High noon in Gaza!

Die Auseinandersetzungen zwischen Gruppen der palästinensischen Hamas und der Fatahbewegung erreichten im Gaza-Streifen einen blutigen Höhepunkt.

Von Christian Sterzing

Es soll palästinensische Stimmen gegeben haben, die nach dem Selbstmordanschlag in Eilat ihre Hoffnung auf einen erneuten israelischen Einmarsch in den Gaza-Streifen setzten, damit auf diese Weise die tödlichen internen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Fatah- und Hamas-Gruppen beendet werden.

Die "Anekdote" – Wahrheit hin, Wahrheit her – verdeutlicht die Verzweiflung vieler Palästinenser über die jüngste Zuspitzung des innerpalästinensischen Bruderkriegs, der in den letzten Tagen 34 Menschen, darunter fünf Kinder, das Leben kostete.

Nach dem blutigen Wochenende kehrte in Gaza nun wieder (gespannte) Ruhe ein – ohne israelischen Einmarsch. Vertreter des Islamischen Dschihad (!), neben anderen Gruppierungen nach eigenem Bekunden verantwortlich für den Anschlag in Eilat, hatten erfolgreich einen Waffenstillstand zwischen Fatah und Hamas vermittelt.

Die Kämpfe, die am palästinensischen "Schwarzen Freitag" mit 14 Toten begannen, waren von einer bislang ungeahnten Heftigkeit, besonders zwischen den Fatah-nahen Kräften der Preventive Security Forces (PSF) unter Führung von Mohammed Dahlan und den Hamas-nahen Special Executive Forces (SEF) des Innenministers Siad Siam.

Hoffnung auf Einheitsregierung

Die Hoffnungen ruhen nun auf den erneut aufgenommenen Gesprächen über eine palästinensische Einheitsregierung, die nach dem Treffen zwischen Präsident Mahmud Abbas und Hamas-Führer Khaled Meschal in Damaskus in der letzten Woche innerhalb von 14 Tagen beendet werden sollen.

Erhöhten Einigungsdruck erzeugte auch die Einladung des saudischen Königs zu Versöhnungsgesprächen nach Mekka. Doch die positive Reaktion von Hamas und Fatah auf diese Einladung signalisiert nach beharrlichen, aber weitgehend erfolglosen ägyptischen Vermittlungsversuchen nicht unbedingt neue Kompromissbereitschaft der Kontrahenten: Eine derartige Einladung an einen solchen Ort kann man einfach nicht ausschlagen!

Die Kontroversen zwischen den palästinensischen Rivalen bleiben bestehen. Dabei geht es derzeit immer weniger um die grundlegenden Fragen der strategischen Ausrichtung palästinensischer Politik gegenüber Israel zur Beendigung der Besatzung und die Reaktion auf die drei Bedingungen des Nahostquartetts.

Die Auseinandersetzungen haben sich in den letzten Wochen auf die "Neuordnung der Sicherheitskräfte" konzentriert. Während Präsident Mahmud Abbas die Auflösung der Hamas-nahen Special Executive Forces (SEF) anordnete, forderte Ministerpräsident Ismail Hanijeh die Unterstellung aller bewaffneten Kräfte unter die Ägide des Innenministeriums.

Blutiger Zweikampf

Besonders im Gaza-Streifen hat die innerpalästinensische Auseinandersetzung somit immer mehr die Formen eines blutigen Zweikampfes zwischen dem neuen starken Mann in der Fatah, Mohammed Dahlan, einerseits und dem palästinensischen Innenminister Siad Siam andererseits angenommen: High noon in Gaza!

Vielen politischen Beobachtern fehlt zurzeit die Phantasie, wie dieser Machtkampf friedlich gelöst werden könnte, auch wenn die checkpoints der bewaffneten Gruppen im Gaza-Streifen jetzt weitgehend aufgelöst wurden, keine Entführungen und keine wechselseitigen gezielten Tötungen hoher Funktionsträger und ihrer Familien gemeldet werden.

Die wiederholten Drohungen des Präsidenten Mahmud Abbas mit Neuwahlen tragen nicht zur Beruhigung der Situation bei. Zum einen fühlt sich Hamas um die Früchte ihres Wahlsiegs vom Januar 2006 gebracht, bezeichnet das angedrohte präsidentielle Dekret als "Putsch" und droht mit einem Boykott, der diese Wahlen zu einer Farce werden ließe.

Zum anderen wären wohl vorzeitig ausgerufene Neuwahlen kaum mit dem palästinensischen Grundgesetz vereinbar. Auch in der Fatah hält sich die Unterstützung für Abbas Ankündigung in Grenzen, zumal der innerparteiliche Reformprozess der Fatah bislang keine wesentlichen Fortschritte gezeitigt hat.

Durch die Drohung mit Neuwahlen soll somit der Druck auf die Verhandlungen über eine Einheitsregierung erhöht werden. Viele sehen darin die einzige Chance, einen Bürgerkrieg zu verhindern.

Zähe Verhandlungen

Doch Hamas hat seine herbstliche Schwächeperiode überwunden. Nach dem Scheitern des westlichen Finanzboykotts, der offensichtlichen militärischen Stärke im Gaza-Streifen und aufgrund von Meinungsumfragen, die trotz der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage Hamas keine wesentlichen Popularitätsverluste bescheinigen, fühlt sich Hanijeh durchaus gestärkt: Es besteht kein Anlass zur Kapitulation. So gestalten sich die Verhandlungen äußerst zäh.

Allein eine Befriedung der internen Kämpfe und eine Beendigung der internationalen Isolation legitimieren die Verhandlungen über eine Einheitsregierung. Selbst wenn sie aufgrund des inneren und äußeren Drucks zu einer "Regierung der Nationalen Einheit" führen sollten, ist zu befürchten, dass diese Regierung kaum handlungsfähig sein wird.

Zu dünn ist das, was bislang an Kompromissformeln gefunden wurde, um die tiefen politischen Gegensätze und innerpalästinensischen Rivalitäten zu überwinden. So wird auch eine neue Regierung bestenfalls für eine Atempause in den innerpalästinensischen Auseinandersetzungen sorgen können.

Christian Sterzing

© Qantara.de 2007

Christian Sterzing (geb. 1949 in Krefeld) studierte Philosophie und Rechtswissenschaften in Hamburg und Sozialpädagogik in Berlin, Mainz und Frankfurt. Von 1989 bis 1994 war er Mitarbeiter der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. Zurzeit leitet er das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah im Westjordanland.

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