Ein Gipfeltreffen unter Freunden
"Es ist nicht unsere Aufgabe, den Führern zuzurufen, dass sie sich doch vertragen sollen", erklärte vor Beginn des Konzerts die Perkussionistin Maryam Hatef, seit vielen Jahren Gast bei "Tamburi Mundi". "Ich will vielmehr den ganz einfachen Menschen auf meine Weise, sprich musikalisch zeigen, dass ich mit der ganzen Welt spielen kann. Das hier ist ein Konzert unter Freunden."
Sowohl sie als auch ihr Partner Mohsen Taherzadeh, ebenfalls ein langgeschätzter Festivalteilnehmer, betonten, dass sie eine globale Geisteshaltung pflegen und sich von der ausschließlichen Widmung einer einzigen Kultur freigemacht haben. Und so sind die beiden Isfahaner auch bereits erprobt in verschiedensten Bühnendialogen, etwa mit Israelis, Palästinensern oder Amerikanern.
"Für mich ist der Mix von israelischer und iranischer Kultur schon durch meine Biographie völlig selbstverständlich", bekräftigte "Tamburi Mundi"-Neuling Michal Elia Kamal. "Ich kenne das aus meinem Elternhaus gar nicht anders." Die Vokalistin stammt aus einer jüdischen Familie, die nach der Revolution aus dem Iran floh und in Tel Aviv aufwuchs. Heute lebt die Musikerin in Istanbul. "Zuhause erlebte ich die Farsi-Kultur mit Teppichen an den Wänden und landestypischem Essen, draußen bewegte ich mich in einem sehr europäisch geprägten, modernen Umfeld, wo jeder seine neue israelische Identität suchte. Auf der Bühne in Freiburg kann ich komplett sein."
Symbolkraft der Barrierefreiheit
Es passte ins Konzept, dass der Festivalleiter, der deutsch-türkische Perkussionist Murat Coskun eine solche musikalische Begegnung als Auftakt für den "Tamburi Mundi"-Jubiläumsjahrgang gesetzt hatte. Denn bei diesem Festival dreht sich stets Vieles um die Rahmentrommel – ein Instrument, dessen Geschichte für Barrierefreiheit steht: Man hört Frame Drums an den Stränden von Brasilien wie in den zentralasiatischen Steppen, auf dem Markt von Marrakesch wie in den irischen Pubs.
Wenn sich Musiker aus Städten der von ihren Regierungen verordneten Feindschaft treffen, ist die Symbolkraft der Barrierefreiheit natürlich besonders schön. Doch es braucht Könner, um solche Symbolik mit Leben zu füllen.
Zu Hatef, Taherzadeh und Kamal traten die beiden Tel Aviver Musiker Yshai Afterman und Itamar Erez: Ersterer greift mit seinem Trommelspiel weit in die orientalische Rhythmik hinein, hat hierfür auch Unterricht bei einem persischen Lehrer genossen, letzterer steht mit seiner vierteltönigen Gitarre am Knotenpunkt von Nahost und Jazz. Das Ensemble komplettierte die junge Virtuosin Arezoo Rezvani an der persischen Kastenzither Santur, die wunderbar einfühlsam auf jeden musikalischen Kontext reagierte.
Mélange verschiedener Klangwelten
Diese sechs setzten ihre Freundschaft in einem dramaturgisch überzeugenden und - mindestens ebenso bedeutend - menschlich bewegenden Konzertabend in Szene. Schon zu Beginn funktionierte die Synthese blendend, als sich lebhafte Dreierrhythmen von der persischen Rahmentrommel Daf, dem iberischen Cajón und einer beleuchteten, mit Besen gekitzelten israelischen Trommel unter eine außergewöhnliche Zwiesprache legten: Arezoo Resvanis flink flatternde Linien auf der Santur verschlangen sich mit der Gitarre von Itamar Erez. Sein spezielles Instrument glitt dabei auch in Flamenco-Färbungen hinein.
Sephardische Tradition adaptierte das Sextett, als Michal Elia Kamal hinzutrat. Ihre resolute, leidenschaftliche Stimme, die am Ende langer Töne in Jauchzer mündete, unterstützte sie mit tänzerischen Gesten.
Doch der Abend wurde auch durch die Konstellationen in kleineren Gegenüberstellungen reizvoll. Mohsen Taherzadehs beseelter Sufigesang und sein perkussives Spiel auf der Langhalslaute Tar schufen mit Hatefs mitreißenden Daf-Rhythmen eine besondere spirituelle Sphäre. Ihr entgegneten Erez und sein Landsmann Yshai Afterman mit der gemächlich trabenden Komposition "Desert Sun".
Prasselnder Regen der persischen Daf
Afterman ist der Mann für das "Multi Tasking", verband die Rahmentrommel in jazzigen Anklängen mit dem Einsatz von Becken. Eine ganz konzentrierte Spiegelung von Trommeltradition in der Mitte: Taherzadeh entfachte ein Erdbeben auf der Daf, ließ sie wie prasselnden Regen klingen, wie den brasilianischen Musikbogen Berimbau. Ganz anders Afterman, der in seinem Spiel eher dem Element Luft zugeneigt schien, im delikaten Fingertanz helle, sanfte Explosionen aus der Tof, dem einstigen Instrument der Prophetin Miriam entließ.
Und schließlich ein grandioses Finale mit Gesang: Kamal wechselte in die Sprache ihrer Vorfahren, stimmte einen volkstümlichen, melancholischen Gesang auf Farsi an, den ihre fünf Kolleginnen und Kollegen im Chor erwiderten.
Die uralten Verbindungen von Maryam zu Miriam, von Daf zu Tof, hier wurden sie eindrucksvoll erneuert - mit Musikern aus zwei Städten, die mit Freiburg jeweils partner- und freundschaftlich verbunden sind, und sich fern der Heimat die Hände reichen konnten.
Stefan Franzen
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