind gerade bei der Endmischung.
In zwei Monaten soll die neue CD auf den Markt kommen. Dabei war alles nicht so einfach – ihre dritte CD war schon fast fertig gewesen. In einem Pariser Studio hatten sie fast ein ganzes Jahr lang an ihrem neuen Album gearbeitet. Dann ging die Firma pleite und sie mussten nochmals von vorne anfangen - diesmal in Beirut, in einem kleinen, unabhängigen Studio inmitten des christlichen Stadtviertels Ashrafieh gelegen. "Viele unserer Lieder basieren auf der klassischen arabischen Musik, wobei wir manchmal auch die alten Texte beibehalten", erzählt Jasmin.
Doch die Melodien werden so stark verfremdet – mit elektronischen und akustischen Effekten, mit Klangelementen, die nicht in der arabischen, sondern in der westlichen Musik beheimatet sind – dass von den Originalliedern gerade noch die Melodien zu erkennen sind, sonst nichts. "Wir arbeiten gerne mit dem Genre des Trip-Hop", erklärt die Sängerin. "Die verschiedenen Schichten,Rhythmen, eine fließende Stimme... das interessiert uns." "Und dabei hat alles Groove, einen Rhythmus", ergänzt Seid.
"Eigentlich könnte unsere Musik richtig kommerziell sein." Doch das ist sie nicht. Sie passt in keine Schublade, ist eben nicht der süßliche Arab-Pop, der den arabischen Musikmarkt beherrscht. Und es ist auch nicht europäische oder amerikanische Elektromusik. Doch Soap Kills hat seine Fangemeinde längst gefunden – sowohl im Libanon als auch in Frankreich und Deutschland, nachdem das Duo vor zwei Jahren im Rahmen der Veranstaltung "DisOrientation" im Berliner Haus der Kulturen der Welt aufgetreten ist und danach auf Tour ging.
In Frankreich sind sie schon länger bekannt, da beide Musiker ständig zwischen dem Libanon und Frankreich hin und her pendeln. Jasmin studiert in Paris Psychologie und Seid hat dort seine Jugend verbracht. Er lebt nun aber hauptsächlich in Beirut.
Absage an Musikkommerz
"Am Anfang haben wir unsere Musik über das Internet bekannt gemacht", sagt Jasmin. "Die illegale Kopiererei von Musik hat uns sehr geholfen – unsere Fans haben so unsere Musik verbreitet, ohne dass wir was dazugetan haben!" Darüber sind sie eigentlich sehr froh – denn sie lieben ihre Unabhängigkeit. Auch jetzt arbeiten sie ja wieder in einem kleinen Beiruter Studio und wollen vom großen Musikkommerz nichts wissen. "Das macht doch nur Druck und beschränkt die Kreativität", meint Seid. Die Konzerte in Deutschland und Frankreich taten ein Übriges für das Bekannt werden von Soap Kills – im Anschluss an die Veranstaltungen verkauften sie viele CDs. Für zahlreiche Libanesen sind die CDs von Soap Kills ein beliebter Geschenkartikel. "Sie mixen viele verschiedene Musikstile – für jeden ist was dabei. Ihre Musik gefällt vielen und ist trotzdem originell", meint Said Nawfal, ein Verkäufer der CDtheque, einem unabhängigen libanesischen Label und Plattenladen, der die Musik von Soap Kills vertreibt.
"Jeden zweiten Tag verkaufen wir ein Album von ihnen und viele nehmen die CDs ins Ausland mit." Soap Kills als ungewöhnlicher libanesischer Exportschlager - zu erklären aus dem orientalisch-westlichen Musikstilmix. Auch bei der neuen Produktion sind es hauptsächlich wieder langsame Lieder, begleitet von der Gitarre und untermalt mit elektronischen Klängen – aber diesmal alles auf arabisch und nicht mehr, wie auf der letzten CD Cheftak, auf arabisch, englisch oder französisch.
Arab-Pop als schizophrenes Phänomen
Soap Kills will sich ganz klar vom kommerziellen Arab-Pop abgrenzen. "Jasmin singt in einer sehr unaufdringlichen Art und Weise", meint Seid. Sie sei nicht so verführerisch wie die arabischen Popdiven, deren ausgesprochener Sexappeal oft ans Vulgäre grenze. "Die wären doch am liebsten Pornostars", meint Jasmin. Der Sexappeal in den Videoclips arabischer Popmusik sei etwas Schizophrenes. "Einerseits ist es ausgerechnet ein saudischer Prinz, der den Musiksender Rotana betreibt, andererseits wird die Sexualität in Saudi Arabien und anderswo unterdrückt und der Sex im Fernsehen zensiert", sagt Seid. "Die Zensur ist der Grund für sexuelle Frustrationen und die arabische Popsängerinnen sind eben die Sexphantasien", so Jasmin. Damit will Jasmin nichts zu tun haben. "Ich repräsentiere einen moderneren, befreiteren Frauentyp, bin irgendwie alternativ", so die Sängerin.
Ihre Weiblichkeit grenze eher an die der europäischen Frauen. Sie hat keine Angst davor, auch manchmal ein bisschen aggressiv in ihrer Musik zu sein – schließlich habe sie früher Rock und auch Punk gemacht. Doch mit militanten Feministinnen im Westen habe sie nichts gemein – sie sei eben beides, sowohl weich als auch manchmal provozierend. "Eben befreit", wie sie sagt. Das war nicht immer einfach für sie. Jasmin ist im Mittelmeerraum und in der arabischen Welt aufgewachsen, im Libanon, Griechenland und den Golfstaaten. Ihre Eltern finden es immer noch nicht in Ordnung, dass sie im Minirock auf der Bühne steht und mit Musik ihren Lebensunterhalt verdient.
"Inzwischen unterstützen sie mich aber", fügt sie hinzu. "Es ist nicht einfach in der arabischen Welt, Autoritäten in Frage zu stellen", erklärt Seid. Das betreffe die Familie, die Clans, die Religionsführer und die Politik. "In der Regel schlagen die Kinder den Weg ein, der ihnen von den Eltern vorgegeben wurde." Jasmin hat es geschafft, auf privater und beruflicher Ebene aus den festgefahrenen Strukturen auszubrechen. Das war für Seid, der aus einer liberalen Familie stammt und in Frankreich aufgewachsen ist, sehr viel einfacher.
Doch gerade auch auf kommerzieller Ebene ist es nicht einfach für Soap Kills. Die beiden Musiker wollen authentisch sein, nach ihren eigenen Prinzipien leben – und sich nicht danach richten, was die großen Labels verlangen. "Es ist allgemein sehr schwierig in der arabischen Welt, sich zu emanzipieren", meint Seid. "Hip Hop oder Rockmusik auf Arabisch – das wird einfach nieder gemacht." "Wenn du nicht reich bist und gut angezogen, hast du in der arabischen Musikszene keine Chance", so der Gitarrist.
"Eine Trashkultur gibt’s hier nicht. Du kommst von der Straße? Das zählt nicht." Und überhaupt: Besonders die Libanesen seien sehr intolerant gegenüber allem andersartigen. Das gelte auch für Musikstile. Und auf dem Musikmarkt zähle eben nur ein einziger Stil – Arabpop.
Christina Förch
© Qantara.de 2005