Essen für den guten Zweck
Die Idee ist simpel: Lade Freunde, Verwandte, Kollegen oder Nachbarn ein. Bekoche und bewirte sie. Verbringe mit ihnen einen netten und unterhaltsamen Abend, tausche dich aus. Und vor allem: Sammle Spenden für arme Waisenkinder.
"Speisen für Waisen" nennt die Hilfsorganisation Islamic Relief dieses erfolgversprechende Konzept, welches sie am 23. Januar dieses Jahres zu Ehren des Geburtstags des Propheten Muhammad ins Leben rief. Vier Wochen lang, bis zum 23. Februar, laden Muslime (und Nicht-Muslime) in ganz Deutschland zu Tisch und sollen damit nicht nur Gutes für die Waisen tun, sondern auch zum interreligiösen Verständnis und Dialog beitragen.
Jeder darf mitmachen
"Es soll keine rein muslimische Aktion sein, im Gegenteil. Wir hoffen dadurch, zum Austausch mit Nicht-Muslimen anzuregen", meint Yasin Alder, Redakteur bei Islamic Relief Deutschland. Gegenseitiges Verständnis auf Basis gemeinsamer guter Taten, das ist die Idee.
Tatsächlich scheinen viele muslimische Gastgeber sich ermutigen zu lassen, Menschen außerhalb des gewohnten Freundeskreises einzuladen. "Ich finde die Idee klasse, so kann man neue Leute kennenlernen", meint Amal Kebir. Die Schülerin organisiert ein "Speisen für Waisen"-Essen in Bonn. 10 Gäste sind geladen, darunter auch Nicht-Muslime. Das Essen hat sie selbst gekocht, sich von ihren Freunden jedoch helfen lassen. Reis mit Joghurtsauce, gefüllte Teigtaschen und Nudelsalat stehen auf dem Tisch. Die Gastgeber sind an keinerlei Vorgaben gebunden, was den Ablauf des Abends angeht: Auch Chips, Cola und eine DVD können Anlass zum Spendensammeln geben.
Die 17-jährige Amal hat über einen Flyer von der Aktion erfahren und war sofort begeistert. Auch in ihrem Freundeskreis ist die Idee gut angekommen. "So ein Essen vereint uns, macht Spaß und dazu sammelt man noch Geld für Waisen. Eine super Sache", meint auch Amals ältere Schwester Imane.
Positive Resonanz
Es ist das erste Mal, dass eine muslimische Hilfsorganisation deutschlandweit zu sozialem Engagement aufruft. 250 private Veranstaltungen haben seit Beginn der Aktion stattgefunden, Tag für Tag werden neue angemeldet. Die Veranstalter gehen davon aus, dass bisher etwa 2000 Menschen teilgenommen haben. Die Wiederholung im nächsten Jahr steht schon fest.
Generell kann sich der Veranstalter über eine gute Resonanz freuen – und über viel Eigenwerbung. "Natürlich wollen wir, dass Islamic Relief mehr in die nicht-muslimische Öffentlichkeit kommt. 'Speisen für Waisen' soll aber keinesfalls eine PR-Aktion sein", beteuert Alder. "Viel wichtiger sind die Hilfsgelder für die Waisen!"
Islamic Relief Deutschland wurde 1996 in Köln ins Leben gerufen und zählt heute zu den größten und am besten vernetzten islamischen Hilfsorganisationen des Landes. Als Teil eines weltweiten Netzwerks setzt sie sich in mehr als 40 (nicht nur muslimischen) Ländern weltweit ein, in Form von Nothilfe oder nachhaltigen Entwicklungsprojekten. Spendengelder kommen vor allem aus dem muslimischen Teil der Gesellschaft, in dem Islamic Relief einen ähnlichen Bekanntheitsgrad genießt wie die Aktion "Brot für die Welt" bei Christen.
Verpflichtende Wohltätigkeit
Dass soziales Engagement ein bedeutender Aspekt der islamischen Kultur ist, geht in den Debatten hierzulande unter. Auch daran möchte Islamic Relief etwas ändern: "Die Tatsache, dass Wohltätigkeit für Muslime sehr wichtig ist, soll in der Öffentlichkeit bekannter werden", erklärt Alder.
Tatsächlich ist Wohltätigkeit im Islam sogar verpflichtend, zumindest für Muslime, die selbst nicht hilfsbedürftig sind. Die jährlich entrichtete Armensteuer "Zakat", die 2,5 Prozent des Besitzes umfasst, stellt eine der fünf religiösen Pflichten des Islam dar, beim jährlichen Opferfest und am Ende des Fastenmonats Ramadan dürfen sich Bedürftige über besondere Freigiebigkeit freuen.
Die Sorge um Waisenkinder erfährt im Islam besondere Aufmerksamkeit und so hat auch Islamic Relief dies zu einem Themenschwerpunkt gemacht. Ein Waisenfond, in welchen auch die Erlöse der "Speisen für Waisen"-Aktion fließen, wird zur Unterstützung von Kindern aus aller Welt gebraucht. 30.000 Kinder in 20 Ländern unterstützt Islamic Relief weltweit, 3500 davon durch deutsche Gelder.
Der Prophet Muhammad, im Übrigen selbst eine Waise, war es, der zur besonderen Sorge um elternlose Kinder angehalten hatte. In der berühmten Sammlung der Aussprüche des Propheten vom Gelehrten Buhari heißt es sinngemäß: "'Ich und derjenige, der sich um ein Waisenkind kümmert, werden im Paradies so sein', wobei er Zeige- und Mittelfinder zusammenführte."
Dies ist ein Versprechen, das durchaus dazu ermutigt, für einen wohltätigen Zweck Gäste zu bekochen.
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